Gesellschaft | Brieffreunde

Das kleine Glück zwischen den Zeilen

Elisa Erlacher ist für die Bewohner des Seniorenheims Eden in Meran eine besondere Postbotin. Über eine Initiative gegen das Alleinsein, die Generationen zusammenbringt.
Hände Seniorin
Foto: Pixabay

Eigentlich ist Elisa Erlacher Projektkoordinatorin im Sozialbereich. Seit zwei Wochen aber hat die 34-Jährige eine neue Aufgabe: Postbotin. Und zwar für die Bewohner des Seniorenheimes Eden in Meran. Eine Initiative, die für bewegende Momente sorgt – und das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Das Coronavirus hat auch vor den Seniorenwohnheimen in Südtirol nicht Halt gemacht. 77 gibt es davon, 4.400 Menschen leben dort. Schon früh wurden Besuchssperren verhängt und Bewohner isoliert. Dennoch treten immer mehr Fälle von Covid-19-Erkrankungen unter Bewohnern und Mitarbeitern auf. Auch Todesfälle hat es bereits gegeben. Inzwischen wurde ein Krisenstab eingerichtet, um die Versorgung mit Schutzmaterialien zu garantieren und Ersatz für personelle Ausfälle zu suchen, die sich aufgrund von Krankenständen ergeben. “Die Mitarbeiter leisten in dieser Zeit Großartiges. Durch Ihren unermüdlichen Einsatz tragen sie tagtäglich dazu bei, dass es trotz der schwierigen Lage den Heimbewohnern im Großen und Ganzen gut geht”, bedankt sich der Präsident des Verbandes der Seniorenwohneime Südtirols Moritz Schwienbacher.

Neben dem körperlichen ist aber auch das seelische Wohl der alten Menschen ein zentrales Anliegen. Weil Verwandte und Freunde, aber auch Freiwillige nicht mehr zu ihnen dürfen, organisieren manche Heime – auch mit Hilfe freiwilliger Spenden – Tablets oder Computer, um per Videotelefonie einen Kontakt zu den Liebsten herzustellen. In Meran hat Elisa Erlacher gemeinsam mit dem Altersheim Eden eine Aktion gestartet, “um älteren Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht ganz alleine sind”, wie sie erklärt.

 

“Erzähl mir von dir – Raccontami di te” so der Name der Aktion. Der Aufruf, den die diplomierte Sozialarbeiterin gestartet hat:

“Es sind sehr besondere Zeiten- für uns alle. Manche fühlen sich gerade jetzt sehr einsam. Ältere Menschen in den Altersheimen dürfen keine Besuche von ihren Angehörigen mehr bekommen und auch die Freiwilligen, welche sie regulär betreuten, mussten ihren Dienst einstellen. Mit wenig Zeit und ohne Aufwand kannst du einen Lichtblick schenken, ihre tägliche Routine unterbrechen und etwas Gutes tun. Es geht darum, einen Briefaustausch zwischen dir und einer/einem Heimbewohner*in des Altenheim Eden in Meran zu ermöglichen.
Wie funktioniert das?
Schreibe eine E-Mail mit persönlicher Beschreibung oder einer interessanten Sache die du mitteilen möchtest an die folgende Adresse [email protected]
Deine Nachricht wird dann ausgedruckt und an eine/einen Heimbewohner*in gegeben.”

Seit sie mit der Aktion gestartet ist, hat Erlacher bereits zahlreiche Briefe erhalten. Auch dank der Unterstützung des Ost West Club Meran und der katholischen Jungschar Südtirol. “Ich finde es sehr schön, dass die Werte der Gemeinschaft in Zeiten wie diesen wieder stärker gelebt werden”, sagt Erlacher. “Es berührt mich sehr, wie einfühlsam die Menschen, darunter viele Jugendliche, auf diese so einfache Aktion reagieren.” Die 34-Jährige hofft, dass sie andere “zu guten Ideen und Aktionen” inspirieren kann.

 

Inzwischen sind dank ihrer Initiative regelrechte Brieffreundschaften entstanden. Etwa zwischen V., die in Mailand lebt, und Frau J.


V. schreibt:

“(…) Momentan ist der Himmel blau. Nur der Himmel. Die restliche Welt ist eher grau.
Ich lese dann viel oder lenke mich ab. Ich schreibe dir dann. Weil ich helle Farben lieber mag.
Und gerade fällt mir ein wie schön ich es hab.
Ich bin 25. Im Sommer 2019 habe ich geheiratet.
(…)
Mein Mann sagt ich hab das schönste Lächeln der Welt. Dabei find ich mich gar nicht hübsch, schon gar nicht wenn ich lache.
Momentan sind wir alle etwas durcheinander, weil wir eingesperrt sind und nicht raus dürfen. Dabei gefällt es mir in meiner Wohnung ganz gut. Kleine Dinge machen mich glücklich.
Wie z.B. bekocht zu werden. Was gefällt dir besser? Kochen oder Essen? Mir eindeutig das zweite. Kochen liegt mir gar nicht. Mit Pflanzen kann ich auch nicht so gut. Leider fehlt mir der grüne Daumen.
Meine Mutter hat einen grünen Daumen. Überhaupt kann meine Mama alles gut.
(…)
Das Geschichten erzählen habe ich von ihr. So wie meine Sommersprossen und das Stark-sein.
Schreib mir doch was du gut kannst.”

 

Frau J. antwortet:

“(…) Ich habe schon fast 95 Lebensjahre hinter mir. Da habe ich schon so manches erlebt.
(…)
Meine Brüder haben viel gebastelt, vor allem aus Holz; wir Mädchen hatten es da nicht so fein, wir mussten fest im Haushalt mithelfen.
Der zweite Weltkrieg war für mich ein einschneidendes Erlebnis. Während der Optionszeit haben wir uns fürs Dableiben entschieden. Gott sei Dank hat man uns dafür keinen Hass entgegengebracht, da hat man ja viele schlimme Dinge gehört.
Wie schön, dass Du schon verheiratet bist. Ich wünsche Dir viel Liebe und Zusammenhalt für Deine Ehe!!
(…)
Allgemein gefällt es mir im Heim sehr gut.
(…)
Ich versuche immer lustig, hilfsbereit und gut gelaunt zu sein, ich bin ja eine Frohnatur; leider gelingt mir das nicht immer. Aber könnte man das Schöne denn schätzen, wenn man nicht auch das Schlechte kennt?
Du hast gefragt, was ich denn lieber täte, essen oder kochen? Wenn ich ehrlich bin, würde ich auch lieber an einen gedeckten Tisch sitzen und essen.
Ich wünsche Dir inzwischen das Beste auf der Welt; bleib bitte gesund!”

 

V. schreibt zurück:

“Liebe J.,
ich habe mich so sehr über deinen Brief gefreut.
Die Tage sind hier manchmal etwas trüb und deine Worte lassen etwas Sonne in mein Herz.
(…)
Ich freu mich so sehr, dass ich eine so fröhliche und positive Brieffreundin gefunden habe. Aber manchmal dürfen auch die Stärksten, schwache Momente haben.
Auch ich bin oft sehr traurig, dann hole ich mir viele schöne Erinnerungen aus meiner Gedankenschublade. Die Gedankenschublade ist in meinem Kopf und für jede Situation habe ich einen aufmunternden Gedanken.
(…)
Ich schick dir noch ein Foto von meinen genähten Kleidungsstücken. Die Mädels sind meine Freundinnen und der junge Mann ist mein Bruder. Ich habe eine Mode Kollektion genäht, die das Thema Option behandelt hat. Meine Omi war auch Dableiberin, mein Opi ist nach Österreich. Ich war ganz fasziniert von dem Thema. Mein Opa erzählt mir immer von der Zeit und wie schlimm es war.
Ich hoffe, ganz bald von dir zu hören und wünsche dir bis dahin nur das Beste.”

Sehr sinnvoll! An der Schule hingegen empfinde ich die derzeitige "Virtualisierung" fast als zusätzliche Belastung - neben den täglichen Corona-Krise-Nachrichten und dem Hausarrest.

Do., 26.03.2020 - 20:46 Permalink