Der Botschafter des Südtiroler Apfels
Nach seiner Ausbildung an der Oberschule für Landwirtschaft in San Michele hat Kurt Werth knapp 30 Jahre lang beim Aufbau und der Weiterentwicklung des Südtiroler Beratungsringes mitgewirkt, war langjähriger Verwalter kirchlicher Obst- und Weinbaugüter und neun Jahre lang Direktor des Südtiroler Sortenerneuerungskonsortiums. Er besitzt selbst eine Apfelanlage und ist seit 1998 für die Organisation des Kongresses im Rahmen der Interpoma, der internationalen Fachmesse für Anbau, Lagerung und Vermarktung des Apfels, verantwortlich. Auch in der Freizeit lässt ihn der Apfel nicht los: Er sammelt gemeinsam mit seiner Frau leidenschaftlich künstliche Äpfel aller Art und hat inzwischen mit über 3.300 Stück zuhause laut Guinness World Records die offiziell weltgrößte Sammlung dieser Artefakte.
Messe Bozen: „Ein Leben im Zeichen des Apfels“, so könnte man Ihr Leben betiteln: Welche war die interessanteste Periode und auf welche schauen Sie am liebsten zurück, schließlich sind Sie ja nun offiziell im Ruhestand?
Kurt Werth: Alle Abschnitte in meinem 50-jährigen Berufsleben waren äußerst interessant und spannend zugleich, dafür bin ich sehr dankbar. In meiner Beraterzeit z.B. war die Einführung der intensiven Pflanzungen und des integrierten Pflanzenschutzes ein sehr aufregendes Thema. Als Verwalter dagegen, war es die Umsetzung der Erkenntnisse des modernen Obstbaus in die Praxis, welche mich sehr fasziniert hat. Beim Südtiroler Sortenerneuerungskonsortium wiederum hatte ich die Möglichkeit weltweit ausgelegte Recherchen in der Sortenentwicklung zu verfolgen, welches mir letztendlich die Grundlage gab, als Berater der Messe Bozen ausschlaggebend dazu beizutragen, dass die Apfel-Fachmesse Interpoma sich in der Obstbauwelt zu der Veranstaltung entwickelt hat, die sie heute ist: ein Muss für jeden Fachmann aus der Branche.
Sie haben hunderte Flüge und unzählige Flugmeilen im Dienste des Südtiroler Apfels absolviert. Wohin hat Sie Ihre Tätigkeit bereits geführt? Welche Anbauregionen würden Sie besonders hervorheben?
Eigentlich überall dorthin, wo in der Welt der Apfelanabau von wirtschaftlicher Bedeutung ist. Und von Bedeutung ist der Apfel in allen Kontinenten rund um den Globus.
Von der Dimension her ist zweifelsohne China das bedeutendste Anbaugebiet, von den Betriebsgrößen her sind es Chile, Brasilien und Südafrika. In der Sortenentwicklung steht Neuseeland an erster Stelle und unübertroffen die höchste Qualität wird in Japan produziert. Die höchste Konzentration an intensiven Pflanzungen aber steht heute in Südtirol, dem damit größten zusammenhängendem Obstbaugebiet der Welt. Hier werden auf 18.500 Hektar im Schnitt an die 1,2 Millionen Tonnen Äpfel produziert, was rund 60% der gesamten italienischen und 12% der europäischen Ernte entspricht.
Was konnten Sie von Ihren Reisen mitnehmen und erfolgreich vor Ort einbringen?
Sehr viel, natürlich nur mit Hilfe vieler Kollegen und Mitarbeiter. Südtirol steht heute in der Apfelwelt gewissermaßen beispielgebend dar. Aber viele Erkenntnisse haben wir vom Ausland übernommen, es dann allerdings verstanden, diese gemeinsam mit wissbegierigen und fortschrittlichen Obstbauern und dank effizienter Beratung und Versuchswesens erfolgreich umzusetzen. Das gilt etwa für die Anbau- und Lagertechniken, den integrierten Pflanzenschutz, Sorten, u.v.m.
Welchen Stellenwert hat der Apfel als landwirtschaftliches Produkt in der heutigen globalisierten Weltwirtschaft?
Gemessen am weltweiten Anbau von Getreide, Reis, Soja, Agrumen, Gemüse u.a., spielt der Apfel eine eher untergeordnete Rolle. Aber immerhin, alleine die Vorstellung, dass man mit all den in Südtirol produzierten Äpfeln hintereinander aufgereiht den Globus zehnmal umrunden könnte, macht deutlich, welche Bedeutung der Apfel zumindest aus Südtiroler Sicht heute einnimmt.
Welche Zukunft sehen Sie für den Apfel im Konkurrenzkampf mit den Snacks im Supermarkt? Kann der Apfel seine führende Rolle im Verkaufsregal verteidigen?
Der Apfel, wie auch andere Früchte, hat es nicht leicht sich bei den heutigen Ernährungsgewohnheiten eines unter ständigem Stress leidenden Menschen in einer modernen Welt zu behaupten. Snacks, Schokoriegel, Eis u.a.m. werden tatsächlich mehr und mehr zur Konkurrenz eines knackigen, saftigen, vitamin- und mineralstoffreichen Apfels. Der Pro-Kopf-Verbrauch, zumindest in Europa ist rückläufig. Nicht zufällig steht ein Tag des Interpoma-Kongresses unter dem Thema: “Stirbt die alte Generation der Apfelesser aus?“.
Welche Auswirkungen wird eine mögliche Öffnung des chinesischen Marktes für die Apfelproduktion weltweit haben? Und welche für Südtirol, schließlich kommt jeder zweite heute angebaute Apfel aus China?
Im weltgrößten apfelproduzierendem Land China, mit seinen jährlich 38 Millionen Tonnen Äpfeln, läuft die Entwicklung in zwei Geschwindigkeiten. 90% der Anlagen sind Kleinst-Anbaubetriebe, mit altem Baumbestand, ohne Innovation, ohne Mechanisierung, traditionell wie seit eh und je. Ein Teil aber ist fortschrittlich, der sich durchaus mit dem heutigen modernen Obstbau messen kann. Dieser Anteil, der sich vor allem in Händen von Investoren aller Art befindet und vergleichsweise enorme Dimensionen einnimmt, entwickelt sich weiter. Ein Grund, für Interpoma und deren Aussteller ihren Blick auch nach Fernost auszurichten. Der Apfel hat in China einen hohen Stellenwert, und die Nachfrage ist bei weitem größer als das Angebot. Meiner Einschätzung nach wird China aber in absehbarerer Zeit noch keine Konkurrenz für die westliche Welt werden.
Welches Zeugnis stellen Sie der Südtiroler Apfelwirtschaft aus – was läuft gut, wo könnte man noch besser werden?
Ich habe eine gute Meinung vom Südtiroler Obstbau. Wir sind gut aufgestellt, in der Forschung, in der Beratung, im Anbau, vor allem aber auch in der Lagerung und der genossenschaftlichen Vermarktung. Dort sind heute Schlagkraft und Effizienz mehr denn je gefragt. Aber die Entwicklung und Anforderungen des Konsumenten gehen weiter und ändern sich. Da heißt es Schritt halten, reagieren, sich anpassen und in jeder Hinsicht innovativ und flexibel agieren.
Eines aber läuft in meinen Augen in Südtirol (und nicht nur hier) eindeutig schief: die Schwarz-Weiß-Malerei zwischen integrierter Produktion und biologischem Anbau. Hier ist dringend mehr Informations- und Aufklärungsarbeit vonnöten. In Südtirol wird ausschließlich einwandfreies und gesundes Obst produziert. Das geht aber nicht ohne Pflanzenschutz - auch nicht bei Bio! Es ist einfach tendenziös und falsch, den Bio-Anbau (weil ohne synthetisch hergestellte Pflanzenschutzmittel) als „gesund“ und den konventionellen Anbau hingegen als „vergiftet“ darzustellen. Beide Anbaumethoden haben Ihre Berechtigung. Hier wird mit der Angst des leichtgläubigen Konsumenten gespielt. Hier muss sich was ändern.
Was macht den Südtiroler Obstbau so besonders? Warum kann und ist er Vorbild für viele andere Regionen in der Welt? Und weshalb ist Bozen der richtige Austragungsort für die wichtigste Fachmesse rund um den Apfel?
Wenn heute die Apfelwelt den Südtiroler Obstbau als nachahmenswert ansieht, dann weil Südtirol es verstanden hat, mit technischem Knowhow alle Chancen, die sich in der förderungsfreudigen EU geboten haben, zum Vorteil der klein strukturierten Familienbetriebe zu nutzen und dies in jeglicher Hinsicht: im Anbau, in der Lagerung und in der Vermarktung. Das ist auch der Grund warum Südtirol der richtige Standpunkt für die Messe Interpoma geworden ist und damit zweijährliches Stelldichein und Treffpunkt für die gesamte Apfelwelt.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Interpoma, die heuer ihre zehnte Auflage feiert?
Die Entwicklung der Fachmesse ist außerordentlich gut: Interpoma hat seit der ersten Auflage 1998 die Ausstelleranzahl und Ausstellungsfläche verdoppelt, während sich die Besucherzahl und der Umsatz sogar verdreifacht haben. Interpoma ist weltweit zu einem Begriff geworden. Nur, die Entwicklung geht weiter, das Internet hat vieles auf die „Computer Dimension“ reduziert. Das fordert Veränderungen geradezu heraus. Auch Interpoma wird im 3. Jahrzehnt des Bestehens nicht einfach stehen bleiben können. Anpassung, Flexibilität und noch mehr Internationalität wird die Divise von morgen sein.