Wirtschaft | Pustertal

Gaiser Grube

Ein geplantes Schotterwerk in Gais sorgt für Kritik – und ein voll besetztes Pfarrheim. Die Verantwortlichen geben ein Versprechen, das für viele aber zu spät kommt.
Pfarrheim Gais
Foto: BWR

Braucht Gais eine Schottergrube? An dieser Frage scheiden sich derzeit nicht nur in der kleinen Pusterer Gemeinde nördlich von Bruneck die Geister. Am Donnerstag Abend fand im Gaiser Pfarrheim eine Informationsveranstaltung für die Bürger statt – die hatten erst im Juni aus Medienberichten von dem Vorhaben erfahren. Und inzwischen Unterschrift gegen das Schotterwerk gesammelt.

 

Schotter und Kritik

 

Hinter dem Projekt steht die “BetonWerk und Recycling GmbH”, kurz BWR. Die Schottergrube soll in 310 Meter Entfernung zur Verarbeitungsstätte der BWR entstehen, um – laut Aussage des Geschäftsführers Roland Pezzi – den Bedarf an Baustoffen und Beton für die lokale Bautätigkeit im Tauferer Ahrntal und rund um Bruneck zu decken. “Bisher wird das Material von außerhalb angeliefert. Wir reden hier von 12.000 LKW-Fahrten durch das Gemeindegebiet im Jahr – bis zu 60 am Tag – mit entsprechendem CO2-Austoß und Umweltbelastung”, die, so Pezzi, dank des neuen Schotterwerks “größtenteils wegfallen werden”.

Dafür kommen auf Mensch und Natur ganz andere Belastungen zu, so die Sorgen vor Ort – und die Kritik der Grünen. “Sage und schreibe 675.000 Kubikmeter Schotter sollen auf einer riesigen Fläche von sechs Hektar in Dorfnähe abgebaut werden – in einer Gegend, die für die Gaiser Bevölkerung bis dato ein beliebtes und ruhiges Naherholungsgebiet ist”, zeigen die Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler auf. “Durch dieses große Bauvorhaben wird nicht nur ihre ‘Woade’ mitsamt Wanderwegen gestört und zerstört. In den nächsten Jahren – die Abbaukonzession beläuft sich voraussichtlich auf 15-20 Jahre – wird auch eine enorme Staub- und Lärmbelastung auf die Menschen zukommen.”

 

Auch die Vertreter der Südtiroler Freiheit im Pustertal sehen das geplante Schotterwerk kritisch. Neue Schottergruben sollten nur dann ausgewiesen werden, wenn auch unmittelbarer Bedarf besteht, meint STF-Bezirkssprecher Bernhard Zimmerhofer – und den gebe es nicht: “Allein mit dem Aushub aus dem Brennerbasistunnel von insgesamt ca. 17 Millionen Kubikmetern sollte auch der Südtiroler Bedarf an Schotter über Jahre gedeckt sein.”

 

Die Rolle der Gemeinde

 

Die Grünen haben eine Anfrage im Landtag eingereicht, in der sie von der Landesregierung unter anderem wissen wollen, wie sie einen möglichen Interessenkonflikt beurteilt, “der sich in der Doppelrolle des Gaiser Bürgermeisters zeigt”. Bürgermeister Christian Gartner ist Teilhaber der BWR GmbH und saß bis zu seinem Amtsantritt für viele Jahre im Verwaltungsrat.

 

Bei der Informationsveranstaltung am Donnerstag im voll besetzten Pfarrheim vertrat Vizebürgermeister Alex Dariz die Position der Gemeindeverwaltung. “Als Gemeinde haben wir keine Zuständigkeit in der Sache selbst, die Baukommission kann lediglich ein nicht bindendes Gutachten dazu abgeben”, informierte er die anwesenden Bürger. Tatsächlich liegt es an der Landesregierung, Abbaukonzessionen für Schotter zu erteilen. Dazu ist eine große Umweltverträglichkeitsprüfung nötig. Den UVP-Prozess erläuterte Amtsdirektor Paul Gänsbacher, der am Donnerstag auch nach Gais gekommen war.

 

Rund um die Grube

 

Zugleich teilte Vizebürgermeister Dariz mit, dass er sich jüngst mit der BWR und der Fraktionsverwaltung zusammen gesetzt und “konkrete Verbesserungen für die Bevölkerung” erreicht habe. Zum einen soll der Abstand zum naheliegenden Wohngebiet auf 200 Meter erhöht werden – die Freiheitlichen Gemeinderäte von Gais fordern in einem Beschlussantrag eine Erhöhung auf 300 Meter – und ein begrünter Erdwall die Wohngegend vor Staub und Lärm abschirmen. Ein Schutzwall soll auch rund um die Wanderwege angelegt werden, die bestehen bleiben sollen.

“Von der insgesamt ausgewiesenen Fläche ist jeweils nur ein Viertel zur Bearbeitung offen. Der Rest bleibt intakt bzw. wird nach Bearbeitung sofort wieder begrünt”, erklärte der zuständige Planer der Schottergrube, Stefano Brunetti den Gaisern am Donnerstag. Außerdem soll nach dem Schotterabbau “die ursprüngliche Situation wieder hergestellt und die Fläche ausschließlich als Weide genutzt werden”. Für die Bauern, die inzwischen auf die Fläche verzichten müssen, gibt es einen Ausgleich für den Weideausfall. Das kündigte Karl Renzler, Vorsteher der Fraktion Gais, in deren Besitz sich das Grundstück befindet, an.

 

Renzler berichtete von den Umweltauflagen für die BWR – der Abtransport des Schotters soll mit modernsten LKW der Schadstoffklasse Euro 6 erfolgen, bei starkem Nordwind mit Staubbildung müssen die Arbeiten eingestellt werden – und davon, was mit den Geldern passieren soll, die durch den Schotterabbau in die Gemeindekassen fließen würden: “Die Einnahmen werden für die Vereine und Verbände, die Pfarrei und für die Landwirtschaft in Gais eingesetzt und ebenso für die Verbesserung und Erweiterung der Naherholungs- und Sportzone in Gais verwendet.”

 

Zu spät zum Reden?

 

“Wir werden unser Projekt im Dialog mit der Gemeinde, der Fraktionsverwaltung und den Mitbürgerinnen und -bürgern entwickeln und alle Anliegen ernst nehmen. Das ist ein Versprechen”, teilen BWR und Gaiser Fraktionsverwaltung nach der Informationsveranstaltung am Donnerstag in einer Aussendung mit. Allerdings verärgert viele in Gais, dass die Bürger viel zu spät und nur mangelhaft über die geplante Schottergrube informiert worden sind. Auch die Veranstaltung am Donnerstag sei erst auf Druck der Bevölkerung angesetzt worden.

 

Nach der Präsentation des Projekts am Donnerstag gab es eine lange, intensive Diskussion, in der viele Zweifel und Sorgen – gesundheitlicher Art und vor der Staubbelästigung –, vorgebracht wurden. In wenigen Wochen wurden außerdem zahlreiche Unterschriften gegen die Schottergrube gesammelt, die im Pfarrheim demonstrativ ausgehängt wurden.
Nun steht jedenfalls UVP an, Vizebürgermeister Dariz gibt sich diplomatisch: “Ich bin zuversichtlich, dass alles genau geprüft und bewertet wird und eine Abbaukonzession nur dann erteilt wird, wenn alles in Ordnung ist.”