Gesellschaft | Kommentar

Den Kuchen backen morgen andere

Hetze, Hass, Häme und Verachtung für die junge Generation und ihren Einsatz gegen den Klimawandel haben ihr Verfallsdatum erreicht.
Klimastreik 15. März
Foto: salto.bz /N.Arrigoni

Es sollte in meiner Arbeit nicht passieren, emotional zu werden. Vor Kurzem war es so weit. Tief bewegt saß ich meinem Gesprächspartner gegenüber. Er sprach von den jungen Menschen, die er sein Leben lang begleitet hat.
“Wir sollten stärker ein Grundgespür dafür entwickeln, wie es dem anderen geht, weshalb verhält er sich so und nicht anders, die Frage nach dem Warum? viel stärker stellen.” Dialog statt Vorwürfe.

Jetzt ist es wieder so weit. Tief entsetzt lese ich, wie im Netz über Greta Thunberg hergefallen wird – und frage mich: Warum?

Die deutsche Autorin und Komikerin Sophie Passmann unterteilte beim “Kampf um den Kuchen” die Welt einmal in zwei Gruppen: einerseits “weißer, gesunder, christlicher, wohlhabender Mann, der die Erzählungen schreibt, den Kuchen backt und uns die Welt erklärt”, andererseits: alle anderen. Nicht jeder alte, weiße Mann ist ein alter weißer Mann. Aber es gibt sie, ausgestattet mit dem – Zitat Passmann – “Gefühl der Überlegenheit, gepaart mit der scheinbar völligen Blindheit für die eigenen Privilegien”.

Nun hat sich eine junge Schwedin und mit ihr abertausende junge Menschen – wie unerhört und unangenehm! – erlaubt, die Welt dieser alten weißen Männer ins Wanken zu bringen. Und zwar so unerschrocken und gehörig, dass sie sogar im winzigen Südtirol zittern. #fuckgreta schreibt ein SVP-Gemeinderat auf Facebook. Nur die Spitze des Hassbergs.

“Schluss mit Greta” würgt der Chefredakteur eines Onlineportals einen Kommentar über die “brandgefährliche Heilige” hervor. Die Zeilen triefen vor Verachtung. Nicht nur für Greta Thunberg, sondern für eine ganze Generation. Wie klein muss man(n) sich selbst fühlen, wenn man(n) auf die Kleinen losgeht? Wie groß muss die Angst vor den Jungen sein, wenn man(n) ihr Engagement gegen den Klimawandel als gefährliche Ideologie abtut und in einem Atemzug mit Systemen nennt, die Millionen Menschenleben gekostet haben?

Die Jungen kämpfen mit den einzigen Waffen, die ihnen in dieser Welt, die sie (noch) nicht mitgestalten dürfen, bleiben: ihre Stimmen. Dass sie sie erheben, jagt vielen offenbar einen Schrecken ein. Ihre Hoheit über die Erzählung und Erklärung der Welt ist in Gefahr! Anders sind die unerträglichen, unflätigen und unnötigen Angriffe für mich nicht zu erklären.

Zum Glück aber – und das lässt mich aufatmen – gehört die Zukunft nicht alten weißen Männern. Schon gar nicht solchen, die im winzigen Südtirol blass vor ihrem PC sitzen. Ihr Verfallsdatum wird bald überschritten sein.
Den Kuchen backen morgen andere. Mit der Zutatenliste, die wir ihnen hinterlassen. Darauf sollten wir Zuversicht, Mut und Vertrauen schreiben. Und Hetze, Hass und Häme streichen.