Politik | Feuer am Dach

Die Lega-Dämmerung

Steht die Lega in Südtirol vor dem Aus? Was sagt der Landeshauptmann zu den Turbulenzen beim Koalitionspartner und einer möglichen Regierungsumbildung?
Bessone, Mattei, Vettorato, Vettori
Foto: Facebook/Massimo Bessone

Von den Zuschauerrängen aus sieht alles sehr harmonisch aus. Carlo Vettori betritt die Aula, setzt sich an seinen gewohnten Platz. Er wirkt gut gelaunt, drückt Giuliano Vettorato fest die Hand. Massimo Bessone scherzt mit den Oppositionskollegen, lässt sich für ein Foto gemeinsam mit Team K ablichten. Später holt er Rita Mattei und Giuliano Vettorato aus dem Landtagssaal. Denn draußen warten die Journalisten, die wissen wollen: Was ist in der Lega los?

Maurizio Bosatra ist noch vor der Landtagssitzung am Dienstag für ein Mittagessen mit Bessone, Mattei und Vettorato von Mailand nach Bozen geeilt. Allein das zeigt, dass das Feuer am Lega-Dach größer ist, als nach außen behauptet wird.

 

Der letzte Leghista?

 

Spätestens seit dem Parteiaustritt von Carlo Vettori dürfte es auch dem gutgläubigsten Beobachter dämmern: Die Gräben in der Lega sind nicht mehr zuzuschütten. Öffentlich lässt Vettori kein schlechtes Wort über die zwei am Hebel der Südtiroler Lega, Filippo Maturi und Maurizio Bosatra, fallen. Und nennt auch keinen anderen Grund für seinen Rücktritt als dass die Lega mittlerweile "eine andere" sei und ein zu zentralistischer und nationalistischer Wind wehe. Dabei ist es kein Geheimnis: Mit Maturi ist Vettori seit den gemeinsamen Zeiten im Bozner Gemeinderat spinnefeind. Und der von Parteichef Matteo Salvini für Südtirol eingesetzte Lega-Kommissar Bosatra diktiert Entscheidungen von Mailand aus, beschimpft und drangsaliert die Südtiroler Lega-Landtagsabgeordneten mit permanenten Kontroll-Anrufen. Einzig Giuliano Vettorato wird verschont.

 

Mit seinem Austritt ist Vettori einem möglichen Parteiausschluss zuvorgekommen. Ein solcher droht auch Massimo Bessone, den Bosatra und Maturi ebenso auf ihre Abschussliste gesetzt haben.
Gemeinsam mit Rita Mattei könnte Bessone die Lega verlassen, sich im Landtag mit Carlo Vettori zu einer neuen, autonomiefreundlichen Fraktion zusammenschließen und die Regierungskoalition weiterhin von außen unterstützen. Diesen Plan enthüllt salto.bz am Dienstag Morgen. Demnach wäre Vettoris Austritt der Schneeball, der die Lawine ins Rollen bringen und zu einer Umbildung der Landesregierung mit Bessone und Mattei als Vertreter einer neuen politischen Bewegung und ohne Vettorato als dem letzten Leghista führen würde.

 

“Das überlasse ich den Medien”

 

Landeshauptmann Arno Kompatscher goutiere diese Aktion, heißt es. Er hat sich von Anfang an schwer mit Salvinis Partei als Koalitionspartner getan. Erwartungsgemäß tut Kompatscher in der Öffentlichkeit diese Dinge aber als “Spekulationen” ab. Er habe Vettoris Schritt, über den er nicht informiert gewesen sei, zur Kenntnis genommen. Seine Regierungsmehrheit sieht der Landeshauptmann nicht gefährdet. Der Ex-Leghista habe ihm umgehend versichert, dass er weiterhin die Mehrheit und das Programm bis zum Ende der Legislaturperiode unterstützen werde – “der Rest sind parteiinterne Fragen der Lega, die ich nicht kommentiere”, so Kompatscher.
Zum sich abzeichnenden Parteiaustritt von Massimo Bessone und die möglichen Folgen für die Landesregierung, meint der Landeshauptmann am Dienstag nur: “Ich beteilige mich nicht an Spekulationen. Das sind Fragen, die die Lega intern klären muss und die die Regierungsarbeit nicht betreffen. Wir haben eine Vereinbarung – und in der Sitzung der Landesregierung heute wunderbar gearbeitet.”

Sollte es einen Konflikt geben, Bessone und Giuliano Vettorato – der Leiferer Ex-Stadtrat gilt von den vier Lega-Landtagsabgeordneten als einziger wirklicher Vertrauter Maturis – haben ihn nicht in die Landesregierung getragen, beteuert Kompatscher. “Die Was-wäre-wenn-Fragen überlasse ich den Medien”, meint er und wirkt dabei beinahe belustigt.

 

Die andere Leseart

 

Die internen Turbulenzen – nur eine Sache der Lega? In der Opposition sieht man das durchaus anders. “Wie ein Mantra haben sie es wiederholt, dass sie die Landesregierung mit der Lega machen, weil sie die Italiener im Land am ‘besten repräsentiert’”, erinnert die Grüne Fraktionssprecherin Brigitte Foppa. Nun, da die Lega bröckle, sei sie “gespannt darauf, wie die SVP nun argumentiert”. “La Lega non lega se stessa”, kommentiert der 5-Sterne-Landtagsabgeordnete Diego Nicolini salopp. Vettoris Schritt sieht er als “Symptom einer tiefen Krise in der Mehrheit”. Außerdem sei es “besorgniserregend, wenn es so ist, wie Vettori sagt, und in der Lega die zentralistische Ausrichtung zugenommen hat”. In dieselbe Kerbe schlägt Team-K-Chef Paul Köllensperger. Durch Vettoris Austritt und Aussagen sieht er “bestätigt, dass die Lega weit davon entfernt ist, eine föderalistische Partei zu sein – die SVP muss sich weiterhin fragen, ob sie den richtigen Partner hat”.

 

Auch weil Filippo Maturi und Maurizio Bosatra umgehend kontern – die Lega sei dieselbe wie jene, für die sich Vettori vor einem Jahr in den Landtag hat wählen lassen –, gehen sowohl Exponenten der Opposition als auch solche der SVP davon aus, dass Vettoris Entscheidung und alles, was noch folgen wird, im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen 2020 geschieht. Es sei ein offenes Geheimnis, “dass verschiedene Lega-Vertreter lieber Bürgermeister wären, als im Landtag zu sitzen”, zitiert RAI Südtirol SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz. In der Lega wäre sowohl für Carlo Vettori als auch für Massimo Bessone eine Bürgermeisterkandidatur in ihren Heimatstädten Bozen und Brixen undenkbar.

 

Harmonie, die stört

 

Von Vettoris Parteiaustritt, von dem Kompatscher aus den Medien erfahren haben will, wussten andere im Landtag sehr wohl bereits seit einiger Zeit. Auch von den von salto.bz aufgedeckten Plänen zur Umbildung der Landesregierung hat der ein oder andere im Landtag nicht zum ersten Mal gehört. Und dass es Bessone Vettori gleich tun und aus der Lega austreten wird, “liegt in der Luft”, heißt es am Dienstag in den Gängen des Landtags.
“Stimmt überhaupt nicht”, wiegeln Bessone und auch Rita Mattei die von salto.bz aufgeworfenen Szenarien ab. Zumindest vor eingeschaltenen Kameras und Mikrofonen. Und Giuliano Vettorato meint auf die Frage, wie lange die Koalition Lega-SVP noch halten wird, bloß: “Bis 2023. Punkt.”

Wie sehr der Haussegen in Lega tatsächlich schief hängt und wie konkret die Pläne zum Aus für die Lega an der Regierung im Land sind, wissen nur die direkt Betroffenen. Im Landtag legen die drei Leghisti samt dem Ex-Parteikollegen am Dienstag demonstrativ große Harmonie an den Tag. Doch es ist genau diese Harmonie, die alles wie eine Fassade wirken lässt, die – ohnehin schon angekratzt – jeden Moment einbrechen könnte. Ein Satz, den Massimo Bessone am Rande der Sitzung der Landesregierung am Dienstag fallen lässt, spricht Bände: Einen Parteiaustritt seinerseits schließe er aus – “für den gesamten 26. November 2019”.
Und schon heute ist ein neuer Tag.