Chronik | Krankenhaus Bozen

„Wir verlangen Respekt und Anerkennung“

Eine Gruppe von Krankenhausärzten* über das große Unbehagen und die Unzufriedenheit über das Management der Coronakrise und die Zustände an der COVID-Intensivstation.
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Foto: upi
Durch den Ausbruch der Coronakrise ist im Krankenhaus Bozen nichts mehr wie es war:.
Um die Notsituation zu bewältigen, wurden allgemein gültige Regeln bezüglich Transparenz, Demokratie und Unabhängigkeit außer Kraft gesetzt.
Ein übergeordneter Organisationsmanager wurde eingesetzt - zwar in Absprache mit den Primaren, jedoch ganz anders als man es sich erwartet hatte…
In den ersten Tagen der Coronakrise gab es bei der Versorgung von intensivpflichtigen COVID-Patienten nur Chaos und Desorganisation. Einmal aufgestellte Pläne wurden am nächsten Tag umgeworfen. Entscheidungen kamen von oben, durften nicht hinterfragt werden, wurden lediglich per Telefon angeordnet, ohne dass die Behandlungsteams ein Mitspracherecht hatten. Ratschläge und Vorschläge wurden nicht beachtet, obwohl das Team von Primar Peter Zanon eine jahrelange Erfahrung bei der Betreuung von Intensivpatienten hat. Die gesamten Entscheidungen wurden im Notfalldepartement von Notfallmedizinern getroffen…
Die allgemein gültige Regeln bezüglich Transparenz, Demokratie und Unabhängigkeit wurden außer Kraft gesetzt.
Patienten wurden innerhalb der Provinz bzw. ins Ausland verlegt - aufgrund welcher Kriterien wurde die Auswahl getroffen? Was war mit Diskussionen und Fallbesprechungen in einem multidisziplinären Team, was zur täglichen Routine bei der Betreuung komplexer Patienten gehört? Wurden überhaupt Experten bei der Bewältigung der Coronakrise hinzugezogen?
Mit zwei Anästhesisten aus Innsbruck wurden Werkverträge zu 90€/Stunde abgeschlossen, einmal für 450 Stunden vom 23. März bis 30. April und einmal für 600 Stunden vom 23. März bis 31. Mai, für einen Preis von 94.500€! Diese Kollegen sollten das Team der beiden Dienste für Anästhesie und Intensivmedizin SAR1 und SAR2 verstärken, wurden jedoch von oberster Stelle mit einer leitenden Funktion beauftragt.
 
 
Nicht nur die Arbeitsbelastung und die Angst vor Ansteckung haben uns diese Zeit so schwer gemacht, sondern auch das Gefühl der Machtlosigkeit, des Ausgeliefertseins und die täglichen Attacken auf unsere Professionalität und Unabhängigkeit.
Eine reale Hilfestellung bei der Betreuung der COVID-Patienten gab es nicht! Die Kollegin, welche in Bozen als Leiterin der COVID- Intensivstation im neuen Klinikgebäude präsentiert wurde, hat selbst nie einen COVID-Patienten betreut, hat nie einen Fuß auf die COVID-Intensivstation gesetzt und hat auch nie an klinischen COVID-Fallbesprechungen auf der Intensivstation teilgenommen. Es stellt sich zudem die Frage, warum eine Anästhesistin mit knapp 3 Jahren Facharzterfahrung als Leiterin einer Intensivstation eingesetzt wird…einer Intensivstation, die zwar eingerichtet, aber bis zum 26. April nie aktiviert worden ist, d.h. dass bis zu diesem Datum kein einziger Patient auf dieser Intensivstation lag.

 
 
Die intensivpflichtigen COVID-Patienten in Bozen wurden anfänglich im Aufwachraum und in den Operationssälen betreut, ab dem 26.März auf der eigentlichen Intensivstation und zwar von den Anästhesisten beider Abteilungen SAR1 und SAR2, welche in diesem Zeitraum zahlreiche Dienste abdecken mussten (3-4 Wochenenden am Stück, 9-10 Nachtdienste pro Monat).
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass die Arbeitsbedingungen auf einer COVID-Intensivstation besonders schwer sind: immer in voller Schutzkleidung, mit Atemmasken (über die Schutzausrüstung ist derzeit noch nicht geklärt, ob sie konform war!), z.T. 5-6 Stunden ohne Pause…
Es stellt sich zudem die Frage, warum eine Anästhesistin mit knapp 3 Jahren Facharzterfahrung als Leiterin einer Intensivstation eingesetzt wird.
Nicht nur die Arbeitsbelastung und die Angst vor Ansteckung haben uns diese Zeit so schwer gemacht, sondern auch das Gefühl der Machtlosigkeit, des Ausgeliefertseins und die täglichen Attacken auf unsere Professionalität und Unabhängigkeit.
In den Medien gibt es zahlreiche Berichte über die Task Force, über deren Leistungen und Erfolge, die wir nicht in Frage stellen. Wir selbst erwarten weder Lob noch Dank, möchten auch nicht im Rampenlicht stehen, aber wir verlangen Respekt und Anerkennung für unsere Arbeit!
Es wurde außerdem viel über die Schenkung eines ECMO-Gerätes berichtet, das bisher jedoch nicht zum Einsatz kam; jene Patienten, die eine ECMO notwendig hatten, mussten ins Ausland transferiert werden, da für die Benutzung einer ECMO speziell ausgebildetes Personal erforderlich ist, das bisher nicht zur Verfügung steht.
Wie jede Führungskraft weiß, ist eine enge Zusammenarbeit der Mitarbeiter immer, aber ganz besonders in Krisenzeiten erforderlich und ein eingespieltes Team sollte nicht gespalten werden! Zweifellos wurde diese Regel während der Coronakrise in Bozen nicht beachtet!
Innerhalb unseres Teams gibt es großes Unbehagen und Unzufriedenheit über das Management der Coronakrise sowie Unsicherheit über die Zukunft unserer Abteilung!
 
* Die Ärzte und Ärztinnen, die diesen Beitrag für Salto.bz verfasst haben, sind der Redaktion namentlich bekannt.