Umwelt | Felsstürze und Muren

Arnold Schuler: „100-prozentige Sicherheit werden wir nie haben"

Sein Einstieg als neuer Landesrat für Zivilschutz hätte kaum turbulenter verlaufen können. Was laut Arnold Schuler aus Felsstürzen wie in Rungg zu lernen ist? Selbst mit den besten Leuten ist die Sicherheit vor dem Berg in Südtirol auch eine Sache des Glücks.

Herr Schuler, kaum als Zivilschutzlandesrat angetreten und schon voll im Einsatz. Werden Felsstürze und Muren in den kommenden Jahren ihre herausforderndste Aufgabe werden?
Arnold Schuler: Eine der großen Herausforderungen werden sie sicher. Man muss allerdings auch sagen, dass wir heuer im Jänner aufgrund der Witterungsverhältnisse auch eine Ausnahmesituation haben, die Erdbewegungen und Felsstürze begünstigt. Aber klarerweise wird es immer wieder zu solchen Situationen kommen.

Auch weil der Klimawandel dazu beitragen wird, dass uns unsere Berge zunehmend auf den Kopf fallen?
Ich glaube, da kann man nicht allein dem Klimawandel die Schuld geben. Er wird dazu vielleicht auch einen Beitrag leisten, aber wenn wir in die Geschichte zurückschauen, hat es schon immer Erosionen gegeben, und auch schon weit schlimmere. Und wir müssen einfach auch ehrlich sein und sagen: In einem Land wie Südtirol wird es nie eine 100-prozentige Sicherheit geben – bei allem, was in Sachen Verbauungen und Überwachung in den letzten Jahrzehnten auch geleistet wurde und künftig geleistet wird. Wie auch Landesgeologe Volkmar Mair nun in Rungg treffend sagt: Auch wenn die Dinge voll überwacht werden, passiert dann überraschenderweise wieder irgendwo anders etwas.

Doch derzeit stehen allein 40 Stellen im ganzen Land unter ständiger Beobachtung, gleichzeitig sind Krisensituationen wie in Rungg oder in Taufers zu meistern. Haben wir in Südtirol dafür überhaupt genügend Leute oder werden Sie in den kommenden Jahren mehr Mittel einfordern müssen?  
Ich glaube, dass wir heute gut aufgestellt sind in Südtirol. Das haben auch die vergangenen Wochen bewiesen. Ob in Rungg oder in Taufers, man hat wirklich gesehen, wie gut die Landesämter, die Freiwilligendienste und Ordnungskräfte koordiniert und organisiert sind. Während in anderen Regionen in solchen Situationen wahrscheinlich monatelang Straßen gesperrt bleiben würden, ist man bei uns imstande, innerhalb kürzester Zeit wieder ein größtmögliches Maß an Sicherheit zu gewährleisten.  Das heißt, wir können zwar keine absolute Sicherheit garantieren, aber es wird wirklich das Möglichste getan und die Dinge funktionieren.

Das reicht aber nicht, wenn die gefährlichen Zonen dicht besiedelt sind wie beispielsweise im Bozner Stadtviertel Rentsch.  Macht es Ihnen nicht Bauchweh, dass in der Vergangenheit vielfach in Zonen gebaut wurde, in denen ein hohes Risiko vorliegt?
Sicher sind in der Vergangenheit auch Fehler passiert. Doch dem versucht man nun mit der Erstellung von Gefahrenzonenplänen entgegenzuwirken. Die Gemeinden sind ja schon weitgehend dabei, die verschiedenen Zonen nach ihrer Gefährlichkeit einzustufen. Darüber hinaus sind seit einigen Jahren bei Ausweisungen bereits geologische Gutachten erforderlich. Doch mit den Gefahrenzonenplänen erreichen wir nun noch einmal eine andere Dimension.

Doch geht Ihnen dieser Prozess auch schnell genug?
Nun, einige Gefahrenpläne sind bereits genehmigt, und ein großer Teil ist in Ausarbeitung. In Nordtirol arbeitet man bereits seit 30 Jahren an Gefahrenzonenplänen und ist noch nicht am Ende. Solche Dinge schließt man nicht in kurzer Zeit ab und die werden auch nie abgeschlossen sein, weil es dauernd wieder Anpassungen braucht. Wichtig ist, dass jetzt einmal im Zuge der Gefahrenzonenpläne die unterschiedlichen Gefahrenzonen erkannt und abgegrenzt werden. Denn dabei geht es schließlich nicht nur um die Gefährlichkeit, sondern auch um die hohen Folgekosten, die aufgrund einer falschen Zonenausweisung entstehen können.

Und was passiert mit den Häusern oder Betrieben, die bereits dort stehen, wo nun rote Gefahrenzonen ausgewiesen werden?
Es ist nicht so, dass die jetzt dann ausgesiedelt werden müssen, aber zumindest darf in roten Zonen nicht mehr erweitert werden. Und dann werden eben auch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden müssen, wenn das nicht ohnehin schon gemacht wurde.

Das heißt, die Sünden der Vergangenheit müssen bezahlt werden, indem nun aufwändig und teuer gesichert wird, wo eigentlich nicht hätte gebaut werden dürfen?
Ich glaube jetzt nicht, dass die Sünden so riesengroß sind und im Verhältnis zum Land einen bedeutenden Prozentsatz ausmachen. Aber ja, einzelne Sünden wurden sicher begangen, wo auch in der Vergangenheit schon Verbauungen gemacht wurden. Doch viele Wohngebiete in gefährlichen Zonen haben auch schon historische Wurzeln.

Klar ist, dass wir zumindest was Menschenleben betrifft, bislang bei all den Unglücken „culo“ gehabt haben, wie man auf gut Südtirolerisch sagen würde...
Ja, das haben wir auch unten in Rungg gesagt. So wunderschön unser Land ist und so viel auch investiert wurde: Es braucht einfach auch eine Portion Glück, wenn etwas passiert. Denn manches kann man in den Bergen beim besten Willen und mit noch so großem Fachwissen einfach nicht voraussehen.