Politik | Italienische Politik

Anschlag auf die Souveränität?

Eine - hoffentlich nicht zutreffende - Beleuchtung der Hintergründe der derzeitigen politischen Krise in Italien (verfasst am Mittwoch, mit Zusatz von Donnerstag).
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Foto: belfasttelegraph.co.uk

Ich finde merkwürdig was hier gerade abläuft. Am Sonntagabend hat der Staatspräsident seine Erklärung zum von Lega Nord und Movimento 5 Stelle vorgeschlagenen Regierungsteam mit den Worten abgeschlossen, dass er eine Entscheidung treffen wird. Wenige Minuten später wurde bekannt, dass ein beim Internationalen Währungsfonds angestellter Wirtschaftsfachmann namens Carlo Cottarelli mit der Bildung einer neuen - nicht demokratisch gewählten - Regierung beauftragt werden soll (in den letzten Jahren wurde Italien übrigens öfters von nicht demokratisch gewählten Regierungen geleitet - Monti, Letta, Gentiloni). Wäre es nicht naheliegender Paolo Gentiloni bis zu den nächsten Wahlen weiterregieren zu lassen? Wollte er nicht mehr? Spätestens im Herbst sollen also nun wohl Neuwahlen stattfinden (oder auch nicht). Jedenfalls: die potentielle neue Regierung von Cottarelli weiß wohl schon jetzt, dass ihr das Parlament wohl nicht das Vertrauen aussprechen wird. Welchen Sinn hat also eine Regierungsbildung, auch angesichts der Tatsache, dass nur ein paar Monate Regierungszeit in Aussicht gestellt werden? Was könnte diese neue Regierung denn in so kurzer Zeit bewirken? Könnte es sein, dass nach dem Vorschlag von Lega und Movimento 5 Stelle, dem EU- und Eurokritischen Wirtschaftsfachmann Paolo Savona die Leitung des Wirtschafts- und Finanzministeriums zu überlassen, jemand (die bzw. ein Teil der internationalen oder gar globalen Wirtschafts- und Finanzoligarchie?) einen Leutnant in der Person des Herrn Cottarelli nach Italien geschickt hat um dem Staat bzw. den Regierungsanwärtern die Rute ins Fenster zu stellen? Könnte Carlo Cottarellis plötzliches Auftreten auf der politischen Bühne Italiens etwa folgendes signalisieren: "Ihr habt Leute an die Regierung zu lassen die unsere Weltanschauungen und Interessen vertreten, anderenfalls werden wir euch mal ordentlich den Kopf waschen" ?. Verständlich, dass es im Interesse von Wirtschaftsakteuren (wie auch der EU oder Teilen davon) sein kann bzw. ist, einheitliche Politiken in allen Mitgliedstaaten durchzusetzen, um so der Union mehr Stabilität und Stärke zu verleihen. Dürften dafür aber demokratische Grundregeln ausgesetzt werden, einer der Grundpfeiler derselben Europäischen Union? Ich bin kein Sympathisant der Lega Nord und halte auch wenig vom Movimento 5 Stelle (vor allem nach der Aussage von Di Maio, Anklage gegen den Staatspräsidenten erheben zu wollen weil dieser von einem seinem Amt verfassungsrechtlich verbrieften Recht Gebrauch gemacht hat). Ich finde es allerdings bedenklich wenn Parteien, die aufgrund von allgemeinen, demokratischen Wahlen eine regierungsfähige Mehrheit zustande gebracht haben und gerne Regierungsverantwortung übernehmen würden, nicht zum Zug kommen weil sich ihr designierter Wirtschaftsminister kritisch zum vorherrschenden System eingestellt ist. Wenn die Entscheidung des Staatspräsidenten auf ihn selbst und / oder auf sein politisches Umfeld zurückgeht könnte ich seine Entscheidung in dieser Hinsicht akteptieren. Wenn sich hier aber jemand eingemischt hat der dazu weder rechtlich noch demokratietechnisch legitimiert ist, so wäre das für mich äußerst bedenklich und nichts weniger als ein Anschlag auf die Souveränität der demokratischen Italienischen Republik. Zusatz von Donnerstag: die weitere Entwicklung der Situation könnte für die Richtigkeit dieses Erklärungsansatzes sprechen - den Kopf einziehen, zurückrudern, sich anpassen, dann dürft ihr vielleicht doch noch regieren und der Herr Cottarelli verschwindet wieder mitsamt der von ihm evozierten Schatten.