Breiter Protest
Seine Bekanntheit steigt und steigt – soweit, dass nun selbst die schwierigen Koalitionsverhandlungen in Deutschland durch ein Unkrautvernichtungsmittel endgültig zu scheitern drohen. „Vertrauensbruch oder „Skandal“ lauteten erste Reaktionen nach der gestern beschlossenen Verlängerung der Zulassung von Glyphosat um weitere fünf Jahre durch die EU-Kommission. Und zwar nicht nur aus der Reihe von Umweltschützern, sondern auch von Seiten der deutschen SPD. Dort scheint man nach dem überraschenden Ja Deutschlands bei der Abstimmung im Brüssel gleich wieder die Lust am Versuch zu verlieren, doch noch an einer Neuauflage der großen Koalition zu basteln.
Denn: CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hatte sein Ja in Brüssel gegeben, ohne es mit dem Koalitionspartner der geschäftsführenden Bundesregierung abzustimmen. Konkret mit Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD, die erklärte, noch zwei Stunden vor Beginn der Sitzung des Berufungsausschusses gegenüber Schmidt telefonisch eindeutig erklärt zu haben, dass sie mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden sei, auch nicht unter bestimmten Konditionen. „Es war daher klar, dass Deutschland sich auch in der Sitzung des Berufungsausschusses enthalten musste. Um 13:07 Uhr hat Kollege Schmidt mir per SMS bestätigt, dass der Dissens bestehen bleibt“, schrieb sie in einer Klärung, die bereits am Montag Abend in Südtirols Anti-Petizid-Netzwerken die Runde machte.
Doch offenbar sei zur gleichen Zeit an den Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Brüssel eine andere Weisung ergangen „als sie zwischen uns abgestimmt war“, so die geschäftsführende deutsche Umweltministerin. „Jeder, der an Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert ist, kann sich so nicht verhalten.“ Schmidt selber versuchte keineswegs den Bruch zu kitten „So isser, der Schmidt“, wurde eine erste Erklärung des CSU-Landwirtschaftsministers am Montagabend von deutschen Medien zitiert. „Ich habe eine Entscheidung für mich getroffen und in meiner Ressortverantwortung“, legte Schmidt am Dienstag Morgen nach.
Theiner bedauert, Schuler versteht
Interessanterweise zeigt sich die unterschiedliche Perspektive der Ressorts Umwelt und Landwirtschaft auch in einer ersten Reaktion der politisch Verantwortlichen in Südtirol. Landwirtschaftslandesrat Richard Theiner zeigte sich am Dienstag in einem Interview auf RAI Südtirol sehr enttäuscht über die Entscheidung in Brüssel. „Das wäre eine einmalige Chance gewesen, Glyphosat in Europa flächendeckend zu verbieten“, erklärte er. Der Vinschger Landesrat findet nicht nur lobende Worte für Italien und Österreich, die gegen die Verlängerung gestimmt hatten. Er äußerte auch seine Bedenken, dass Bauernorganisationen nun erst recht geballt gegen einen Ausstieg stark machen werden.
Weit zurückhaltender dagegen der Landwirtschaftslandesrat, der sich über die Entscheidung in Brüssel wenig überrascht zeigte. „Schließlich haben sich die EU-Staaten nur an die Empfehlung ihrer eigenen Behörden gehalten, wonach Glyphosat unbedenklich sei“, wurde Arnold Schuler zitiert.
Passend dazu ein Facebook-Post von Blogger Markus Lobis mit einem ironischen „DANKE“ für „Herrn Schuler und Herrn Dorfmann“. „Den erklärten Glyphosat-Freunden Arnold Schuler und Herbert Dorfmann sei ins Stammbuch geschrieben: Glyphosat ist nicht unbedenklich, sondern wird von industrienahen Gremien als unbedenklich eingestuft“, so Lobis. Denn das einzige unabhängige Gremium, das IARC, habe ein potenzielles Krebsrisiko attestiert. Darüber hinaus ist es laut Markus Lobis „einfach nur fahrlässig und überaus dumm, lediglich das unmittelbare Krebsrisiko für die Bewertung heranzuziehen“. Neue Nervenleiden, die nachweislich durch Glyphosat hervorgerufen werden, würden in Frankreich als Berufskrankheit für Bauern anerkannt: auch gäbe es Hinweise auf Erbgutschäden.
"Geschenk für Agrar-Business"
Als „Geschenk für das Agrar-Business“ bezeichnen Südtirols Grüne die Zulassungsverlängerung für Unkrautvernichtungsmittel. „Die Wirkung von Glyphosat ist längst bekannt: Wo es verwendet wird, geht die Artenvielfalt drastisch zurück. Die Substanz tötet natürliche Grünpflanzen ab und somit den Lebensraum vor Insekten, Reptilien und Vögeln, die maßgeblich zu funktionsfähigen Ökosystemen beitragen“ schreiben die Grünen Landtagsabgeordneten in einer Pressemitteilung. Darin kritisieren sie das Votum in Brüssel als „undemokratisch und gesundheitsgefährdend“ und erinnern daran, dass sich eine Million Menschen aus ganz Europa gegen die Verlängerung des Wirkstoffes ausgesprochen haben; genauso wie das EU-Parlament, das sich für eine sofortige deutliche Reduktion und einen endgültigen Auslauftermin eingesetzt habe. Wie ihre deutschen Kollegen, das Bündnis 90/Die Grünen, die am Dienstag über Facebook, zum Protest gegen die deutsche Entscheidung aufriefen, wollen Südtirols Grüne aber noch nicht klein beigeben. „Die Auseinandersetzungen gehen weiter, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“, schreiben sie und fordern weiterhin die Verbannung von Glyphosat ein – „vorab in unserem Land.“
Einen diesbezüglichen Vorstoß in Rom wird es in jedem Fall geben, verspricht Koen Hertoge vom Anti-Pestizidnetzwerk PAN Italia. Denn Italien habe trotz der Zulassung in Brüssel die Möglichkeit, auf nationaler Ebene alle Produkte auf Glyphosat-Basis zu verbieten. Gemeinsam mit der Initiative „Stop Glyphosate“ werde sich PAN Italia dafür nun bei der italienischen Regierung stark machen.
so nebenbei bemerkt: Bayer
so nebenbei bemerkt: Bayer kauft US-Saatguthersteller Monsanto. Mit der Übernahme von Monsanto für 66 Milliarden Dollar wird Bayer zum größten Anbieter für Saatgut und Pflanzenschutzmittel. Es ist die größte Übernahme, die ein deutsches Unternehmen je getätigt hat: Der deutsche Chemiekonzern Bayer kauft den US-Saatguthersteller Monsanto für 66 Milliarden Dollar (58,8 Milliarden Euro). Monsanto steht in Europa aber seit Jahren wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte in der Kritik. Nicht zuletzt, weil der Konzern den Unkrautvernichter Glyphosat vertreibt, der im Verdacht steht, krebserregend zu sein. (Zeit online)
Laut dem bayerischen
Laut dem bayerischen Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) müssten die Bauern ohne das Unkrautvernichtungsmittel tiefer pflügen, was zu Bodenerosion führe. Das könnte man eventuell vermeiden, wenn man Esel beim Ackern einsetzen würde. In diesem Zusammenhang bezeichnete Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Zustimmung des Lamdwirtschaftsministers Schmidt (CSU) als beleidigenden "Affront". Sie hat ihm gesagt, dass man so blöd eigentlich nicht sein könne.
... dass ausgerechnet ein
... dass ausgerechnet ein Minister der CSU dem Glyphosat die Stange hält, ist absurd, zumal eine Abstimmung darüber in Bayern sicher das Gegenteil ergeben würde. Wie wär´s wenn die Bundeskanzlerin Merkel nun eine Koalition CDU + SPD + Grüne auflegen würde ?