Kultur | Bibliogamma

Von alten Klostermauern ins Datennetz

Die Sozialgenossenschaft Bibliogamma katalogisiert Südtirols wissenschaftliches Erbe. Über die historischen Schätze spricht Walter Garber, Vorsitzender von Bibliogamma.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Bibliogamma

Für Kulturfans ist Südtirol ein begehrtes Reiseziel. Zahlreiche alte Klöster und Pfarreien, historische Burgen und urige Ansitze sind im ganzen Land verstreut. Was für die Forschung und das Geschichtswissen allerdings von größerer Relevanz ist, sind die Schätze, die hinter den alten Gemäuern verborgen liegen: historische Buchbestände und altertümliche Bibliotheken sind nicht selten in Südtirol. Die Sozialgenossenschaft Bibliogamma nimmt sich der verstaubten Werke an und bringt den kulturellen Wert, den sie tragen an die Öffentlichkeit. „Bis vor 1998 wusste kaum jemand, welche interessanten Werke in unseren historischen Bibliotheken schlummern. Nun ist es mit dem digitalen Katalog möglich, Kenntnis davon zu erhalten und diese Werke für die weitere Forschung zu verwenden. Auch „verschwinden“ durch diese Aufzeichnung nicht mehr so viele Werke von den Bibliotheken, wie das früher oft der Fall war“, sagt Vorsitzender von Bibliogamma Walter Garber.

Bibliogamma wurde 2001 vom ehemaligen Direktor des Franziskanergymnasiums Bruno Klammer gegründet und drei Jahre später in eine Genossenschaft umgewandelt. Ihr wichtigstes Projekt ist die Erschließung historischer Bibliotheken in Südtirol, kurz EHB. Das Förderprojekt der Stiftung Südtiroler Sparkasse katalogisiert bereits seit 1998 ca. 40 verschiedene Bibliotheken mit wertvollen alten Buchbeständen. Die verborgenen historischen Schätze werden von Fachkräften wissenschaftlich erschlossen und die erhobenen Daten durch einen elektronischen Katalog für weitere Forschung weltweit kostenlos zur Verfügung gestellt.

Seit 2002 hat Bibliogamma die Trägerschaft des EHB-Projektes inne. „EHB ist das Südtiroler Mammutprojekt, das seit knapp 20 Jahren besteht und wahrscheinlich das größte privat finanzierte Katalogisierungsprojekt Europas ist. Ohne die Hilfe der Stiftung wäre es nicht möglich gewesen, dass bis zu 10  Geisteswissenschaftler und Diplom-Bibliothekare in ganz Südtirol arbeiten und unser kulturelles Bucherbe aus der Vergessenheit verstaubter Bibliotheken ins Internet-Zeitalter überführen“, so Walter Garber. Er bestätigt, dass das Angebot in der Wissenschaft und Kultur vielseitig genutzt wird: „Wir wissen aufgrund der Zugriffszahlen, dass er mittlerweile ein stark konsultiertes Hilfsmittel für Publikationen, Dissertationen und Fachartikel im In- und Ausland ist. Auch für andere Initiativen wird er genutzt. Gerade gestern haben wir z.B. ein Buch der Kapuziner Lana herausgezogen, das für eine Ausstellung über Martin Luther in Schloss Tirol verwendet werden soll.“

Das Identifizieren und Archivieren ist angesichts des Alters der Werke nicht immer ganz einfach, erklärt Garber: „Die Bücher werden nach den internationalen bibliothekswissenschaftlichen Normen erfasst, den sogenannten RAK-Regeln, insbesondere nach den Regeln für „Alte Bücher“. Dabei wird Autor, Titel, Titelzusatz, Erscheinungsjahr, Verlag, Erscheinungsort, Umfang usw. verzeichnet.  Es werden auch Angaben zur Sprache, Format, Thema und bei Werken bis 1800 auch der sogenannte Fingerprint ermittelt. Das ist ein Zeichencode, der Bücher eindeutig identifizierbar macht. Natürlich muss man mit den oft sehr seltenen und deshalb wertvollen Codices mit schönen Illustrationen usw. sehr achtsam umgehen.“

Derzeit umfasst die Datenbank ca. 845.000 Exemplare.
Die Werke stammen insbesondere aus alten Klöstern, aber auch aus Schulen und Museen. Die Datenbank von EHB beherbergt bereits große Stiftsbibliotheken, wie die der Augustiner Chorherren von Neustift oder der Benediktiner Muri-Gries, sowie die großen Sammlungen der Franziskaner Bozen, der Kapuziner Brixen, des Deutschen Ordens Lana und der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen. Aber auch kleine sehr wertvolle Fachbestände, unter anderem die Propsteibibliothek Bozen, die Sammlung Parschalk, das Pharmaziemuseum Brixen oder die Privatsammlung Staffler sind bereits vom Projekt erfasst und erschlossen worden.  Die Schriften reichen teilweise bis ins Zeitalter vor der Erfindung des Buchdrucks zurück, erklärt Herr Garber : „In Südtirols Bibliotheken findet man sowohl Handschriften als auch Drucke des 15. Jahrhunderts bis heute. Es wurde seitjeher das gesamte verfügbare Wissen der Zeit gesammelt. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass in einem Kloster nur theologische Bücher zu finden sind. Es gibt zahlreiche geschichtliche, juristische, naturwissenschaftliche, und medizinische Werke, praktisch alle Wissensgebiete. Darüber hinaus werden Tirolensien bei uns vertieft erschlossen, d.h. wir sammeln noch tiefgreifendere Daten von Werken, die in irgendeiner Weise mit dem gesamten Gebiet des historischen Tirols in Verbindung stehen.“ Der Buchbestand der EHB stellt somit das umfassendste Kulturerbe des Landes dar und gibt Aufschluss über die Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Region.

Eine zweisprachige Buchreihe über die erfassten Buchbestände ergänzt die online Datenbank mit Informationen zur jeweiligen Bibliotheksgeschichte, sowie deren Schwerpunkte und Kostbarkeiten. „Im Moment arbeiten wir an Band 11 über die Abteibibliothek Marienberg, die wir soeben nach fast 5 Jahren fertig katalogisiert haben. Immerhin gab es dort 134.000 Titelaufnahmen“, erzählt Vorsitzender von Bibliogamma Garber.

Der EHB-Katalog steht allen Interessierten über die Webseite der Universität Bozen zur Verfügung. Durch die Suchmaschine OPAC kann in Suchfeldern anhand des Namens eines Autors oder einem Stichwort das gewünschte Werk gesucht werden. Interessierte können dann mit der jeweiligen Bibliothek einen Termin vereinbaren, um das Werk einzusehen. Die Kontaktdaten sind auch auf der Webseite www.ehb.it zu finden. Die Sozialgenossenschaft arbeitet weiterhin daran, die Schriften noch einfacher zugänglich zu machen, sagt Walter Garber: „Der nächste Schritt nach der Katalogisierung wäre die Volltext-Digitalisierung von besonders herausragenden Büchern, ein Desiderat von Bibliogamma für die nächsten Jahre.“