Wirtschaft | Lebensmittel

450.000 Euro gefragt

Giannibio mischt den Einzelhandel auf: Das vor vier Jahren gegründete Unternehmen plant eine Online-Plattform für mehr Transparenz und die Belieferung von Hotels.
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Foto: GianniBio
Vor vier Jahren beschlossen drei Freunde in Bozen einen eigenen Lebensmittelhandel zu eröffnen. Seitdem wächst Giannibio mit dem Verkauf biologischer Lebensmittel. Waren es 2019 noch vier Angestellte und ein Umsatz von 82.000 Euro, besteht das Team nun aus 17 Personen mit einem Umsatz von 1,37 Millionen Euro im vergangenen Jahr.
 
 
Gegründet wurde das Unternehmen aus der Idee heraus, Lieferketten zu kürzen und eine Gemeinschaft aufzubauen, die den Arbeitskräften in der Lebensmittelbranche und der Umwelt Respekt entgegenbringt. Ausgangspunkt war der Marktstand von Andrea Paiarola am Bozner Obstplatz. Gemeinsam mit seinem Bruder Giovanni Paiarola und dem gebürtigen Venezianer Nicola Bottazzo betreibt er heute insgesamt fünf Verkaufsstellen in Bozen. Der Name des Lebensmittelhandels „Gianni“ ist ein Akronym ihrer Vornamen.
Im Direktverkauf biologischer Produkte stieg der Konsum pro Bürger*in in Europa von 2012 bis 2021 um 140 Prozent.
Nun planen die drei Unternehmer und Betriebsinhaber eine groß angelegte Crowdfunding-Kampagne, um ihr Projekt weiterzuentwickeln. Zum einen heißt das, mehr Transparenz im Lebensmittelhandel zu schaffen. Zum anderen wollen sie verstärkt die lokale Gastronomie beliefern. „Das Südtiroler Gastgewerbe ist sehr sensibel für die Umwelt und für nachhaltige und regionale Produkte. Außerdem gibt es einige zertifizierte Bio-Hotels hier, zwei davon beliefern wir bereits“, sagt Bottazzo. Offiziell startet die Crowdfunding-Kampagne am 4. Mai, schon jetzt können Interessierte sich als Early Bird beteiligen.
 

Vertrauen schaffen

 
„Im täglichen Gespräch mit vielen unserer Kund*innen merken wir, dass sie mehr über die Produzent*innen und die Geschichte der Produkte erfahren wollen. Sie schätzen sehr, dass wir es ihnen erklären können und mit den Produzent*innen in direktem Kontakt stehen“, sagt Bottazzo, der zuvor für rund 20 Jahre im Vertrieb von Altromercato tätig war. Deshalb will Giannibio mit dem Crowdfunding unter anderem die eigene Webseite ausbauen, um dort mehr Informationen über Produkte und Betriebe bereitzustellen.
 
 
„Unsere Webseite soll dann als Plattform des Austausches dienen. Die Betriebe können ihre Informationen so selbst veröffentlichen und die Kund*innen direkt mit ihnen in Kontakt treten, etwa um sie zu besuchen“, sagt der Lebensmittelhändler. Teilweise hat Bottazzo bereits vorher mit den Lieferanten bei Altromercato zusammengearbeitet, andere Betriebe besuchen sie heute selbst, die Übrigen werden von externen Zertifizierungsstellen betreut. „Wir wollen den Verbraucher näher an den Produzenten bringen.“
Die Ausbeutung oft auch illegaler Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ist auch in Italien ein großes Problem. „Oft unterschreiben Betriebe Verträge der Supermarktketten, die ein faires Arbeitsverhältnis der Angestellten im Betrieb garantieren sollen. Tatsächlich haben die Supermärkte aber kein großes Interesse, das zu kontrollieren, denn sie wollen ein Kilo Tomaten um einen Preis von unter einem Euro.“
 

Equity Crowdfunding

 
Wird das Crowdfunding-Ziel von 450.000 Euro erreicht, werden die Geschäftsanteile zu 13,8 Prozent an die neuen Investor*innen gehen. Interessierte können mit einer Mindestinvestitionssumme von 250 Euro Gesellschafter*in der GmbH werden. Dabei stellen auch die Betriebe, die Giannibio bereits beliefern, wichtige Investor*innen dar. „Wir stellen die Produzent*innen erstmals in eine Position, wo sie über den Vertrieb ihrer eigenen Produkte mitbestimmen können. Einige haben uns bereits zugesagt, sich beim Crowdfunding zu beteiligen, weil sie an unser Projekt glauben.“
Ein großer Teil der Summe soll für den Kauf von zwei bereits existierenden Bio-Läden in Bozen und Kaltern verwendet werden. „Wir würden auch das Personal übernehmen, es sind sieben Beschäftigte, die bereits seit Jahren dort arbeiten“, erklärt Bottazzo. Außerdem soll im Jahr 2025 ein neuer Bio-Laden außerhalb Bozens eröffnet werden, ob in Brixen oder Meran ist noch unklar. Werden nur 150.000 Euro beim Crowdfunding gesammelt, will sich das junge Unternehmen allerdings nur auf die Plattform und die Zusammenarbeit mit der Gastronomie konzentrieren.
 

Marktsituation

 
Giannibio geht davon aus, dass der europäische Markt biologischer Produkte in den nächsten Jahren weiter wächst. Laut ihrer Marktanalyse soll der Wert in diesem Sektor bis 2030 in Europa auf 184,5 Milliarden Dollar steigen. Bereits in den letzten Jahren konnte ein größerer Absatz verzeichnet werden: Im Direktverkauf biologischer Produkte stieg der Konsum pro Bürger*in in Europa von 2012 bis 2021 um 140 Prozent. Der Kontinent gilt nach den USA als zweitstärkster Absatzmarkt.
 
 
„Einer der Herausforderungen besteht nun darin, den Wert biologischer Lebensmittel an mehr Menschen zu vermitteln“, sagt Bottazzo. Im Vergleich zu einem konventionellen Produkt biete ein biologisches und fair gehandeltes nicht nur gesundheitliche Vorteile für die Konsument*innen, sondern es biete auch für Arbeitskräfte und Umwelt positive Auswirkungen. „Wenn die Menschen das weiterhin nicht verstehen, sehe ich keine großen Möglichkeiten des Wachstums. Aber glücklicherweise zeigen die Marktdaten, dass sich die Menschen immer mehr über Lebensmittel informieren wollen und unsere Werte nachfragen.“
 
 
Dabei würden in der Branche auch große Supermarktketten eine wichtige Rolle spielen: „Als ich bei Altromercato fair gehandelte Bananen im Großhandel verkaufte, waren die Supermärkte unsere größten Abnehmer. Auf der einen Seite ist es daher gut, dass sie fair gehandelte und biologische Produkte in ihrem Sortiment aufgenommen haben. Die komplexe Herausforderung ist es dabei, kein Greenwashing zu betreiben. Hier können Marken wie etwa Altromercato die Einhaltung von Standards garantieren und damit Vertrauen schaffen“, sagt Bottazzo.
Dabei sei es die Aufgabe der Konsument*innen sich über verschiedene Labels zu informieren und bei einem niedrigen Preis – trotz einem sogenannten Nachhaltigkeitslabel auf der Produktverpackung – skeptisch zu werden. Um sowohl für Betriebe als auch für Konsument*innen mehr Klarheit und Vertrauen zu schaffen, setzt Giannibio auf die neue Internetplattform, die durch das Crowdfunding ermöglicht werden soll.
 
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Profil für Benutzer Ludwig Gruber
Ludwig Gruber Sa., 29.04.2023 - 07:56

Tolle Initiative. Die Herausforderung wird sein, stabile Nachfrage für Gastro-Gebinde zu entwickeln. Gastronomen müssten verlässlich und verbindlich beziehen und nicht zwischendurch auf konventionelle Produkte ausweichen. Die Zeit ist reifer denn je.

Sa., 29.04.2023 - 07:56 Permalink