Gesellschaft | Gleichstellung

Irene Senfter: "Der Denksansatz ist falsch"

Im salto.bz Interview fordert die Läuferin Irene Senfter gleiche Preisgelder für Männer und Frauen. Sie sagt: "Lang hieß es: Frauen packen so harte Läufe nicht."

Frau Senfter, es kommt auch in Südtirol immer noch vor, dass Frauen bei Laufwettbewerben weniger Preisgeld bekommen als Männer. Mit welchen Argumente wird gearbeitet?

Irene Senfter: Ich muss vorausschicken, dass sich in den letzten Jahren vieles getan hat. Viele Laufveranstaltungen in Südtirol, ich nenne als Beispiele den Plose-Marathon, den Berglauf Schenna-Meran 2000, den Soltn-Halbmarathon oder auch den Berglauf Terlan-Mölten, sehen für die bestplatzierten Damen und Herren inzwischen Preisgelder in genau gleicher Höhe vor.

Aber Ungerechtigkeiten gibt es?

Von einer echten Gleichstellung im Sport sind wir meilenweit entfernt. Oft heißt es, die Preisgelder sind für die Männer höher, weil die Frauen ja langsamer sind. Was natürlich auch stimmt, Frauen haben eine andere physische Konstitution. Aber sie trainieren ja doch gleich viel oder auch mehr als Männer.

Wikimannia.org setzt sich für Unterschiede im Sport ein, will diese herausstreichen die "Männerdiskriminierung im Sport" benennen:

Allgemein lässt sich wohl sagen: Bei gleichen Bedingungen für Männer und Frauen können sich Frauen im Sport im Schnitt weniger erfolgreich durchsetzen als Männer. Deshalb gibt es eigene Frauensportarten wie Frauenleichtathletik, Frauenfußball, Frauentennis und andere Sportarten mit teils abweichenden Regeln wie bei Männern und eigene Frauenligen beziehungsweise Frauenwettbewerbe. Es handelt sich also beim Frauenfußball oder Frauentennis nicht allein um Fußball oder Tennis spielende Frauen, sondern um eigene, von Fußball und Tennis verschiedene Sportarten. Es bleibt ein Geheimnis der Feministinnen und GleichstellungsfunktionärInnen, wie bei anderen Regeln von GleichbeRechtigung gesprochen werden kann. Letzlich wird unter dem verlogenen Schlagwort Gleichstellung immer mehr Männerdiskriminierung betrieben.

Wenn man es monetär beziffern will, wie schaut die Ungleichbehandlung aus?

Noch vor einigen Jahren war es ganz normal, dass der erste Mann für den Sieg 500 Euro bekommen hat und die erste Frau eben nur 300 Euro. Ich glaube, vielen Veranstaltern war die eklatante Diskriminierung gar nicht bewusst, aber als das Thema zur Sprache kam, haben viele reagiert. Allerdings gibt es auch heute noch Veranstalter, die auf diesem Ohr taub sind.

Frau Senfter, sie sind als Läuferin wettkampfmäßig seit 1998 aktiv und setzen sich für mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ein, was fordern Sie konkret?

In erster Linie natürlich, dass für gleiche Platzierungen bei Männern und Frauen gleiche Preisgelder bezahlt werden. Ich habe ein bisschen im Internet recherchiert und glaube, dass bei all jenen Veranstaltungen – ich nenne jetzt bewusst keine Namen – die nur das Gesamtpreisgeld angeben, das ausgeschüttet wird, die Schieflage zwischen Männern und Frauen weiter besteht. Aber immerhin ist schon das Bewusstsein da, dass das nicht in Ordnung ist, sonst könnte man die Preisgelder ja aufschlüsseln wie alle anderen Veranstalter auch, oder?

Aber immerhin ist schon das Bewusstsein da, dass das nicht in Ordnung ist, sonst könnte man die Preisgelder ja aufschlüsseln wie alle anderen Veranstalter auch, oder?

Gibt es denn aus Ihrer Sicht überhaupt eine Rechtfertigung für ungleiche Preisgelder bei Männern und Frauen?

Nein. Denn man muss auch im Wettkampfsport von vornherein akzeptieren, dass die physische Leistungsfähigkeit zwischen Männern und Frauen eben verschieden ist. Bei den Alterskategorien würde es ja auch niemandem einfallen, von einem 60jährigen dieselbe Leistung zu verlangen wie von einem 30jährigen.

Was ist also falsch?

Der Dankansatz, dass die absolute messbare Leistung bei Männern und Frauen gleich sein muss, der ist falsch. Ich würde vielmehr sagen, dass der Einsatz und der Trainingsaufwand und auch die subjektive Anstrengung im Wettkampf bei Männern und Frauen gleich sind und also auch gleich „belohnt“ werden müssen. Es ist ja nicht so, dass eine Edeltraud Thaler weniger trainiert als ein Hermann Achmüller! Wenn man hingegen die Tatsache berücksichtigen möchte, dass an einem Lauf wesentlich mehr Männer teilnehmen als Frauen, so kann man zum Beispiel die ersten fünf Damen und die ersten fünf Herren prämieren, mit gleich hohen Preisgeldern, bei den Männern aber bis zum zehnten Platz Preisgelder vorsehen.

Ich würde vielmehr sagen, dass der Einsatz und der Trainingsaufwand und auch die subjektive Anstrengung im Wettkampf bei Männern und Frauen gleich sind und also auch gleich „belohnt“ werden müssen. Es ist ja nicht so, dass eine Edeltraud Thaler weniger trainiert als ein Hermann Achmüller!

Hinkt Südtirol hier hinterher oder ist das eine Situation, die Sie auch aus anderen Ländern kennen?

Dass Frauen im Sport für gleiche Leistung schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen, ist leider auf der ganzen Welt der Fall und ändert sich nur langsam. Auch im Profisport. Als 2007 in Wimbledon gleiche Preisgelder für Damen und Herren eingeführt wurden, war damit bei weitem nicht die gesamte Tenniswelt einverstanden. Und in der Liste der bestverdienenden Sportler/innen (aus dem Jahr 2012) finden wir die erste Frau erst auf dem 22. Platz!

Mit Ihrer Forderung mehr Gleichberechtigung auch in lokale Läufe zu bringen stehen Sie allein da?

Viele Sportlerinnen akzeptieren die Ungleichbehandlung, aber wenn man nachfragt, ob sie die Vorgangsweise gerecht finden, antworten sie „eigentlich nicht“. Aber es ist halt auch so, dass im Amateurbereich keine von denen, die unmittelbar betroffen ist, als geldgierig dastehen möchte.

Und wie reagieren die männlichen Läufer auf die ungleiche Behandlung?

Wie gesagt, sehr viele Männer haben Verständnis. Als ich vor einigen Jahren bei meinem eigenen Verein, den „Soltfnlitzern“ in Jenesien, die Angleichung der Preisgelder vorgeschlagen habe, waren die Männer im Vorstand sofort einverstanden. Aber es gibt natürlich überall auch hartgesottene Machos.

Mehr Sensibilität bei SportlerInnen, Veranstaltern und Publikum ist notwendig?

Absolut. Vergessen wir nicht dass es den Frauenmarathon erst seit Mitte der 80er Jahre gibt und dass in der Vergangenheit die Damenstrecken oft wesentlich kürzer waren als die Herrenstrecken. Die Botschaft war: „Frauen packen so harte Läufe nicht.“ Ich denke, dass die Fortschritte der letzten Jahre nur möglich waren, weil erstens immer mehr Frauen an Wettkämpfen teilnehmen, weil zweitens ihre Leistungen immer besser werden und wenn drittens sich immer wieder Frauen sich wehren, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen: So wie die weltberühmte Sportkletterin Lynn Hill, die ihre Teilnahme an einem Wettbewerb absagte, weil der erstplatzierte Mann ein Auto bekommen sollte und die erstplatzierte Frau nicht.