„Back to nature“
Weiches Moos, steinige Wege, umgestürzte Bäume zum Klettern und steile Hügel: In den waldpädagogischen Einrichtungen “Birkenwald” in Partschins in Südtirol und “Birkenbäumchen” in Panketal, Berlin-Brandenburg, sollen sich die Kinder mit allen Sinnen “ideal” entwickeln - und das in freier Natur. “Die Waldpädagogik hat unter anderem zum Ziel, den Wald mit allen Sinnen zu erleben und kennenzulernen”, erklärt Simon Klotzner, Absolvent der Freien Universität Bozen. Für seine Diplomarbeit hat er sich mit der momentan aufblühenden pädagogischen Richtung, der Waldpädagogik, auseinandergesetzt. Dabei hat er sich auf unterschiedliche Möglichkeiten konzentriert, wie sich Kinder in diesen Kindergärten entfalten können. “Die Waldpädagogik kann als eine Art Gegenmodell zu unserer aktuellen, vom technologischen Fortschritt bestimmten Welt gesehen werden”, sagt Klotzner.
Ihre Wurzeln hat die Waldpädagogik in Schweden. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden dort sogenannte „friluftsfrämjandet“ gegründet. Übersetzt ist das eine Wortkombination aus “im Freien” und “Förderung”. Daneben war auch Dänemark ausschlaggebend für die weitere Entwicklung der Waldpädagogik. Mittlerweile gibt es dort bis zu 70 verschiedene Institutionen. Der erste Waldkindergarten im deutschsprachigen Raum wurde 1968 in Wiesbaden eröffnet. Populär wurden die Kindergärten im Freien jedoch erst gegen Ende des Jahrtausends. In den Jahren 1995 bis 1997 gab es eine Welle von Neugründungen in Deutschland. In Südtirol wurde 2007 erstmals ein Sommer-Waldkindergarten in Kohlern eröffnet. Dieser wurde jedoch mit privaten Mitteln finanziert. Im Jahr 2013 startete ein weiterer privater Waldkindergarten in Lichtenstern am Ritten. Der erste vom Land und Staat anerkannte und finanziell unterstützte Waldkindergarten öffnete nach sechs Jahren vorausgegangener Pionierarbeit seine Tore.
Im Gegensatz zu konventionellen Kindergärten zeigt der Wald als Umfeld viele Möglichkeiten auf, die eigenen Sinne zu erfahren. “Die unterschiedlichen Materialien bieten Empfindungsreize, welche in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich sind. Lernen über Sinne schafft eine gute Voraussetzung, um das, was man erlebt und erlernt hat, lange zu behalten”, sagt Klotzner. Zudem lernen die Kinder die Natur in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsarten und zu jeder Jahreszeit kennen. Sie würden praktisch erleben, dass Regen, Kälte oder wechselhaftes Wetter auch spannend und ungefährlich sein können. “Diese naturverbundene Erfahrung ist ein wesentliches Ziel der Waldpädagogik”, erklärt Klotzner. “Die Kinder bauen eine Verbindung zur Natur auf und lernen, sorgsam mit ihr umzugehen und sie zu schützen”.
Auch der Bereich des sozialen Lernens spielt in der Waldpädagogik eine wichtige Rolle. Die Kinder sind im Wald aufeinander angewiesen, auch weil weniger vorgefertigtes Spielmaterial geboten wird. “Die Kinder müssen im Wald viel aufeinander zugehen. Sie müssen miteinander kommunizieren und Vorschläge austauschen, zum Beispiel wenn sie einen schweren Ast transportieren wollen”, erklärt Klotzner.
Im Wald können sich die Kinder uneingeschränkt bewegen. Durch die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten trägt der Wald dazu bei, dass sich die Kinder auch motorisch gut entwickeln können. Klettern und Balancieren fördern den Gleichgewichtssinn und die Körperbeherrschung. “Diese Voraussetzungen wirken sich positiv auf das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl der Kinder in ihrem weiteren Leben aus. Zudem lernen sie, Grenzen besser einschätzen zu können”, sagt Klotzner.