Come on, Barbie, let's go party
Sie ist eine Ikone. Anders lässt sich die Barbie-Puppe kaum beschreiben. In zahlreichen, wenn nicht sogar in den allermeisten Kinderzimmern ist sie zu finden, eine oder mehr weibliche Bewohnerinnen vorausgesetzt, denn in Sachen Zielgruppe scheinen keine Zweifel zu herrschen. Anders als dieser neue Film richtet sich die Puppe vor allem an junge Mädchen, erlaubt ihnen, die doch etwas seltsam anmutenden Baby-Puppen, die sie bereits im jungen Alter zu Müttern machen, beiseitezulegen. Mit der Barbie lässt es sich vortrefflich „erwachsen“ spielen, lässt die Frau, die in verschiedenen Erscheinungen auftritt, in verschiedene Berufe schlüpfen. Egal ob Anwalt-Barbie, Lehrerin-Barbie oder einfach die klassische, blonde Barbie, die zuallererst vor Augen erscheint, sowie man ihren Namen hört. Nun musste das Steckenpferd des Unternehmens „Mattel“ über die Jahrzehnte berechtigte Kritik einstecken, zum Beispiel die anfangs mehr als unrealistischen Körpermaße der Puppe betreffend, die den Mädchen, die damit spielten, falsche Vorstellungen von Körpernormen vermittelten.
Der Film täuscht Tiefe vor, ist aber völlig flach.
Aus einem Spielzeug einen Film zu basteln, funktionierte in der Vergangenheit schon öfters, man denke an den LEGO-Movie, oder, den Begriff etwas weiter gefasst, erst jüngst den „Super Mario“-Film. Barbie nimmt sich die US-amerikanische Filmemacherin Greta Gerwig an, deren Ursprünge im Independent-Kino liegen, erst als Schauspielerin, später als Regisseurin, „Lady Bird“ und „Little Women“ heißen ihre bisherigen Arbeiten, die gut in der Kritik besprochen wurden, und die bereits die feministischen Tendenzen aufwiesen, die Gerwig wohl letztlich auch den Regie-Job für „Barbie“ einbrachten. Doch wie sieht ihr Zugang aus? Gerwig und ihr Ehemann Noah Baumbach, ebenfalls als Filmemacher tätig, verbinden die quietschbunte Barbie-Welt mit unserer realen, trennt sie anfangs zwar noch strikt, lässt aber die Grenzen verschwimmen und die Figuren die jeweils anderen Welten bereisen. In der Barbie-Welt ist nämlich längst nicht mehr alles so wie immer, das heißt die allgemeine Harmonie, und die immergleichen, perfekt getakteten Tage voller Glück und Glitzer sind vorbei. Etwas stört die Harmonie, und die Ursache dessen liegt in der Welt der echten Menschen, die, und hier kommt der Kunstgriff des Films zu tragen, Barbie-Puppen ebenso wie wir als Spielzeug kennt. Natürlich sind sich die Menschen in der echten Welt nicht darüber bewusst, dass es lebendige Äquivalente zu ihren Plastikpuppen gibt, sind von daher mehr als nur überrascht, als die plötzlich in den Straßen des realen Los Angeles auftauchen.
Die Geschichte des Barbie-Films ist ein bunter Mischmasch aus anderen Werken. Ein bisschen Matrix, ein bisschen Alice im Wunderland, Platons Höhlengleichnis und die Truman-Show. Das Drehbuch lebt vom Humor, der durch die Diskrepanz aus Vorstellung und Realität entsteht, durch die Absurdität, die die Barbie-Welt bestimmt, und unterhält in dieser Hinsicht für knapp zwei Stunden gut. Barbie als Protagonistin wird gespielt von Margot Robbie, sie ist unter all den vielfältigen Varianten der Puppe, die „stereotype Barbie“, sieht also aus, wie man sich eine Barbie vorstellt, blond, schlank und generell attraktiv. An ihrer Seite ist Ken, den Ryan Gosling mit viel Charme spielt, und der Figur die Naivität schenkt, die ihr von Grund auf innewohnt. Ken existiert nämlich nur wegen Barbie, sein Zweck ist es, ihr gefallen zu wollen. Ein Gruß von ihr, ein Lob von ihr, rettet ihm den Tag. Als Ken in der realen Welt das Patriarchat entdeckt, und begreift, dass in dieser Welt die Männer das Sagen haben, dauert es nicht lange, ehe er dieses neuartige Konzept auch in der „Barbie-World“ etablieren möchte. Ausgehend davon spinnt Gerwig eine absurd-komische Geschichte des Geschlechterkampfs, und gibt sich feministisch. Verschiedene Barbies, aber auch Frauenfiguren aus der realen Welt dürfen den Status Quo kommentieren, meist in Gegenwart der stereotypen Barbie, die das alles nicht weiß und noch lernen muss.
Wem die pure Unterhaltung reicht, von der der Film aktuell auch an der Kinokasse erfolgreich lebt, wird viel Spaß damit haben.
Hier stößt der Film auf sein zentrales Problem. Barbie ist eine Figur, die in eine ihr unbekannte Welt kommt, und deren Regeln erst noch lernt. Sie begreift, dass es ein Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau gibt, dass die Frau unter dem Patriarchat zu leiden hat. Wir als Publikum wissen das aber bereits, wir müssen diese Welt nicht kennenlernen, wie wir etwa Frodo auf seinem Weg durch Mittelerde begleiten, und diese uns unbekannte Welt mit all ihren Gesetzmäßigkeiten in uns aufnehmen. Das führt dazu, dass die grundlegendsten Plattitüden des Mainstream-Feminismus kreuzbrav runtergebetet werden, Lösungsansätze präsentiert werden, die weltfremd und nicht auf unsere reale Gesellschaft anzuwenden sind. Für ein Publikum, welches noch nie etwas von Feminismus hörte, mag das interessant wirken, für alle anderen wiederholt der Film lediglich Altbekanntes auf wenig originelle Weise. Das ist eine verpasste Chance, denn gerade mit einer Marke wie Barbie hätte man einem breiten Publikum ins Gewissen reden können. Stattdessen wird ein halbgares Happy End präsentiert, sodass alle mit einem guten Gefühl nach Hause gehen können. Anders als es das aufwändige Marketing im Vorfeld andeutete, ist der Barbie-Film als feministisches Werk wenig interessant. Wem die pure Unterhaltung reicht, von der der Film aktuell auch an der Kinokasse erfolgreich lebt, wird viel Spaß damit haben. Intellektuell gesehen ist Gerwigs dritte Regiearbeit aber eine Enttäuschung. Der Film täuscht Tiefe vor, ist aber völlig flach. Er ist wie all jene, die Ja zum Feminismus sagen, aber nicht gewillt sind, etwas dafür zu tun. Er zählt auf, was falsch läuft, weiß aber nichts zu sagen.
Der Film zeigt welche konfuse
Der Film zeigt welche konfuse und wiedersprüchliche Ideen unter dem Banner des Feminismus kursieren und man abwechselnd gerade jene herausnimmt die oportunistisch für eine bestimmte Argumentation herpasst. Man kann nicht beides haben, so wie man nicht gleichzeitig Gleichberechtigung und Chancengleichheit und an der anderen Seite auch noch Gleichstellung haben kann.
Dass der Feminismus aber einerseits nichts mit Gleichberechtigung zu tun haben kann, wenn dann die männlichen Figuren in der Barbie-Märchenwelt am Ende wieder zu Accessoire zurechtgestutzt werden zeigt was für eine orwellisches Meisterstück aufgeführt wird, dass weit davon entfernt ist ein halbgares Happy-End zu sein.
Das Ziel dieses Films ist es der Barbie-Produkte feministische Credibility anzuhängen. Die distopische Barbie-Welt (zumindest für die Kens) wird dadurch legimitiert, dass die patriarchale reale Welt im Film (die eine weit hergeholte Karikatur ist, denn wer traut sich in der Öffentlichkeit in aller Sichtbarkeit jemanden an den Arsch zu fassen?) die anscheinend abegschafft wird, wenn für Mädchen Barbie-Puppen gekauft werden, damit diese Matriarchat spielen und eine Gesellschaft imaginieren, die auf Kosten einer Hälfte der Gesellschaft geht.