Politik | Gemeindewahl Brixen

„Die richtige Balance finden“

In rund einem Monat finden in Brixen Gemeindewahlen statt. Wie Bürgermeisterkandidat Andreas Jungmann die SVP an der Spitze halten will.
Andreas Jungmann
Foto: SVP Brixen
  • SALTO: Herr Jungmann, leistbares Wohnen ist in Brixen eines der zentralen Themen. Sachlich gefragt: Wie groß ist das Problem und wie möchten Sie es angehen?

    Andreas Jungmann: Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Wir haben rund 70 geförderte Wohnungen zugewiesen, vier für Mittelstandswohnungen und Wohnungen für den sozialen Wohnbau sprich Wobi. Derzeit stehen wir vor einem anderen Problem, weil aufgrund der Zinssteigerungen und Anstieg der Preise bei den Baumaterialien die Kosten insgesamt explodiert sind. Zum Glück will die Landesregierung neue Modelle und Möglichkeiten schaffen, und unser Anspruch ist es, hier sofort diese neuen Möglichkeiten zu nutzen. Für mich spielt der zeitliche Faktor dabei eine sehr wichtige Rolle. In Kürze sollen die Durchführungsbestimmung für Wohnen mit Preisbindung vorliegen, die wir dann zügig umsetzen müssen. Dafür haben wir in Brixen mit den Kasernen-Arealen und dem Gemeindeentwicklungsprogramm, an dem wir derzeit gerade arbeiten, die besten Voraussetzungen. 

  • Schenoni-Kaserne in Brixen: In Kürze geht das Areal gemeinsam mit der ehemaligen „Reatto“-Kaserne an die Gemeinde über. Geplant ist die Durchführung eines partizipativen Prozesses, in welchem verschiedene Möglichkeiten der Nutzung ausgearbeitet werden sollen. Foto: Google Street View

    Werden für die Kasernen-Areale Wohnungen mit Preisbindung ins Auge gefasst?

    In den ehemaligen Kasernen können viele Möglichkeiten angedacht werden. Zuerst kommt jedoch die Vertragsunterzeichnung, mit der das Gelände an die Gemeinde übergeht und die in rund zwei Wochen erfolgen soll. Anschließend folgt ein partizipativer Prozess, in welchem die gesamten Stakeholder und Interessensvertreter eingebunden werden. Diese werden dann verschiedene Möglichkeiten ausarbeiten, wie das Areal am besten genutzt werden kann – und dann geht es natürlich auch darum, was effektiv gebraucht wird. Speziell für den Mietmarkt ist eine Verordnung in Planung, die geradezu prädestiniert für diese Areale wäre. Aber auch andere Formen wie das Mehrgenerationen-Haus müssen angedacht werden oder auch leistbares Wohnen für die Mittelschicht. 

  • Sie sprachen gerade von einer Verordnung für den Mietmarkt. Können Sie uns Genaueres dazu sagen?

    Laut meiner Informationen soll der Fokus vom Eigentum auf den Mietmarkt gelegt werden, um die angespannte finanzielle Situation zu entlasten. Details dazu kenne ich allerdings noch nicht. Aber auch das Wobi wird sich zukünftig mehr auf den Mietmarkt ausrichten. Das Ziel ist, dass zukünftig auch der Mittelstand davon profitieren soll und die Wohnungen zu sehr sozialen Preisen vermietet werden sollen. Laut Wobi-Wohnbauprogramm 2023-2033 sollen in Brixen 60 neue Sozialwohnungen entstehen sowie 150 neue Mietwohnungen für den Mittelstand bzw. Wohnungen für zum bezahlbaren Mietzins. Die Gemeinde Brixen wird dafür die notwendigen Grundstücke zur Verfügung stellen und auch hier ist, wie bereits vorhin erwähnt, der zeitliche Aspekt ausschlaggebend. Zudem verfügen wir als Gemeinde über gefördertes Bauland, wo ebenfalls rund 60 bis 70 Wohnungen entstehen können. Heuer werden wir voraussichtlich etwa 30 Zuweisungen vornehmen, wobei wir allerdings vor dem Problem der Preisexplosion stehen. Die Kosten für ein Grundstück im geförderten Wohnbau belaufen sich je nach Zone auf 35.000 bis 60.000 Euro inklusive sämtlicher Erschließungskosten. Den entscheidenden Part machen jedoch die Kosten für die Baumaterialien, die Arbeiten und Zinsen aus, und es ist ein gravierende Unterschied, ob 350.000 Euro oder – wie derzeit – 600.000 Euro aufgebracht werden müssen. Dem Land ist das Ausmaß des Problems bewusst und wir haben jetzt mit Peter Brunner einen kompetenten Partner. Meiner Erfahrung nach finden gute Ideen und durchdachte Konzepte am ehesten Gehör. 

     

    „Peter Brunner ist ein Experte in Raumordnungsfragen und er kennt als ehemaliger Bürgermeister die Anliegen der Gemeinden sehr gut.“

     

    Somit ein Glücksfall, dass Peter Brunner das Urbanistik-Ressort erhalten hat bzw. gehen einige Dinge schneller …

    … Peter Brunner ist ein Experte in Raumordnungsfragen und er kennt als ehemaliger Bürgermeister die Anliegen der Gemeinden sehr gut, das ist sehr wichtig für die Gemeindeverwaltungen. Aber mein Prinzip lautet: Man muss gute, konkrete und machbare Vorschläge bringen, nur dann kann man sehr viel bewirken. 

  • SVP-Bürgermeisterkandidat Andreas Jungmann: „Wir wollen eine politische Stabilität schaffen, indem wir wieder die Mehrheit erringen.“ Foto: SVP Brixen

    Bei den letzten Wahlen hat die SVP 16 Mandate errungen, welches Ziel haben Sie sich dieses Mal gesetzt? 

    Wir wollen eine politische Stabilität schaffen, indem wir wieder die Mehrheit erringen. Die Erfahrung der letzten Legislatur lautet, dass wir konkrete Sachpolitik machen konnten. In einer stabilen politischen Situation lässt sich gut arbeiten. Man kann sich leichter auf die Aufgaben konzentrieren und muss sich nicht auf irgendwelche politischen Tauschgeschäfte einlassen. Wir haben versucht, die Opposition gut einzubinden und das ist auch das Ziel für die nächsten Jahre. Wenn ein guter Vorschlag kommt, der nicht nur Forderungen nach dem Motto „tut endlich was!“ enthält, sondern in dem es um ein konkretes Anliegen zum Wohle der Bürger geht, dann werden wir das auch in der Zukunft berücksichtigen. 

  • Die SVP besitzt offenbar soviel Anziehungskraft, dass Sie auch den ehemaligen Freiheitlichen Jugendobmann Oscar „Ossi“ Fellin als unabhängigen Kandidaten für Ihrer Liste gewinnen konnten.

    Auch das ist eine Bestätigung: Jene, die etwas für Brixen bewegen wollen, sagen, dass wir eine coole Truppe haben, in der man sich gut einbringen kann. Wir diskutieren intern auch oft hart und es fliegen teilweise auch die Fetzen, aber im Anschluss hält sich jeder an den ausverhandelten Kompromiss – denn meistens folgt nach harten Diskussionen ein guter Kompromiss. Übrigens kandidiert auch der ehemalige Freiheitliche Gemeinderat Willi Zelger auf unserer Liste. Es gibt Personen, die etwas für ihre Fraktion und in Brixen weiterbringen wollen und diese Einstellung gefällt mir. Insofern steht weniger das Parteidenken im Vordergrund, als vielmehr der Wille, für Brixen etwas zu bewegen. 

     

    „Früher haben die Unternehmen nicht an den Standort Brixen geglaubt.“

     

    Brixen hatte in den vergangenen 20 Jahren einen großen Aufschwung zu verzeichnen, erkennbar auch daran, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte aus den Nachbar-Gemeinden und aus dem Wipptal – Beispiel Sanität – nach Brixen abwandern. Ist diese Standortbeliebtheit auch ein Nachteil? Denken wir beispielsweise an den Verkehr oder Wohnraum?

    Richtig gedreht hat sich die Situation in den Jahren 2015 und 2016. Unsere große Stärke war damals, als wir zum ersten Mal in den Gemeinderat eingezogen sind, dass wir alle gemeinsam hinter Peter Brunner gestanden sind und anpacken wollten. Vor den Wahlen 2015 hat man uns nur 36 Prozent zugetraut. Was dann passierte, ist für mich nach wie vor ein großes Phänomen und die breite Zustimmung haben wir deshalb erhalten, weil wir als starke Truppe aufgetreten sind. Wir waren in der Lage, sowohl den Bürgern, als auch den Unternehmen und ländlichen Fraktionen Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln. Schlussendlich hat sich gezeigt, das sie genau das wollten und brauchten. Warum war Brixen früher nicht so attraktiv? Der Wohnungsmarkt war in dem Sinn nie ein Problem für Brixen, zwar etwas teuerer als in den Nachbargemeinden, aber in etwa auf demselben Niveau wie Bruneck. Das hat sich mittlerweile geändert und Wohnen ist in Brixen teuer geworden, dennoch konnten wir immer genügend Wohnraum zur Verfügung stellen, sodass die Preise nicht explodiert sind. Was die Unternehmen betrifft: Diese haben früher nicht an den Standort Brixen geglaubt und die Firma Durst wollte beispielsweise ihren Firmensitz sogar nach Lienz verlegen. Im Grunde genommen haben wir nur die Einstellung in eine positive Richtung gelenkt. 

  • Andreas Jungmann gemeinsam mit SVP-Koordinierungsobmann Ingo Dejaco, der übrigens nicht mehr zu den Wahlen antritt: Laut Bürgermeisterkandidat Jungmann hätte man bereits ab 2006 die Möglichkeit gehabt, die verschiedenen Projekte umzusetzen. Foto: SVP Brixen

    Wie das?

    Es ist uns gelungen, den Unternehmen zu vermitteln, dass wir etwas für die Stadt und das Territorium tun wollen. Gute Rahmenbedingungen und ein stabiles Umfeld ermöglichen die Umsetzung unternehmerischer Ideen. Die Firma Durst hat dann ihren Sitz mit dem markanten Turm in Brixen gebaut, der übrigens bereits von der Firma Barth geplant worden war. Daraus hat sich ein richtiggehender Hype entwickelt wie auch im Tourismus-Bereich. Die gesamten Tourismuszonen sind bereits 2006 und 2007 ausgewiesen worden, da war noch keiner von uns in der Stadtregierung vertreten. Aber erst 2017 und 2018 wurden die ersten Hotels gebaut und die Maschinerie kam ins Laufen. 

    Inzwischen werden die Rufe nach einem „Genug“ immer lauter.

    Eigentlich absurd. Denn man hätte bereits ab 2006 die Möglichkeit gehabt, die Projekte umzusetzen, hat es aber nie gemacht, was die Unternehmer verständlicherweise verärgert hat. Wir haben auf Augenhöhe mit ihnen gesprochen, was sehr gut aufgenommen wurde und womit wir viel weitergebracht haben. Natürlich gehen mit den Baumaßnahmen auch Probleme einher und wir müssen uns verstärkt um den Klima- und Umweltschutz bemühen.

  • Brixen hat mittlerweile den Ruf als „Betonierstadt“.

    Man muss hier differenzieren. Wie bereits gesagt, ist bis zum Jahr 2016 in Brixen nichts passiert, der Genehmigungsstau war dermaßen lang, da ist nichts mehr weitergegangen. Wir waren in der Lage, ihn dahingehend zu lösen, dass zum Beispiel die Firma Duka in Südtirol geblieben und nicht in die Tschechei ausgewandert ist. Dann haben sich Durst und Alupress angesiedelt. Natürlich gibt es immer zwei Seiten der Medaille: Vom Umfeld werden Ressourcen abgezogen, das Verkehrsaufkommen steigt, aber wir müssen auch an die Zukunft denken.

     

    „Nach Innsbruck zu pendeln, könnte genauso attraktiv werden wie nach Bozen.“


    Das heißt?

    Die richtige Balance finden – für eine nachhaltige Zukunft. Wir bemühen uns, dass in der Industriezone eine Zughaltestelle eingerichtet wird. Das wird uns natürlich erst gelingen, sobald der BBT in Betrieb geht und auf der Bestandsstrecke Ressourcen frei werden. Ebenso werden wir uns eine Strategie überlegen müssen, was die Anbindung an den BBT für uns heißt. Damit wird sich nämlich die Fahrt nach Innsbruck auf rund 35 Minuten verkürzen, also in etwa auf die gleiche Zeit, die man heute für eine Fahrt nach Bozen braucht. Die Entwicklung, die damit einhergeht, muss heute schon bedacht werden und nicht erst morgen. Es kann sich als Riesen-Vorteil herausstellen – aber auch als Riesen-Nachteil. Denkt man nur an den Arbeitsmarkt: Nach Innsbruck zu pendeln, könnte genauso attraktiv werden wie nach Bozen. Wir haben bereits spannende Diskussionen und wir freuen uns darauf, an diesen Fragen zu arbeiten, wissend um das Problem „Wenn es zuviel ist, ist es zuviel –  zuwenig ist aber auch nicht gut“. Es gilt, abzuwägen und die feine Mitte zu finden. 

     

    „Dass die Umsetzung dann entsprechend lange lange dauern wird, damit müssen wir wohl leben.“

     

    Gibt es bereits konkrete Ideen und Vorschläge, wie Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren steuern wollen?

    Auf dem Erreichten aufbauen und Brixen gemeinsam fit für die Zukunft machen, dazu braucht es Erfahrung, Kompetenz und ein sehr engagiertes Team. Beispiel Gemeindeentwicklungsprogramm: Wir sind gerade an der Ausarbeitung, Ziel ist der Abschluss im Jahr 2025. Das heißt, dass wir zehn Jahre vorausdenken müssen, und zwar in allen wichtigen Bereichen wie Wohnen, demographische Entwicklung, Wirtschaft, Straßen und Infrastrukturen – ein 360-Grad-Plan für Brixen und Vahrn. In den kommenden zwei Jahren wird die Arbeit an diesem Plan zu einer unserer Hauptaufgaben, nämlich zu überlegen, wie wir die einzelnen Bereiche gestalten wollen: von den Kindergärten bis zu hin zur Wirtschaft, wo es an uns liegt zu entscheiden, ob wir wachsen wollen und um wieviel wir wachsen wollen. Ein weiteres Beispiel: die Seilbahnanbindung an die Zug-Haltestelle. Natürlich müssen wir uns Gedanken darüber machen, ob die Zielgruppe der Pendelverkehr oder eine touristische Anbindung sein soll, welche die Skifahrer auf die Pisten bringt. Meiner Meinung nach ein sehr innovatives und zukunftsfähiges Projekt, in das es sich lohnt zu investieren. Dass die Umsetzung dann entsprechend lange lange dauern wird, damit müssen wir wohl leben. 

    Für einigen Unmut unter den Fratelli d‘Italia bzw. Alessandro Urzì hat ihre Ankündigung gesorgt, im Falle eines Wahlsieges die Koalition mit dem PD fortführen zu wollen. 

    Ich wurde auf die Situation auf Landesebene angesprochen, wo die SVP sich für eine Koalition entschieden hat, in der auch die Fratelli eingebunden sind. 2020 hatten wir die gleiche Situation, nur eben mit der Lega. Auch damals hieß es, dass nun, nachdem die Lega Teil der Landesregierung ist, eine solche Koalition wohl auch in Brixen folgen wird. Auch damals haben wir erklärt, dass wir mit dem PD gut zusammengearbeitet haben und die Koalition fortsetzen wollen. Nachdem wir bereits acht Jahre sehr gut mit dem PD zusammengearbeitet haben, wäre es natürlich mein Wunsch, dass wir so weitermachen könnten wie bisher. Wir müssen aber erst das Wahlergebnis abwarten, bevor wir eine Entscheidung treffen können.