Gesellschaft | Chancengleichheit

Matteo und die Frauen

Ist die Bestellung von acht Ministerinnen Entschuldigung genug, um in einem Land wie Italien das Ministerium für Chancengleichheit abzuschaffen? In Sachen Frauen muss Matteo Renzi erst beweisen, ob er sich Vertrauen verdient.

Das Vertrauen von Senat und Kammer hat Matteo Renzi erhalten, ob er jenes der Frauen verdient, wird er erst beweisen müssen. Denn auch was die delikate Geschlechterfrage betrifft, sind die Botschaften von Italiens neuem Ministerpräsidenten widersprüchlich. Auf der einen Seite der große Frauenfreund, der die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen besetzt; auf der anderen Seite der Beschneider, der kurzerhand das Ministerium für Chancengleichheit abschafft – übrigens ebenso wie jenes für Integration. Eine Ambivalenz, die auch als klare Botschaft des ungestümen Politikers verstanden werden kann. Ganz nach dem Motto: Wer braucht Gender Mainstreaming, wir setzen Fakten. 

Ob eine solche Strategie in einem Land aufgeht, das im Global Gender Gap Index des World  Economic Forum in Sachen Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern gerade einmal den bescheidenen 71. von 136 Plätzen einnimmt und in dem Frauenmorde auf der Tagesordnung stehen, wird die Zukunft zeigen. Gegenwärtig begeistern sich auch berufene Kämpferinnen für Frauenrechte weit mehr für die neue Ministerinnenriege, als dass sie sich über das fehlende Ressort empören. Südtirols neue Landesrätin für Chancengleichheit Martha Stocker ist überzeugt, dass „die Aktion des neuen Regierungschefs große Wellen schlagen wird und bald in allen Entscheidungsgremien entsprechend viele Frauen vertreten sein werden“. Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Beirates für Chancengleichheit, freut sich, dass „die Anstrengungen der letzten Jahre endlich Früchte tragen“. Das abhanden gekommene Ministerium für Chancengleichheit wird dagegen in der entsprechenden Pressemitteilung des Beirats nicht einmal erwähnt.

Anschluss an europäische Vorreiterinnen

Eine Wertung, die Kammerabgeordnete Renate Gebhard auch im römischen Parlament beobachtet. Zumindest bislang sei das fehlende Gleichstellungsministerium dort kein Thema: „Hier wird vor allem über die 50:50-Besetzung und die junge Regierung gesprochen“, erzählt sie. Für Gebhard hat aber nicht nur die reine Zahl an Frauen in der neuen Regierung Signalwirkung. Von der im achten Monaten schwangeren Ministerin für Verwaltungsreformen Marianna Madia bis hin zur ersten italienischen Verteidungsministerin Roberta Pinotti, Außenministerin Federica Mogherini oder der Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung Federica Guidi: Wie auch in anderen europäischen Ländern Europas brechen die Frauen in Renzis Kabinett nun stärker als je zuvor aus klassischen Rollenbildern und angestammten Terrains wie Sozialem oder Bildung aus, meint Gebhard. 

Glücklich ist die Kammerabgeordnete über die Abschaffung des Gleichstellungsministeriums dennoch nicht. „Denn es gäbe in dem Bereich ohne Zweifel noch einiges zu tun.“  Ob die acht Frauen der neuen Regierung zumindest einiges davon weiterbringen? Leicht wird es angesichts des großen Drucks, unter dem die neue Regierung nun steht nicht werden, glaubt Renate Gebhard. Aber zumindest ein gutes Vorzeichen sei einmal gesetzt.