Wirtschaft | Maskenskandal

„Ich hatte über 500.000 Masken“

Der Unternehmer Dietrich Gallmetzer will die Aussagen von Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer so nicht stehen lassen. Er habe die Beweise, dass man nur OberAlp wollte.
Porträt Dietrich Gallmetzer
Foto:  Armin Huber
  • Dietrich Gallmetzer kann und will seinen Zorn nicht verbergen. „Ich verstehe die Welt nicht mehr“, ärgert sich der Bozner Unternehmer.

    Gallmetzer und sein Unternehmen „Gerhò“ gehörten im Verfahren zu den OberAlp-Masken zu über einem Dutzend möglicher Geschädigter. Als solcher war man Teil des Ermittlungsverfahrens der Bozner Staatsanwaltschaft und man wollte als Nebenkläger dem Prozess gegen Florian Zerzer, Christoph Engl & Co beitreten.

    Doch damit ist es jetzt vorbei.

    Vergangenen Donnerstag hat Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg auf Antrag des ermittelnden Staatsanwaltes Igor Secco die Anklage der Wettbewerbsverzerrung (Turbata liberta' degli incanti - Art. 353 StgB) archiviert. Damit ist ein weiterer Anklagepunkt gegen Florian Zerzer, Sabes-Verwaltungsdirektor Enrico Wegher, den ehemaligen OberAlp-Finanzchef Manuel Stecher und Peter Auer, Mitglied der Vergabekommission im Sanitätsbetrieb, gefallen (siehe untenstehenden Kasten).

    Gleichzeitig aber fühlt sich Dietrich Gallmetzer durch die Aussagen von Florian Zerzer gedemütigt. Der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes hat in einem Salto-Interview erklärt, dass man im März 2020 überall händeringend nach Masken gesucht habe, aber nirgends - außer bei OberAlp - fündig wurde. „Zu sagen, dass es Alternativen gegeben hätte, ist wirklich ein Märchen“, erklärt Zerzer im Interview und meint: „Wir können mit allen Mitteln beweisen, dass es diese Alternativen zu OberAlp nie gegeben hat.

  • Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer: „Zu sagen, dass es Alternativen gegeben hätte, ist wirklich ein Märchen“ Foto: LPA
  • Auf den Fall „Gerhò“ angesprochen, sagt der Sabes-Generaldirektor wörtlich:

    Auch diese Geschichte mit Dieter Gallmetzer hat nicht standgehalten, als wir nachgefragt haben, was er uns wirklich liefern kann. Das kann man anhand der Dokumentation nachweisen, die in unseren Ämtern liegt. Wir haben überall nach Lieferanten gesucht.“

     

    "Wenn einer Märchen erzählt, dann ist das Zerzer“Dietrich Gallmetzer

     

    Diese Aussagen will und kann Dietrich Gallmetzer so nicht stehen lassen. „Wenn einer Märchen erzählt, dann ist das Zerzer“, sagt der 62-jährige Bozner Multiunternehmer, „denn ich kann genau das Gegenteil von dem beweisen, was man jetzt den Menschen weismachen will."

  • Die Lieferung

    Dietrich Gallmetzer ist Chef und CEO der Firmengruppe „ Gerhò“ mit Sitz in Bozen. Die Gallmetzer-Gruppe betreibt 40 Dentalkliniken in Italien (in Bozen die Zahnklinik „Mirò“), aber auch in London, zwei Beauty-Abteilungen und über die Tochterfirma „Intermedical“ mischt man auch europaweit in der Herstellung von Medizin- und Anästhesieprodukten mir.

    Das Kerngeschäft der Gerhò ist seit 35 Jahren aber die Belieferung von Zahnärzten, Apotheken und Kliniken mit Sanitäts- und Zubehörprodukten. „Wir sind der zweitgrößte Händler für Dentalprodukte in Italien“, so Dieter Gallmetzer. Seit vielen Jahren beliefert sein Unternehmen auch den Südtiroler Sanitätsbetrieb mit Dentalprodukten und Zubehör. Darunter auch medizinische Schutzausrüstung und Masken.

    Am 12. März 2020 kommt in Bozen eine riesige Lieferung von Masken, Kittel, Überzieher für Schuhe und Schutzanzüge an. Die Lieferung war bereits zehn Wochen zuvor beim chinesischem Unternehmen „Hubei Xianmeng Health Protection Commodity Co. Ltd“ in Xiantao City bestellt worden. Die insgesamt 1088 Kartone wurden dann in mehreren Containern per Schiff aus dem Hafen von Wuhan nach La Spezia gebracht und von dort nach Bozen geliefert.

    Teil dieser Lieferung sind auch 535.000 chirurgische Masken. Der Preis pro Maske: 0,014 Dollar. „Ich importiere andauernd Schutzbehelfe aus China“, sagt Gallmetzer, „die Praxis dabei ist, dass man 50 Prozent voraus und den Rest bei Lieferung zahlt“.

    Zum Vergleich: Der Sanitätsbetrieb bestellt einen Tag später am 13. März 2020 bei OberAlp 1 Million chirurgische Masken zum Preis von 0,40 Dollar, zuzüglich der Transportspesen, die am Ende für die gesamte Lieferung über 700.000 Euro ausmachen.

  • Das Geschenk

    Zu diesem Zeitpunkt ist längst klar, dass der Sanitätsbetrieb nach Masken und Schutzausrüstung sucht. Deshalb ergreift Dietrich Gallmetzer auch die Initiative.

    Gallmetzer schenkt dem Südtiroler Sanitätsbetrieb 10.000 chirurgische Masken aus dieser Lieferung . 

    Die Übergabe dieser 10.000 Masken erfolgt im Sanitätsassessorat am 13. März 2020 und wird noch im selben Tag durch eine Pressemitteilung des Landes bekannt gemacht. Auf dem Foto sind neben Gallmetzer Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer, Verwaltungsdirektor Enrico Wegher, Landesrat Thomas Widmann sowie Marc Kaufmann und Patrick Franzoni zu sehen. Dietrich Gallmetzer erklärt an diesem Tag der Sanitätsführung, dass er Masken und Schutzausrüstung liefern könne.

  • Übergabe der 10.000 Masken am 13. März 2020:: Dietrich Gallmetzer neben Florian Zerzer. Foto: Gallmetzer Holding
  • Doch danach hört der Unternehmer weder vom Gesundheitsassessorat noch vom Sanitätsbetrieb etwas. Auch der Unternehmerverband meldet sich nicht. Dieser kontaktiert nur Mitgliedsbetriebe; Gallmetzer ist nicht im Südtiroler Unternehmerverband.

    Dabei geht am selben Tag, am 13. März 2020, um 23 Uhr die erste Bestellung für die 9,3-Millionen-OberAlp-Lieferung ab.

    Später werden Krankenhausärzte bei Gallmetzer vorstellig und kaufen auf eigene Kosten bei ihm Atemschutzmasken an. Zudem werden die Schutzbehelfe von „Gerhò“ einige Wochen danach von der Carabinierisondereinheit NAS unter die Lupe genommen. Dabei stellen die Beamten fest, dass die Masken in Ordnung und alle Zertifikate echt und gültig sind

    Was Zerzer jetzt behauptet, ist völliger Humbug“, sagt Dietrich Gallmetzer, „es gab Alternativen, nur hat man ganz bewusst alles in Richtung OberAlp gelenkt“.

    Der schwere Vorwurf gründet auch in einer Folgegeschichte.

  • Die Ausschreibung

    Am 8. Mai 2020 genehmigt der Südtiroler Landtag ein Landesgesetz, mit dem man den Ankauf von Schutzbehelfen über die Agentur für Bevölkerungsschutz oder den Sanitätsbetrieb regelt. Man redet von einer europäischen Ausschreibung zusammen mit der Nachbarprovinz Trient. Auf Vorschlag der Landesregierung genehmigt der Landtag auch gleich die finanziellen Mittel für diese Operation: Es sind 71 Millionen Euro.

    Wie im Buch „Das Geschäft mit der Angst“ lückenlos nachgezeichnet wird, ist diese Ausschreibung in Wirklichkeit nur ein Vorwand, um dem Unternehmen OberAlp jene 25 Millionen Euro zu zahlen, die Heiner Oberrauch & Co. bereits für die zweite Lieferung nach China überweisen haben. Diese ursprüngliche Maskenlieferung hat man inzwischen bei den Vermittlern und Produzenten in China in 750.000 aseptische Schutzanzüge umgetauscht.

    Monatelang bereitet man - unter der Anleitung der OberAlp-Anwälte, des Firmengründers Heiner Oberrauch und von OberAlp-CEO Christoph Engl - eine öffentliche Ausschreibung vor, die dann im September 2020 über die Bühne geht. Die versuchte Einflussnahme der privaten Unternehmer wird dabei von den Ermittlern detailliert dokumentiert.

  • Bei OberAlp sichergestellte handschriftliche Notizen: „Ausschreibung (... ) nicht wie am 3. Juni vereinbart“. Foto: SALTO
  • Doch am Ende ist alles vergeblich. Weil für die OberAlp-Anzüge die nötigen Zertifikate fehlen, schließt die Wettbewerbskommission OberAlp von der Ausschreibung aus. Auch der Versuch einer Wiederzulassung - der vergangene Woche Hauptgegenstand der Archivierung vor dem Bozner Landesgericht war - geht in die Hose.

  • Ein Pyrrhussieg

    Die Ausschreibung wird in mehrere Lose aufgeteilt. Ausgerechnet Dietrich Gallmetzers Gerhò gewinnt dabei Los 1 zur Lieferung von 711.000 normalen Schutzkitteln an den Südtiroler Sanitätsbetrieb im Wert von 1.670.850 Euro.

    Am 11. November 2020 erfolgt die Unterzeichnung des entsprechenden Vertrages. Knapp einen Monat später liefert Gehrò auf Anfrage des Sanitätsbetriebes 15.000 Schutzkittel im Gegenwert von 35.250 Euro. Danach aber ist Schluss.
    Bis heute hat der Südtiroler Sanitätsbetrieb keinen einzigen Anzug vom Südtiroler Unternehmen mehr angekauft. Obwohl Gerhò eine öffentliche Ausschreibung gewonnen hat,
    die auf einer offizielle Bedarfserhebung des Sanitätsbetriebes beruht.

    Was diese Vorgangsweise noch absurder macht: Wie wir gesehen haben, wurde die 71-Millionen-Ausschreibung zusammen mit der Provinz Trient gemacht. Laut Ausschreibung hat Gerhò bei der Ausschreibung im Trentino den Zuschlag zur Lieferung von 405.000 Schutzkitteln im Gegenwert von 951.750 Euro erhalten. Der Sanitätsbetrieb Trient hat diese Anzüge – so wie eigentlich vorgesehen – auch angekauft und bezahlt.

    Vor diesem Hintergrund wird der Zorn von Dietrich Gallmetzer mehr als nur verständlich. Denn mit der Archivierung der Wettbewerbsverzerrung vom vergangenen Donnerstag schwindet auch die Hoffnung auf finanzielle Wiedergutmachung.

  • Die Anklage

    Was von den ursprünglichen Anklagepunkten im Ermittlungsverfahren noch übrig bleibt.

    Im Ermittlungsverfahren 1884/2020 ist es seit November 2022 zu über einem Dutzend Archivierungen gekommen. So wurdem die Ermittlungen gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher, gegen den ehemaligen Landesrat Thomas Widmann, den Enzian-Abgeordneten Josef Unterholzner, gegen OberAlp-Präsident Heiner Oberrauch, dessen Schwiegersohn Stefan Rainer, aber auch gegen mehrere Landesbeamte archiviert. Auch mehrere Anklagepunkte gegen OberAlp-CEO Christoph Engl und Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer wurden fallengelassen.

    Im bisher letzten Bericht führt Staatsanwalt Igor Secco nur mehr vier Beschuldigte an: Florian Zerzer, Christoph Engl, Patrick Franzoni und Ruth Oberrauch, letztere als gesetzliche Vertreterin der OberAlp Group AG.

    Die strafrechtlichen Vorwürfe, welche die Staatsanwaltschaft gegen diese vier Personen erhebt, sind dabei schwerwiegend. So werden Christoph Engl, Florian Zerzer und Patrick Franzoni „betrügerische Handlungen bei öffentlichen Lieferungen im Zusammenhang mit der ersten Lieferung von Schutzbehelfen an den Südtiroler Sanitätsbetrieb“ vorgeworfen (frode nelle pubblice forniture - Art. 356 StgB). Dazu kommt für dieses Trio die Banstandung „betrügerischer Handlungen bei öffentlichen Lieferungen zum Nachteil der staatlichen Zivilschutzbehörde“ (truffa - Art. 640 StgB).

    Patrick Franzoni wird zusätzlich „Betrug zum Nachteil der öffentlichen Hand“ (truffa - Art. 640 StgB) vorgeworfen. Ruth Oberrauch soll wegen „Verbandshaftung“ (Responsabilità amministrativa da reato) zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem müssen sich Florian Zerzer und Christoph Engl wegen vier weiterer Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben und Verordnungen verantworten.
    Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg dürfte nach den Landtagswahlen entscheiden, ob es zu einem Hauptverfahren kommt oder nicht.