Kultur | Kochkunst

Viel Experiment-Teller

Das Buch „Was isst Kunst?“ präsentiert 25 Kunstschaffende, die sich in der Küche austoben. Was dabei herauskommt, hat Sternekoch Herbert Hintner kommentiert.
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Foto: Salto.bz

Den Anfang macht der Künstler Gino Alberti, mit einem Meerbild, das den Titel Ich flüsterte ein Wort in dein Ohr führt. Auf einen kurzen Text, der den Künstler und sein Schaffen beschreibt, folgt das erste Gericht, eine Pasta aus der regionalen sizilianischen Küche. Mit frischen Tomaten, gebratenen Auberginen, Basilikum, Ricotta und Rigattoni-Nudeln zaubert Alberti eine Pasta alla Norma und zeichnet in der Zubereitung (s)ein in der Kunst versinnbildliches Sizilien weiter. Nicht immer lässt das künstlerische Schaffen auf das darauffolgende Gericht schließen. Künstlerin und Köchin Margareth Kaserer setzt mit (Her)eingelegt und sauer auf experimentelle Verspieltheit, Arnold Kostner mit Fastenknödel in Bohnensuppe auf Bodenständigkeit.
 


Die beiden in Lana wirkenden Künstler Hannes Egger – er präsentiert eine dünne Kartoffelsuppe – und  Arnold Mario Dall'O  – er kocht einen Hasen nach Mutters Art – geben mit ihrer Kochkunst einen direkten Wink auf ihr auch im Buch abgebildetes Schaffenswerk. Das Forellentartar von Robert Bosisio kommt auch nicht von ungefähr. Künstlerisch schwappte das Motiv des Fischs in den frühen Jahren des Künstlers immer wieder auf. Im Buch kehrt es wieder. Nicht auf der Leinwand oder als bewegliche, bemalte Skulptur, sondern als zu verzehrende Spezialität.  Die Käsevariation von Marlies Baumgartner kommt gerastert auf den Teller und folgt den genauen Sortiment -Vorgaben der Künstlerin. Auch Hubert Kostners fruchtiges Gericht Polychromos, ein Gang mit Ecken und Kanten, folgt genauen Regeln, allerdings eher jenen eines farbigen Tetris-Setzkastens. Das ist Millimeterarbeit. 
 


Die Spaghetti al nero di seppia bereitet die Künstlerin Julia Bornefeld mit Lachs und formt alles zu einer sich nach allen Seiten streckenden Schildkröte. Gustav Willeit setzt hingegen für sein Guysa – Perspe auf Linguine nero di seppia und bringt Tomaten, Broccoli, Peperoni und Zucchini, Erdnüssen und Garnelen mit ins Spiel. Calamarata mit Pistazienpesto und Garnelen werden von der Bozner Künstlerin und Fotografin Claudia Corrent zubereitet. Ihr Gericht führt von der Küche direkt in die „horizontale Stadt“ Venedig und ist weit weniger orientierungslos als ein gewollter erlebnisreicher Spaziergang durch die Lagunenstadt.
Die Tragödie auf Heu von Arnold Demez ist am Titelblatt und detailreicher auf den Seiten 58 und 59 nachzulesen, bzw. nachzukochen. Durch aufgerissene Formen, die Verborgenes zum Vorschein bringen, sorgt er für den gewollten Überraschungseffekt. Mirjiam Heiler und AliPaloma servieren das vegane Gericht Pink Marble, Ruth Gamper recycelt nach dem Motto Frisch von gestern, morgen, wird der Kühlschrank aufegtaut! Die Fotografin Eisabeth Hölzl fokussiert ihre Kochkünste ebenfalls auf die Resteküche und bereitet ligurischen Polpettone, ein Sommergericht. 
 


Während Paul Thuile ein spezielles Brot zubereitet, Veronica Moroder ein Tarte mit Rohnen, Karotten, Pecorino und Thymian, Karin Schmuck Grillgemüse mit Hummus, Tsatsiki und selbstgemachtem Sauerteigbrot, setzt Leander Schwazer auf sein chinesisches Reisporridge Xi Fan, Peter Senoner auf Falfel im Goldbad auf Mangenta Aquarell, und Gabi Veit auf Zitronen-Risotto mit karamellisiertem Chicorèe. Das Black Crêpe von Sissa Micheli wird mit Faltenwurf auf das Teller geworfen, drapiert und mit luftgetrockneten gehackten Tomaten und Parmesan serviert. Dose of pleasure nennt Sophie Lazari ihre Kreation. Im Sinne von Foodporn will sie verführen und verwöhnen, Sexualität auf die Teller zaubern, inspiriert von dionysischen Kulten. Bananen, Himbeeren, Pistazien sollen zur erotischen Ekstase führen. Nicht nur am Teller.
 


Zum Nachtisch gibt es Panna cotta Petra von Walter Moroder. Vor Jahren hatte er mit seiner Frau Petra in einem Restaurant eine wunderbare Panna cotta gegessen, dessen Rezept ihnen allerdings nicht verraten wurde. Moroders Frau näherte sich der unbekannten Zubereitung und löste den „künstlichen“ Panna cotta-Fall. Details dazu im Buch. 
Was isst Kunst? ist eines von (sehr) vielen Kochbüchern am Kochbuchmarkt. Es ist schön gestaltet. Ob es auch gut ist, können Nachkocher*innen in ihrer eigenen Küche versuchen. Versucht hat die Gerichte vorab jedenfalls Sternekoch Herbert Hintner, der jedes Gericht mit einem Kommentar versehen hat. Manchmal ging er – laut Gerüchteküche – mit den teilnehmenden Künstler*innen und ihren Gerichten (eher) hart ins Gericht, heißt es. Doch das sind nur Gerüchte. Hauptsache die Gerichte schmecken, ohne sauer aufzustoßen.