Gatterers Visionen
Dass er in Sachen Mobilität eine Hauptrolle im Land spielen will, hat Ingemar Gatterer im abgelaufenen Jahr unmissverständlich klar gemacht. Nun schaltet der Unternehmer aus Pfalzen und SAD-Hauptaktionär noch einen Gang zu – und präsentierte auf einer groß aufgezogenen Tagung mit dem italienischem Vizeminister Riccardo Nencini, dem deutschen Staatssekretär Enak Ferlemann und dem Schweizer Verkehrsexperten Walter Finkbohner auf Schloss Prösels visionäre Bahnprojekte für das Südtirol der Zukunft.
Ein Südtirol des Jahres 2026, das sich dank Brennerbasistunnel im Mittelpunkt eines Kreises mit über 100 Millionen Menschen befinden, die die Landeshauptstadt in weniger als fünf Stunden Zugfahrt erreichen können, so die optimistische Prognose. Doch kann es sich die Tourismusdestination Südtirol leisten, den absehbaren Bahn-Boom mit zwei komplett unerschlossenen Tourismusdestination zu begegnen? Nein, ist SAD-Chef Gatterer überzeugt – und überraschte seine Gäste vor allem mit dem Projekt einer Dolomitenbahn, die Bozen mit Cortina verbinden soll. Ein laut derzeitigem Stand 1,6 Milliarden Euro teures ehrgeiziges Unterfangen, zu dessen Realisierung laut Gatterers Vorstellungen neben Privaten und Land auch die EU und der Staat Italien beitragen sollen.
Mit 6 bis 7,5 Millionen Fahrgäste pro Jahr rechnen die Projektanten für die Bahn, die als Mischung aus öffentlicher Nahverkehrseinrichtung und Touristenbahn präsentiert wurde. Als solche soll die Dolomitenbahn auch Highlights des Weltnatur-Erbes passieren: vom Schlern-Hochplateau durch das Grödnertal und das Gadertal bis über Valparola und den Falzaregopass. Eine Strecke von rund 85 Kilometern, die in etwas mehr als zwei Stunden durchfahren werden sollte. Und zwar streckenweise mit Zahnradantrieb, um steile Anstiege ohne große Eingriffe wie lange Tunnels zu bewältigen und den Fahrgästen den maximalen Genuss des Naturerlebnisses Dolomiten zu ermöglichen.
Zumindest von seinen geladenen Gästen erhielt der SAD-Chef am Freitag breiten Applaus für das Projekt. Ob von Reinhold Messner, Manfred Pinzger, Klauspeter Dissinger, Christof Oberrauch oder BBT-Koordinator Ezio Facchin, der die Dolomitenbahn als „ideale Verbindung mit dem BBT" bezeichnete.
Doch damit war nicht genug mit den „bahnbrechenden Visionen für die Mobilität", die der Titel der Tagung für die Alpen versprach. Gatterer ließ auch das von der öffentlichen Hand begrabene Projekt einer Überetscher-Bahn wieder aufleben. Diese soll laut dem Mehrheitsaktionär der SAD auf einer Szrecke von 17 Kilometern zwischen den Talstationen der Rittnerbahn und der Mendelbahn in Kaltern verlaufen; die Realisierungskosten wurden mit 200 Millionen Euro beziffert.
An solchen Summen ist das Projekt in der Vergangenheit gescheitert. Ob es der ehrgeizige Unternehmer im nächsten Jahrzehnt ausreichend pushen kann und damit die Alternative Metrobus tatsächlich zur Übergangslösung macht? Antworten darauf konnte die Tagung am Freitag nicht liefern. Doch Ingemar Gatterer machte in jedem Fall deutlich: Die SAD wolle nicht nur Eisenbahndienstleister bleiben, sondern auch Eisenbahninfrastruktur selbst planen und bauen.
Das Projekt täuscht über
Das Projekt täuscht über einen Fehler in der BBT Planung hinweg und zwar den mangelden Anschluss Osttirol/Pustertal/Brixen/Wipptal an den BBT. Die derzeitige Planung sieht keine Haltestelle Brixen vor. Von Innsbruck kommend muss man also nach Bozen fahren um ins Pustertal/Osttirol/Brixen zu gelangen.
Bevor Touristen in die Berge gegeondelt werden, sollten Bürger Anschluss an wesentliche Bahnprojekte erhalten. Oder was sonst ist die res publica?
Es ist erfreulich dass die
Es ist erfreulich dass die Sad Eisenbahnen planen und bauen will. Nur fragt sich wer es bezahlen soll. Der Minister aus Rom hat schon klar gesagt dass für solche
"progetti fantasmagorici" kein Geld da ist. Dann wird es wohl der Herr Gatterer
zahlen müssen. Papier ist bekanntlich geduldig. Aber die Wirklichkeit schaut
oft ganz anders aus.
Bei Helmuth Moroder ist schon
Bei Helmuth Moroder ist schon auch etwas der Ingenieur in ihm durchgegangen, denn eine 75-km-Bahntrasse durch das Naturerbe zu pflügen ist sicher eine reizvolle bahntechnische Herausforderung. Unter dem Aspekt des Landschaftsschutzes kann man diesen Teil der Dolomiten auch so betrachten, wie es Moroder tut: es ist schon so viel erschlossen, Lifte, Straßen, hunderte Kilometer Pisten, da macht eine zusätzliche Bahntrasse auch nicht mehr viel aus. Diese Logik teile ich nicht: es reicht an Tourismus-orientierter Verbauung. Vor allem zieht das Argument der Verkehrsberuhigung nicht, denn selbst Moroder räumt ein, dass bei einer halben Million Touristen mehr nur 25% per Bahn kommen werden, der Rest ganz wie üblich, per Saldo wird rings um den Sellastock also mehr oder weniger derselbe Verkehr wie heute herrschen (viele reisen dann eben mit dem Auto an und setzen sich in die Bahn als eine Art "Dolomiten-Achterbahn" als Zugabe).
Den Nencini zitiert Moroder nicht so korrekt, denn der Vizeminister meinte, dass man nach den TAV jetzt in Italien in den Nahverkehr mehr investieren müsse. Damit meint er die S-Bahnen vor allem für die Bevölkerung in den Ballungsräumen, das wäre eben die Begradigung der Meran-Bozen-Bahnlinie, die Überetsch-Bahn und die Riggertalschleife, und nicht die x-te Touristenattraktion.
Was an Moroders und der SAD hochtrabenden Dolomitenbahnprojekten auffällt, ist die Leichtfertigkeit in der Berechnung der Wirtschaftlichkeit, schon eine gewisse Hybris. Denn die Dolomitenbahn wird nur im optimistischen Fall die Betriebskosten decken, die Investition von 1,6 Mrd. muss die öffentliche Hand tragen und wird sich nie amortisieren. Wenn diese 1,6 Mrd. vorhanden wären, warum werden sie nicht in den Bozner Bahnhof, in die Überetschbahn, die Riggertalschleife, die Meran-Bozen-Begradigung investiert? All diese Projekte werden heute aus finanziellen Gründen abgetan. Außerdorfer hat etwas Luft aus den SAD-Visionen gelassen und auf die hohen Kosten der prioritären Verkehrsprojekte Südtirols hingewiesen. Wie wär's, wenn wir Moroders Dolomitenbahn nach Fertigstellung all der für die Bevölkerung wirklich wichtigen Verkehrsprojekte wieder aus der Schublade ziehen, statt uns von den Ingenieuren unter Druck setzen zu lassen, dass 2026 einige Touristen auf der Durchreise mit dem BBT durch die Lappen gehen, ohne dass sie noch einige Euro für die Dolomitenbahn im Land gelassen haben?