Wirtschaft | Degrowth-Konferenz

Neue Spielregeln in der Wirtschaft

In Malmö diskutierten Wissenschaftler und Aktivisten, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren könnte. Der Tenor der Konferenz: „Das Geldsystem ist das Problem“
Degrowth Konferenz Malmö
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„Während ich vor Ihnen auf der Bühne stehe, brennt mein Wald nieder. Also entschuldigen Sie bitte, wenn ich emotionaler als sonst bin, und vielleicht nicht ganz so konzentriert.“ So leitet der Wirtschaftsanthropologe Alf Hornborg in einem Malmöer Theater seinen Vortrag zum Zusammenhang zwischen Geldsystem und Nachhaltigkeit ein. „Ohne die Trockenheit und die Blitzeinschläge diesen Sommer wäre das nicht passiert. Das Klimadesaster ist schon angekommen.“

Die Männer und Frauen, zu denen er an diesem Abend sprechen wird, haben diese Einleitung eigentlich nicht nötig. Denn die Überzeugung, dass das menschliche Leben auf der Erde bedroht ist, wenn die Menschheit so weitermacht, hat sie alle nach Malmö geführt. Von 21. bis 25. August diskutierten sie auf der 6. Internationalen Degrowth-Konferenz darüber, wie ein Wirtschaftssystem ohne Wachstumszwang aussehen könnte. Zu Ende ging die Konferenz am Samstag mit einer Demonstration für Klimagerechtigkeit im Malmöer Stadtzentrum.

Das Problem, so der Tenor dieser Konferenz, sei vor allem der Neoliberalismus, der den Menschen die Sicherheit genommen und sie zu Einzelkämpfern in einer immer schwierigeren Welt gemacht habe, wo sie sich doch solidarisieren müssten, um sich gegen den Widerstand der Reichen und Mächtigen eine bessere Welt zu erkämpfen.

Es sind einige hundert Wissenschaftler, Studierende und Aktivisten, vor allem aus Europa, manche auch aus Ländern des globalen Südens, die sich alle zwei Jahre auf einer großen Konferenz auf Podien, in Workshops und Kaffeepausen über ihre Forschungsarbeiten austauschen, aber auch über zivilgesellschaftliche Projekte wie innovative Währungen, wachstumsunabhängige Unternehmen oder neue Formen der politischen Partizipation.
Sie fragen sich, wie eine Welt aussehen könnte, in der Unternehmen weniger Macht haben, die Demokratie dafür größere Spielräume. Sie überlegen sich, wie das Konsumniveau in westlichen Ländern auf ein Maß geschrumpft werden kann, das im Einklang mit den verfügbaren Ressourcen steht. Diese Ansätze sind radikal – sie stellen den Kapitalismus infrage. 
Wer solche Ansätze vertritt, ist es gewohnt, damit allein zu sein. Diesmal aber sind die Idealisten unter sich: Per Email wurden die Teilnehmenden gebeten, vorab anzugeben, ob sie selbst eine Kaffeetasse mitbringen, um Müll zu vermeiden. Neben Kuhmilch gibt es am Buffet auch Ersatz aus Hafer. Die meisten hier sind ohne Flugzeug angereist, könnten von langen Fahrten mit Bus, Zug und Fähre erzählen. Aber obwohl möglichst umweltfreundlicher Konsum für die Konferenzteilnehmerinnen eine Selbstverständlichkeit ist, sind sie überzeugt, dass das nicht ausreicht.

„Die Strukturen müssen sich ändern, damit die Menschen echte Alternativen haben. Das Auto muss durch gute öffentliche Verkehrsmittel leicht ersetzbar werden, auf Flüge und SUVs braucht es höhere Steuern.“, sagt Politikwissenschaftler Ulrich Brand. Alternativen brauche auch der globale Süden. „Die Menschen sollen selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Im Moment zählen nur Wirtschaftsinteressen, und unter dem Vorwand der Entwicklung werden Mensch und Natur ungebremst ausgebeutet.“

Wie aber kann ein solch tiefgreifender Wandel erreicht werden? Um Menschen zu erreichen, braucht es praktische Ansätze, ist Alf Hornborg überzeugt. „Erst in dem Moment, wo eine Lösung im Raum steht, ist es möglich, das Problem zu akzeptieren,“ sagt er. Seiner Meinung nach ist vor allem unser Geldsystem, durch das jede Form von Ware und Dienstleistung mit jeder anderen direkt vergleich- und tauschbar gemacht wird, ein Problem.

Er plädiert in seinem Vortrag dafür, mehrere parallele Geldsysteme einzuführen, um Wirtschaftskreisläufe zu trennen: Geld für Produkte aus der Region, Geld für Dinge aus dem Umkreis von ein paar tausend Kilometern Entfernung, und globales Geld beispielsweise. Damit alternative Währungen wirklich relevant werden, helfe es, wenn man zum Beispiel seine Steuern damit zahlen kann, erklärt Hornborg. Eine andere Idee ist, ein Basiseinkommen an alle Bürger in dieser Währung auszuzahlen – als Gegenleistung für einige Wochenstunden gemeinnützige Arbeit. Ein solches System wird gerade in Barcelona ausgearbeitet. Welche Arbeiten das sein sollen, werden die Bewohner für ihre Nachbarschaft jeweils selbst entscheiden.

In einer Wirtschaft ohne Wachstum gäbe es auch weniger Steuergeld für Sozialpolitik. Deshalb machen sich Degrowth-Ökonominnen dazu Gedanken, wie Gesundheitssystem, Erziehung, Altenpflege und Infrastrukturen in einer solchen Gesellschaft organisiert werden könnten. Immer wieder fällt der Begriff „commoning“. Die Idee: Privateigentum wird durch gemeinschaftlichen Besitz ersetzt, und Bürger werden in die Verwaltung und Bereitstellung von Diensten eingebunden, immer so lokal wie möglich. Das könnte Gärtnern sein, auf Kinder aufpassen, Dinge reparieren. Die nötige Zeit hätten die Menschen zum Beispiel durch eine Verkürzung der Arbeitszeit, stellt man sich in Malmö vor.

„Während ich vor Ihnen auf der Bühne stehe, brennt mein Wald nieder. Also entschuldigen Sie bitte, wenn ich emotionaler als sonst bin, und vielleicht nicht ganz so konzentriert.“

Den Teilnehmern der Konferenz ist bewusst, dass es noch lange keine Mehrheiten für solche Konzepte gibt. Doch die Überzeugung, dass sie im Recht sind und die Zeit reif ist für einen Systemwandel hin zu einer ökologischeren und solidarischeren Welt, gibt ihnen die Energie, trotz oft recht frustrierender Erfahrungen weiterzumachen.
Eine junge Aktivistin aus Schottland erzählt, wie sie sich bei den Gewerkschaften für Umweltpolitik einsetzen wollte und keiner sie ernst nahm. Umweltschutz, das sei etwas für grüne Bildungsbürger, nicht für Arbeiter. Und wenn durch Erdgas-Fracking sichere Jobs für ihre Kinder entstehen würden, dann wären diese Funktionäre dafür, auch wenn ihnen die verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt bewusst seien.

Das Problem, so der Tenor dieser Konferenz, sei vor allem der Neoliberalismus, der den Menschen die Sicherheit genommen und sie zu Einzelkämpfern in einer immer schwierigeren Welt gemacht habe, wo sie sich doch solidarisieren müssten, um sich gegen den Widerstand der Reichen und Mächtigen eine bessere Welt zu erkämpfen. Zum Nachdenken und Träumen käme man in diesem System kaum mehr.

„Die globale Ökonomie ist nichts anderes als ein Brettspiel“, sagt Hornborg. „Wenn die Bösen gewinnen, dann nicht, weil sie besser spielen als die anderen, sondern weil die Regeln so sind, wie sie sind. Aber die Spielregeln sind keine Naturgesetze. Menschen haben sie gemacht und Menschen können sie ändern.“

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gorgias Di., 28.08.2018 - 20:39

Ich bin entäuscht, weil der Titel für mich mehr versprach. Als ich das von den Kaffetassen gelesen habe hatte ich schon so eine erste Ahnung, dass das hier nicht wirklich was intelligentes sein wird. Kann man keine Kaffetassen vor Ort benutzen? Muss man Kaffetassen über die halbe Welt transportieren, das ja auch Energie verbraucht um sie dann wie Kaffetassen vor Ort waschen zu müssen? Das ist nur ein dummer PR-Gag der den zweiten Blick niht standhält.

>Er plädiert in seinem Vortrag dafür, mehrere parallele Geldsysteme einzuführen, um Wirtschaftskreisläufe zu trennen: Geld für Produkte aus der Region, Geld für Dinge aus dem Umkreis von ein paar tausend Kilometern Entfernung, und globales Geld beispielsweise.<

Das ist die erste Schnapsidee. Künstlich den ganzen Globus in ein 3-Ebenen-Hyrarchie aufteilen. Wer an der Grenze von einer lokalen Geldregion lebt, hat gegenüber jemandem der in der Mitte lebt Nachteile, weil eine Hemmschwelle entsteht in der grenanliegenden Nachbarregion einzukaufen. Nebenbei muss man sich auch die Frage stellen wo soll man künstlich diese Grenzen ziehen? Macht es das nicht kompliziert, wenn man mit drei Währungen hantieren muss? Was ist wenn jemand seine Arbeit in der Nachbarregion hat? Wird er da nicht benachteiligt?

>Eine andere Idee ist, ein Basiseinkommen an alle Bürger in dieser Währung auszuzahlen – als Gegenleistung für einige Wochenstunden gemeinnützige Arbeit. Ein solches System wird gerade in Barcelona ausgearbeitet. Welche Arbeiten das sein sollen, werden die Bewohner für ihre Nachbarschaft jeweils selbst entscheiden.<

Und wenn jemand keine Lust darauf hat diese Arbeiten zu machen, weil er lieber Geld besitzen will das er nicht nur in einer MiniParzelle ausgeben kann und so lieber irgendwo anders Arbeiten will?

Und was ist bitte hier ein Basiseinkommen? Ist das ein BEDINGTES Grundeinkommen? Ein Grundeinkommen ist ein Einkommen von dem man Leben kann, oder ist es nur das man ein bischen hinzuverdienen kann? Dann finde ich den Begriff Basiseinkommen irreführend.

Wer lokale Wirtschaftskreisläufe stärken will, um Umweltverschmutzung und Energieverbrauch zu drosseln, sollte an einer ganz anderen Stelle ansetzten: KOSTENWAHRHEIT. Also die Umweltverschmutzung (z.B. CO2-Austoss) und Energieverbraucht stärker besteuern. Das führt dazu dass Produkte die vor Ort Produziert werden einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jene haben die aus irgendwo aus der Welt hergebracht werden. - Das wäre nur ein Beispeil.

Weitere Vorteile wären:
- Es würde tendenziell Saisonales Obst und Gemüse konsumiert, weil die Kühlung die Preise enorm steigern würden
- Fleisch und andere Lebensmittel die einen hohen Umwelt- und Energieverbauch haben würden überproporzional Steigen gegenüber solchen die einen geringeren haben
- Konsumenten würden sich verstärkt für den Benzinverbrauch eines Autos interessieren und Autos mit geringeren Bezinverbrauch kaufen
- Konsumenten würden sich verstärkt für Produkte mit langer Haltbarkeit interessieren, weil der meiste Energieverbrauch bei der Herstellung eines Produkt ensteht und die Herstellung von Produkten mit langer Haltbarkeit meistens geringfügig mehr Kosten würden und sich die Anschaffungskosten so auf mehre Jahre verteilen lassen würden. Es würde so weit gehen, dass Herstellen freiwillig über die 24 Monate Garantie verlängern würden, weil die Nachfrage einen starken Druck schaffen würde
- Generell würden Menschen auf Produkte schauen die wenig Energie verbrauchen, weil diese so stark auf die Betriebskosten fallen würde
- Unternehmen würden sich immer Stärker für Energie- und Umweltschonende Produktions- und Vertriebsmethoden interessieren.
- Zentralisierte Strukturen, die auf eine hohe Belastung der Infrastruktur und Energieverbrauch aufbauen würden zunehmend weniger Rentabel gegenüber lokalen Strukturen werden.

Darum Benzinpreis rauf! Strompreis rauf! Co2-Steuer einführen und so hoch dass sie wiriklich einen Ausschlag in den Betriebskosten hat!

>In einer Wirtschaft ohne Wachstum gäbe es auch weniger Steuergeld für Sozialpolitik. Deshalb machen sich Degrowth-Ökonominnen dazu Gedanken, wie Gesundheitssystem, Erziehung, Altenpflege und Infrastrukturen in einer solchen Gesellschaft organisiert werden könnten.<

Hier sieht man dass diese Personen gar nichts verstanden haben. Werden weniger Produktionskapazitäten in der Herstellung von (Wegwerf)Produkten gesteckt, so werden mehr Porduktionskapazitäten für andere Dinge frei und man kann die Menschen in andere Sektoren einsetzen. Die Steuern muss man nicht zwangsläufig erhöhen. Wird weniger Konsumiert, kann man den Kosum stärker Besteuern. Auch würde die stärker Besteuerung von Waren die Haltbar sind nicht eine Zusätzliche Belastung für Konsumente darstellen sondern mehr einen Ausgleich.
Ein vereinfachttes Gedankenexperiment: Würden alle Produkte dopelt so lange halten (und in der Produktion kaum mehr Kosten) so könnte man die Hälfte der Fabriken schließen und jene personen könnten anderswo arbeiten. Die Produkte könnten dann auch doppelt so teuer verkauft werden, weil sie ja doppelt so lange halten, gibt man pro jahr Lifecycle gleich viel aus. Mit diesen Steuern könnte man dann diese Personen dann bezahlen, die in anderen Sektoren arbeiten.

Das ist nur eine Milchmädchenrechnung, in der Realität sind viele Details zu berücksichtigen, sie zeigt aber das Prinzip auf und das Nichtverstehen von diesen Ökonomen die nicht Produktivität von Geld trennen können. - Schade.

>Immer wieder fällt der Begriff „commoning“. Die Idee: Privateigentum wird durch gemeinschaftlichen Besitz ersetzt, und Bürger werden in die Verwaltung und Bereitstellung von Diensten eingebunden, immer so lokal wie möglich. Das könnte Gärtnern sein, auf Kinder aufpassen, Dinge reparieren. Die nötige Zeit hätten die Menschen zum Beispiel durch eine Verkürzung der Arbeitszeit, stellt man sich in Malmö vor.<

NEIN DANKE zur Zwangskollektivierung und Kolchosen. Das hatten wir schon in der schönen Sovietunion, wo die Menschen zu 50% ihre Lebensmittel selbst in ihren Garten anbauten, weil diese zwangskollektiven Strukturen so ineffizient waren. NEIN DANKE! Hatten wir schon!!!

Am Ende möchte ich meine Vorschläge anbringen:

- Ökologische Steuerreform (Kostenwahrheit)
- Vollgeld (Banken brauchen nicht selbst durch Geldschöpfung verdienen)
- Umlaufsicherung (DAS IST DIE WIRKLICHE GRUNDLAGE FÜR EINE MARKTWIRSCHAFT OHNE WACHTUM!!!!!!)
- Bedingungsloses Grundeinkommen (Wenn Menschen dann einen Vorteil sehen sich in Gruppen zusammenzuschließen und energieschonenede Aktivitäten eingehen Gärten führen, Produkte selbst reparieren, Produkte selbst herstellen mit Rohstoffen vor Ort, dann finde ich es wunderbar.)
Nebenbei fallen so auch viele Bullshitjobs endlich Weg weil Menschen solchen Arbeiten nachgehen in denen sie Sin sehen, anstatt Arbeiten nachzugehen die der Allgemienheit nicht nützen und die Personen selbst als sinnlos Empfinden aber nur nachgehen weil man ein Einkommen braucht.

Di., 28.08.2018 - 20:39 Permalink
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Frei Erfunden Mi., 29.08.2018 - 12:57

-regionale währungen finde ich als Ansatz nicht schlecht, die lokale kleinwirtschaft würde damit wahrscheinlich Vorteile ziehen, eventuell auch steuerlich; mittels crypto-währung relativ gut realisierbar, denke ich.
-es braucht eine vollgeldinitiative auf europäischer ebene
-ich finde eine finanztransaktionssteuer , eine reichensteuer, vermögensteuer und erbschaftssteuer gerecht und sinnvoll , ebenso eine Deckelung des Einkommens (50000€ monatlich max).
-schutz vor ausländischen Investitionen / land grabbing.

das jetzige System widerspricht demokratischen Grundprinzipien.

Mi., 29.08.2018 - 12:57 Permalink
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Martin Daniel Mi., 29.08.2018 - 14:59

Ich bin vom Artikel ebenfalls enttäuscht, der Titel versprach weit mehr. Hatte mir erwartet, dass ausgeführt wird, warum die aktuelle Form der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken - wie häufig behauptet - einen stetigen, tendentiell unendlichen Druck zur zusätzlichen Verschuldung erzeugte, der die Marktteilnehmer zur Schaffung steten Wirtschaftswachstums zwänge, um alte Schulden zu begleichen, was - wie häufig ausgeführt - nur durch neue Schuldenaufnahme gelänge. Laut dieser Theorie wäre das realwirtschaftliche Verhalten vom "fiktiven" finanzwirtschaftlichen System bedingt und beide in einem Teufelskreis aneinander gebunden. Statt dessen kommen Forderungen nach bekannten Formen von Parallelwährungen, die nicht mit Positiv- und Negativ-Argumenten unterlegt werden: welche konkreten Vorteile brächten Lokalwährungen, welches sind die Fallstricke des aktuellen Geldsystems, das es zu ändern gilt?
Gorgias spricht einige kritische und propositive Punkte an, die erörtert werden müssten. Etwas möchte ich ergänzen: Der Neoliberalismus mag heute die strukturelle Ursache der enormen Umwelt-, ja Existenzbedrohung der Menschheit sein, aber ob eine irgendwie geartete Form von Kollektivismus Besserung bringen, ist völlig offen. Die realsozialistischen Systeme damals wie heute hatten und haben noch nie auch nur im Entferntesten Verständnis für Umweltbelange an den Tag gelegt und sogar trotz Wachstumsrückgang (decrescita!) einen verantwortungslosen Raubbau an der Natur betrieben. Es ist zu befürchten, dass Vorschläge wie gemeinnützige Arbeit und gemeinschaftlicher Besitz, die für die Zielerreichung nicht unabdingbar sind, für die Mobilisierung der Massen für DAS entscheidende Anliegen hinderlich sein könnten. Manche Menschen werden eben durch Kooperation motiviert und andere eher durch individuelle Anreize. Machen wir Klimapolitik nicht zu einem linken Thema, sonst wird sie zu allem Überfluss auch noch aus ideologischen Gründen boykottiert.
Eine konsequente Einführung der Kostenwahrheit ist meines Erachtens unablässig, um unser Verhalten umzulenken: Das Klimaproblem würde bei Beibehaltung des marktwirtschaftlichen Systems in die Preise aller Güter einfließen, die Herstellungs- und Konsumkosten radikal in absoluter Größe und relativ zueinander verändern, worauf Unternehmen und Verbraucher unmittelbar mit verändertem Angebot und Nachfrage reagierten. So kann z.B. die Marktverzerrung, die durch Outsourcing der Produktion europäischer Unternehmen in Ländern mit niedrigen oder inexistenten Umweltstandards entsteht, durch Klimazölle bei ihrem (Re-)Import zum Verkauf in die EU ausgeglichen werden. Der unfairen Benachteiligung umweltfreundlicher Hersteller und ihrer Produkte würde ein Ende gesetzt, da diese Produkte im Vergleich zu den zu verzollenden nun billiger und die Verbraucher vermehrt auf diese zurückgreifen würden, während "verschmutzende", weiterhin Umweltdumping betreibende Unternehmen ihre Produktionsweise umstellen würden, weil ihnen der Absatz wegbräche. Dass finanzielle Anreize funktionieren, ist im Alltag zu beobachten, sei es bei der Einführung der Gebührenpflicht für Pendlerparkplätze an Bahnhöfen (nicht dass Pendler nun mit den Öfis zum Zug kämen, falls das so verstanden wurde), sei es bei kostenlosen Langstreckenflügen um die halbe Welt, die dem Bonusmeilensystem oder erfinderischen Kreditkartenbenefits (Gutschrift einer Gratismeile Flug pro mit Karte bezahltem Euro) entspringen. Neuerdings besucht ein Vinschger Verein seine Partner in NRW nicht mehr per Reisebus, sondern über den Umweg in die Lombardei per Flugzeug. Der Kosten wegen. Setzen wir dort an, wo die Bürger im gezogenen Rahmen ihre (vermeintlich) freien Entscheidungen treffen. Falls Politiker solche Entscheidungen aus Angst, die nächste Wahl zu verlieren, nicht wagen, gilt es in einem nächsten Schritt unsere Demokratie unter dem Aspekt ihrer Nachhaltigkeit auf den Prüfstand zu stellen.

Mi., 29.08.2018 - 14:59 Permalink
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Karl Trojer Mi., 29.08.2018 - 17:42

Ich teile die hier dargelegten Meinungen von Gorgias und Daniel zum Artikel "Neue Spielregeln für die Wirtschaft" weitgehend. Es geht nicht nur um "die Wirtschaft" ie der Artikel sugeriert. Es bedarf vorrangig eines Bewusstseinswandels bei den "Konsumenten". "Das Geldsystem ist das Problem" stimmt so nicht; hier wird "Geld" mit "Finanz.Macht" verwechselt. Alternative Regionalwährungen mit einer parallelen Globalwährung finde ich nicht zielführend, die Kollektivierung von Privateigentum ebensowenig, wohl aber die stärkere Förderung des freien Genossenschaftswesens. Als sinnvoll erachte ich strenge gesetzliche Regelungen zur Kostenwahrheit und gegen die globale, narrenfreie Finanzspekulation durch hohe Transaktions-Steuern und Taktzeiten von mindestens 3 Tagen für Folgetransaktionen; angemessene Vermögensbesteuerung, bewußte Unterscheidung des Begriffes "Wirtschaft" in "Finanzwirtschaft" und "Realwirtschaft", zumal beide völlig verschiedene Ziele und Methoden haben. Schließlich bedürfte es einer Besinnung auf wenige aber wesentliche Werte, die nachhaltig Leben fördern und die Lebensqualität steigern. Die Basis dafür, so scheint mir, ist die Liebe, aus der alles kommt.

Mi., 29.08.2018 - 17:42 Permalink
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Martin Daniel Mi., 29.08.2018 - 21:39

Es ginge gar nicht, dass sich alle oder auch nur die Mehrheit der Bevölkerung so verhält. Wenn du sparst, hast du Forderungen (außer du legst es in Realwerten wie Aktien oder Immobilien an, die aber menhr eine Form von Investition darstellen), denen Verbindlichkeiten gegenüberstehen. Mathematisch wie bilanztechnisch gesehen muss die Höhe der Ansprüche (=Ersparnisse) und jene der Verbindlichkeiten (Schulden) immer gleich hoch sein, außer du betrachtest nur ein Land, das - wie derzeit Dtl. - einen hohen Überhang an Forderungen gegenüber dem Rest der Welt haben kann. Es scheint den Konsum der Massen zu brauchen, damit:
a) dafür Schulden aufgenommen werden, die andere finanzieren und dafür Zinsen kassieren können;
b) durch diese Nachfrage auf Pump jenes Wachstum geschaffen wird, das die über die Finanzinstrumente (Akten, Anleihen) angehäufte und ausgeschüttete Wertsteigerung generiert.
Solange wir im aktuellen System bleiben,versteht sich.

Mi., 29.08.2018 - 21:39 Permalink
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Martin Daniel Fr., 31.08.2018 - 12:24

Ich habe nicht gewertet und verteidige nicht das System, auch habe ich nie einen Konsumkredit aufgenommen noch plane ich das je zu tun. Versuche hier nur Mechanismen zu verstehen, also ontologisch zu analysieren.
zu a) Wenn alle "sparen", dann kann es fürs Sparen keinen Zins geben - wer sollte ihn bezahlen, wenn niemand Schulden macht? Wenn niemand mehr Schulden macht, sagen wir auch nur für sofortigen Konsum wie Reisen oder Fernsehgeräte (ohne Hausbau oder Betriebsinvestitionen einzuschließen), oder auch nur die Sparquote stark erhöht wird, werden die Gewinne der Unternehmen (und damit ihre Aktienkurse) einbrechen, Arbeitskräfte entlassen, manche Betriebe schließen, Banken werden aufgrund von Gewinnrückgängen ihre Kosten nochmals massiv senken und manche fusionieren müssen, die Steuereinnahmen werden sich reduzieren durch geringeres Einkommens-, Unternehmens- und Mehrwertsteueraufkommen. Es würde wirken wie eine heftige Zinserhöhung, weil die Geldmenge durch geringere Kreditvergabe stark reduziert würde. Es käme wohl zu einer mehr oder weniger starken Rezession mit deflationären Begleiterscheinungen. Das Schuldgeldsystem an sich muss deswegen längst nicht kollabieren. Bitte alles deskriptiv zu verstehen. Zum Hamsterrad gebe ich dir zu 100% recht.

zu b) Unternehmensbeteiligungen werden zwar oft von Banken als Form von Sparen (zumeist als Sparpläne für Investmentfonds) angeboten, sind aber wie gesagt Realwerte wie Gold und Immobilien. Wenn du weißt, welche von ihnen einen "echten Mehrwert schaffen" und deren Aktien sich langfristig gut entwickeln werden (sonst sind die, tja, "Ersparnisse" weg) - bitte melden! Lokale Handwerksunternehmen werden uns jedenfalls keine Beteiligung anbieten, daher muss der Normalbürger halt doch übers Finanzsystem in Unternehmen investieren, ich sehe somit keinen Entzug von Energie. Es gibt zwar Financial & Ethical Sustainability-Zertifizierungen für Unternehmen, deren Aktien man mit besserem Gewissen kaufen können sollte, aber: in diesen Listen sind die Branchenbesten z.B. BMW, Unilever oder Roche (https://de.wikipedia.org/wiki/Dow_Jones_Sustainability_Index), die Windkraftbetreiber gehören meist Global Playern wie Siemens oder Vattenfall und/oder gehen auch gern mal pleite. Im Grunde hat man wegen des allgegenwärtigen Green-Washings in der heutigen Businesswelt überhaupt keine Garantie für irgendwas. Du kannst natürlich deinem Nachbarn, der Bio-Bauer ist, aus idealistischen Gründen Kapital zu mega-günstigen Bedingungen leihen oder gegen die künftige Abgabe von Naturalien zur Verfügung stellen, dein passives Einkommen wirst du damit aber nicht erwirtschaften.

Fr., 31.08.2018 - 12:24 Permalink
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19 amet Di., 04.09.2018 - 13:15

Nachdem ich nun die vielen Ideen der Weltverbesserer gelesen habe, würde mich interessieren ob an irgendeiner Ecke der Welt eine dieser Ideen umgesetzt wurde, oder ob es sich um Tagträume für die fernere Zukunft handelt.

Di., 04.09.2018 - 13:15 Permalink