Kultur | Wunderhügel

“Zeit für etwas Neues”

Miracle Hill kehrt dorthin zurück, wo alles begann: auf den Festplatz von Unterinn. Doch bis auf den Namen hat sich so ziemlich alles geändert.

Was tun junge Menschen in einem Dorf, in dem kaum etwas passiert, das wenig bekannt ist und wo sich selten Touristen hin verirren? Auswandern, wäre vielleicht eine naheliegende Antwort. Doch im Fall von Bertrand Risé und Alex Lun falsch. Die zwei Rittner, beide Mitte 20, haben ganz andere Pläne für ihr Heimatdorf. Nach zweijähriger Pause sind sie dorthin, wo alles begonnen hat, zurückgekehrt: an den Festplatz von Unterinn. In zwei Wochen wird dort ein Dorffest der ganz anderen Art über die Bühne gehen. Und fast nur der Name erinnert noch an das, woran Risé und Lun mit dem “Miracle Hill”-Fest anknüpfen wollen.


Aufgeben kommt nicht in Frage

Die Erinnerung an das, was den Organisatoren des – damals noch – “Miracle Hill”-Festivals vor wenigen Jahren widerfahren ist, ist Ende August 2016 noch immer präsent. Zuerst verbietet der Rittner Bürgermeister das langjährig mit Erfolg in seiner Gemeinde abgehaltene Festival – aus Sicherheitsgründen, wie er sagt. Als die Veranstaltung im Jahr darauf, 2014, in Völs am Schlern stattfinden soll, verweigert der dortige Bürgermeister ebenfalls seine im Vorfeld zugesicherte Zustimmung – wegen “Sicherheitsbedenken”. Im letzten Moment und mit großem Einsatz schafft es die Miracle-Hill-Crew, ihr Festival in die Bozner Industriezone zu verlegen. Doch die Ereignisse jener Tage haben nachdenklich gestimmt. “Uns war klar, dass wir unser Konzept ändern müssen, es war Zeit für etwas Neues”, erinnern sich Risé und Lun, die seit der ersten Auflage des Miracle Hill Festivals 2009 mit dabei sind, heute. Aufgeben, das kam für sie nicht in Frage. Und so wurde an einem neuen Konzept für Miracle Hill getüftelt.

Unterinn am Ritten: “Etwas im und für den Ort machen.” Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

“Wir wollten etwas im und für den Ort machen, das das Dorf und seine sehr lebendige Gemeinschaft widerspiegelt”, erklären die beiden jungen Männer. Herausgekommen ist, so sagen sie, die Idee eines “alternativen Dorffestes”. Nach langem Warten und viel Überzeugungsarbeit steht es nun fest: Am 17. September feiert Miracle Hill sein Comeback. Einen Tag lang wird am Festplatz von Unterinn gefeiert, mit ungewöhnlichen Gästen und “verrückten, ja komischen Künstlern”, sagen die Organisatoren mit einem Schmunzeln.


Alternativ für alle

Was beziehungsweise wen sie damit meinen, verrät ein Blick auf das Programm, das am Samstag in zwei Wochen geboten wird: ein Hula Hoop-Workshop mit einer britischen Künstlerin, eine Podiumsdiskussion zum Thema Landwirtschaft, ein Poetry Slam, ein Bauernmarkt und künstlerische Live-Performances wie eine Seiltänzerin, die zu Ziehharmonika-Musik tanzt – all das und mehr gibt es einen Tag lang am “Wunderhügelfest”, wie es in deutscher Sprache offiziell heißt. Und natürlich ganz viel Musik. Auf zwei Bühnen, eine davon im nahegelegenen Wald, treten einheimische Bands und DJs, aber auch nationale und internationale Künstler auf, viele von ihnen unbekannt und ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich für ein Event mit Dorffest-Charakter ist der Aufruf der Veranstalter an die Besucher, sich mit kreativen Ideen am europaweiten Anti-TTIP-Aktionstag zu beteiligen, der just am 17. September stattfindet.

The Ufoslavians – die Slowenen sind nur eine der zahlreichen “verrückten” Bands, die am Miracle Hill Fest auftreten werden.

Mit ins Boot geholt haben Risé und Lun für das Miracle Hill-Fest zahlreiche lokale Vereine – so wird etwa der Fußballclub “Die Lauser” einen Stand und die Jungschar eine Schminkecke für Kinder betreiben – und den Jugenddienst Südtirol. Nicht zuletzt damit haben sie es geschafft, den Rittner Bürgermeister Paul Lintner zu überzeugen. “Am Ende war er extrem begeistert”, verraten Risé und Lun.


Erst der Anfang

Um den Sicherheitsbedenken, die es bei den vergangenen Miracle Hill-Festivals angesichts zahlreicher Besucher, die sich zu Fuß auf den Unterinner Festplatz machten, gegeben hat, entgegenzuwirken, haben sie einen kostenlosen Shuttle-Dienst für den Ritten organisiert, der die Besucher zum Festgelände bringt. Dieses ist übrigens nicht eingezäunt, auch der Eintritt ist frei – “die Besucher werden keinen Unterschied zu einem ‘normalen’ Dorffest merken”, sind sich die Organisatoren sicher. Auch für Speis und Trank ist gesorgt, das kulinarische Angebot reicht von der Südtiroler bis hin zu afrikanischer Küche. Um den finanziellen Aufwand für die Organisation des Festes zu stemmen, haben Risé und Lun Sponsoren gefunden, einen Teil der Einnahmen wollen sie zu gleichen Teilen an den Bäuerlichen Notstandsfond und für die Flüchtlingshilfe an den Verein Volontarius spenden.

Es ist viel Arbeit, die sich die zwei Unterinner angetan haben. Doch das Miracle Hill-Fest 2016 soll erst der Anfang sein. “Wenn es heuer gut klappt, dann gibt es bereits Ideen für das kommende Jahr”, berichten Risé und Lun. “Wir hoffen, dass die Menschen am Ritten und die Besucher von auswärts verstehen, dass es ein friedliches Fest werden soll, auf dem immer etwas los ist und sie Spaß haben können. Sie sollen sozusagen ein Teil des Events sein.” Von der Tatsache, dass ihnen in der Vergangenheit immer wieder Steine in den Weg gelegt wurden – damit stehen sie als junge Event-Organisatoren nicht alleine –, lassen sich Risé und Lun nicht abhalten: “Man kann immer wieder Wege finden und wenn man sich nicht abschrecken lässt, dann wird sich das Bewusstsein der Menschen irgendwann ändern.” Aus diesem Grund sind sie sicher, dass sich auch Bürgermeister Lintner am Samstag in zwei Wochen – ganz nach dem Motto ‘Wunder geschehen doch’ – am Wunderhügelfest blicken lassen wird.