Kultur | Salto Afternoon
Klimawandel, Zombies und mehr
Foto: Privat
Sechs Präsentationen zu zehn Minuten, je eine in deutscher und eine in italienischer, sowie vier in englischer Sprache. Die Regeln sind, wie beim „klassischen“ Poetry Slam, von welchem sich das erstmals in Südtirol (von Abenden an Schulen abgesehen) erprobte Format ableitet, schnell erklärt: Innerhalb des erwähnten Zeitlimits gilt es das Publikum für die eigene Forschungsarbeit auf eine Art und Weise zu begeistern, die auch Außenstehende erreicht. Hilfsmittel am gestrigen Abend waren dabei häufig Humor und/oder Memes. Ein junges Format (2006 in Darmstadt ins Leben gerufen; zum Vergleich, „Poetry Slam“ wurde 1984 vom Amerikaner Marc Kelly Smith in Chicago erfunden) bedient sich eines jungen Zuschnitts für ein - mehrheitlich - junges Zielpublikum. Den oder die Sieger:in des Abends kürt dabei das Publikum, typischerweise mit Wertungskarten, welche gestern Abend von 1 bis 10 Punkten reichten. Zehn Sets wurden dabei auf zehn Tischen verteilt, wo die Entscheidung demokratisch jeweils nach dem Auftritt in zwei Minuten Beratungszeit ausgehandelt wurde. Da auch beim Science Slam die Maxime „Respect the Poet“ in abgewandelter Form gilt, also „Respect the scientist“ oder „Respect the researcher“ gilt, gab’s keine Wertung von 5 Punkten oder darunter. Um vor gestern Abend zahlreichem Publikum auf die Bühne zu gehen, braucht es Mut, welcher gewürdigt werden sollte. Die Auftrittsreihenfolge wurde, Namen aus einem Schutzhelm von der Baustelle im Techpark ziehend, gelost.
Kampfkunstschule und Neugeborenen-Kit
Den Anfang machte die Software Ingenieurin Xiaofeng Wang (Präsentation auf Englisch), welche das Konzept ihres Start-Ups „Digi-Dojo“ umriss und eine Analogie zur Finnischen Babybox auftat. Statt für ein Neugeborenes Essentielles will „Digi-Dojo“ für werdende Start-Ups ein Kit von Tools, aber auch einen digitalen Raum bieten, der auf Remote Work, also das Arbeiten auf Distanz zugeschnitten ist. Unter anderem im „Kit“ enthalten: Ein „Vertrauensindikator“ und eine Plattform auch für den sozialen Austausch, der im Remote Work oft flach fällt. Der ehrlich enthusiastische Vortrag, der sich an die vor Ort in Überzahl vertretenen Digital Natives richtete, wurde von einer Slideshow mit Kinderzeichnungen begleitet, der ohne Memes auskam. Tischnote: 7.
Resident Evil zwischen Apfelbäumen
Biologe Mattia Tabarelli (Italienisch), der sich in seiner Einführung samt Resident Evil 2 Trailer als Gamer und Zombie-Enthusiast - oder Paranoiker - outete gelang es von Anfang an, die Aufmerksamkeit des Publikums mit viel Internet-Humor zu erlangen und zu halten. Die von Phythoplasmen (Bakterien ohne Zellwand) übertragene Infektion „scopazzo del melo“ (Apfeltriebsucht), „che sembra una parolaccia, ma si chiama veramente così“ beschäftigt ihn als Erwachsenen und wurde, wie eine Zombie-Infektion auf Übertragungswege durch Insekten und Möglichkeiten zur Eindämmung und Bekämpfung analysiert. Für einen Seitenhieb gegen die neue Regierung Italiens gab es dabei Szenenapplaus. Bei hohem Unterhaltungsfaktor wurde dem Publikum doch auch einiges an Wissen untergeschoben. Tischnote: 9.
Stromnetze, Trump und Memes
Auf einen Mattia folgte der nächste. Mattia Secchi (Englisch), Umweltingenieur, sprach von den Herausforderungen der Stromwende, ausgehend von Müllmännern und Plogging. Dabei zementierte er den für den Abend bestimmenden Humor und Ton, mit mindestens ebenso vielen Internet-Referenzen wie Tabarelli. Ausgehend von einem Donald Trump Tweet zum Klimawandel analysierte er den Zusammenbruch des Stromnetzes in Texas, durch einen Wintersturm im Februar 2021. Eine Analyse von Ursachen und möglichen Vorbeugungsmaßnahmen - mit anschaulichem Model zur Auslastung eines Stromnetzes - geriet durch etwas zu viele Memes (Stichwort „To the Moon“, samt „Doge“ in Rakete) in den Hintergrund, Informationen wurde dennoch geboten. Es folgte eine kurze Pause. Vorher Tischnote: 8.
Why is complex? (sic)
Vor der Pause ist nach der Pause, das Thema war Artverwandt, der Maßstab größer. Matteo Giacomo Prina (Englisch), Ingenieur, referierte zu Energiesystemen und berichtete von der Suche nach dem perfekten Energiekuchen mit Computer-Modellen, einem Mix verschiedener Stromformen, der nachhaltig und kostengünstig zugleich zu sein hat. Als Beilage gab es „The Office“-Memes, amerikanische Ausgabe, versteht sich. Die Sprache seines Vortrags - Italienisch oder Englisch - überließ er spontan einer Applaus-Abstimmung des Publikums, deren Ergebnis wenig eindeutig ausfiel. Etwas dürftig im Gehalt, da man wenig dazu lernte, unterstrich Prina doch die Wichtigkeit des Leading by Example, also mit gutem Beispiel voranzugehen, da manchem Südtirols Beitrag zum Klimawandel gering erscheinen mag, ließ auf dem Weg dorthin allerdings den Spannungsbogen abfallen. Tischnote: 7.
Wer hat Angst vor Greta Thunberg?
Mirjam Gruber (Deutsch), Politikwissenschaftlerin, befasste sich mit der Lüge in Zeiten des Klimawandels und nahm drei populistische Parteien des Auslands - FPÖ, AfD und die spanische VOX - als Beispiel dafür, wie in ihren Kreisen mit Berichten oder Demonstrationen um den Klimawandel umgegangen wurde, zog den Vergleich zu einem Essen mit der Familie zu Rate und demaskierte gängige Narrative und Vorgehensmuster. Gruber teilte etwas gegen das gelobte Land aus, aber auch gegen Erzählungen des Geo-Engineering und der erneuerbaren Energien als Patentlösung per se gegen den Klimawandel. Auch hier eine Spannungskurve, die leicht nach unten zeigte: Tischnote: 7.
Körper und Geist
Laura Battistel (Englisch), Psychologin und Post-Doktorandin am Terra X Cube des Techparks ging quasi für ein Heimspiel auf die Bühne und überzeugte noch bevor sie es mit Inhalten tat, durch eine sympathische Art, kaschierte ihre Unsicherheiten in der Bühnensituation nicht, sondern thematisierte sie. In ihrem Vortrag stellte sie die Frage in den Raum, welchen Einfluss Temperatur auf unser Denken hat und wie unser Denken (etwa durch Veränderung des Lichts) beeinflusst werden kann, um unser Temperaturempfinden zu manipulieren. Auf dem Weg dorthin stolperte sie leicht bei einem ans Publikum gerichteten Multiple-Choice Quiz, für welches sie die Lösung zu Früh einblendete, zeigte aber auch, wie solche Situationen souverän zu meistern sind. Tischnote: 8.
Gewinner des Abends und eines großen Geschenkkorbs voll Süßigkeiten wurde, mit summiert starken 95 Punkten wurde… Mattia Tabarelli. Den für die Erst, Zweit und Drittplatzierte:n gedachten Geldpreis der Südtiroler Sparkasse hatte man im Vorfeld vereinbart unter allen Teilnehmern zu teilen. So gab es am Abend nur Gewinner: Auf der Bühne und davor, wo das Publikum gut unterhalten wurde. Ein Format, das in Südtirol gerne, auch nach heute Abend (19.30 Uhr, Uni Bozen), wiederholt werden darf.
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