Gesellschaft | INVALSI

Kontinuität trotz Pandemie?

Wie schneiden die Südtiroler Schülerinnen und Schüler bei der Lernstandserhebung 2021 - der ersten seit Ausbruch der Pandemie - ab? Die vorläufigen Ergebnisse liegen vor.
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Foto: (c) unsplash

­Die Evaluationsstelle für das deutsche Bildungssystem in Südtirol hat erste Daten aus dem Landesbericht zu den Lernstandserhebungen (INVALSI) 2021 vorgelegt. Bei diesen Erhebungen wurden im vergangenen Schuljahr Schülerinnen und Schüler der 3. Grundschulklassen (in Deutsch), der 5. Grundschulklassen (in Mathematik), der 3. Mittelschulklassen (in Deutsch, Mathematik und Englisch) sowie der Abschlussklassen der Oberschule (in Mathematik und Englisch) evaluiert. Laut dem Evaluationsstellenleiter Martin Holzner liefern die Daten 2021 Indikationen darüber, wie sich die Covid-19-Pandemie auf den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Fachbereichen und Jahrgangsstufen ausgewirkt hat.

 

Spitzenergebnisse in Englisch

 

Besonders gute Ergebnisse brachte die Erhebung für das Fach Englisch sowohl bei den Mittelschüler*innen als auch bei den Oberschüler*innen. Getestet wurde jeweils das Lese- und Hörverständnis. Die Mittelschüler*innen erreichten im Leseverständnis im Schnitt 223 Punkte (italienischer Mittelwert 204) und im Hörverständnis 239 Punkte (italienischer Mittelwert 203), was sowohl auf Landesebene als auch im gesamtstaatlichen Vergleich ein Spitzenergebnis darstellt. In beiden Kompetenzbereichen schneiden die Mädchen statistisch signifikant besser ab als die Buben (Leseverständnis: Mädchen 229/Buben 217 Punkte, Hörverständnis: Mädchen 244/Buben 234 Punkte).

Ähnlich gut war das Ergebnis an den Abschlussklassen der Oberschulen, wo die Schüler im Leseverständnis einen Punktewert von 226 und im Hörverständnis gar von 241 erzielt haben. Im Unterschied zur Mittelschule schneiden die Buben sowohl im Lese- als auch im Hörverständnis besser ab als die Mädchen. In beiden Kompetenzbereichen liegt der Punktemittelwert der deutschsprachigen Schüler und Schülerinnen über jenem der ladinischen und der italienischsprachigen Schüler und Schülerinnen und stellt im gesamtstaatlichen Vergleich den Höchstwert dar.

Zumal die Ergebnisse nur geringfügig von jenen von 2019 abweichen, geht die Evaluationsstelle davon aus, dass sich Schulschließungen und Fernunterricht im Fachbereich Englisch - bei Mittel- und Oberschülern im Zeitraum von einem Jahr - nur wenig auf den Kompetenzerwerb ausgewirkt haben.

 

Mathematik: schlechtere Ergebnisse für Mittelschüler*innen

 

Nach Schulstufen unterschiedlich sind die Ergebnisse im Fach Mathematik. Während der von den Schülerinnen und Schülern der fünften Grundschulklassen erreichte Punktewert (196) signifikant unter dem gesamtstaatlichen Mittelwert (200) liegt, erzielen die Mittelschüler mit 195 Punkten einen Punkt mehr als der italienische Schnitt von 194 Punkten. Allerdings wurde bei den Mittelschülern gegenüber 2019 ein Punkterückgang von rund sieben Punkten verzeichnet.

Bei den Abschlussklassen der Oberschule, wo die Lernstandserhebung Mathematik erstmals in einem computerbasierten Format durchgeführt wurde, ist ein Vergleich mit Vor-Corona-Zeiten nicht möglich ist. Mit durchschnittlich 210 Punkten liegen die deutschsprachigen Oberschüler*innen jedoch deutlich über den ladinischen (200 Punkte) und den italienischsprachigen Schülerinnen und Schülern (195). Im gesamtstaatlichen Vergleich liegen die Ergebnisse der deutschsprachigen Schüler und Schülerinnen gemeinsam mit jenen des Trentino (213) im Spitzenfeld und über dem italienischen Mittelwert (191). Mit 220 Punkten schneiden die Buben deutlich besser ab als die Mädchen (201).

Die Ergebnisse der 5. Grundschulklassen im Fach Mathematik werden im vorläufigen Bericht der Provinz nicht genannt.

 

Wachsende Kluft im Fachbereich Deutsch

 

An der Lernstandserhebung Deutsch haben rund 3.800 Schüler und Schülerinnen der dritten Grundschulklassen teilgenommen. Beim Leseverständnis erzielten sie eine durchschnittliche Lösungsfähigkeit von 59,8 Prozent, beim Hörverständnis 62,1 Prozent. Die Mädchen erzielen in beiden Kompetenzbereichen bessere Ergebnisse als die Jungen. "Obwohl sich die Testergebnisse nur bedingt mit jenen von 2019 vergleichen lassen, scheint der Unterschied nur gering", so Holzner, der auch auf die Differenz zwischen den Ergebnissen der Mädchen und Jungen sowohl beim Leseverständnis als auch beim Hörverständnis hinweist, die seit der erstmaligen Erhebung 2013 noch nie so groß war.

Größer als in den Vorjahren waren 2021 auch die Standardabweichungen, das heißt die Streuung der Ergebnisse um den Mittelwert. Dies könnte darauf schließen lassen, dass die Kluft zwischen lernschwachen und lernstarken Schüler*innen im letzten Jahr größer geworden ist und einige Schüler*innen und Schüler besser mit dem Fernunterricht umgehen konnten als andere.

 

Über eine neue computerbasierte Testung, die Vergleiche mit den Vorjahren ausschließt, wurden die Deutschkompetenzen der Schüler der dritten Mittelschulklassen erhoben. Die Schüler und Schülerinnen erzielten bei diesem Test eine durchschnittliche Lösungshäufigkeit von 67 Prozent. Die Mädchen schneiden bei dieser Erhebung mit einer mittleren Lösungshäufigkeit von 70 Prozent besser ab als die Jungen mit 65 Prozent.

Der Landesrat für die deutschsprachigen Schulen Philipp Achammer schließt aus den Ergebnissen "dass Pandemie und Fernunterricht den Kompetenzerwerb nicht wie befürchtet stark beeinträchtigt haben.” Die Ergebnisse sprächen vielmehr von Kontinuität.

Die vollständigen Ergebnisse sollen Mitte Februar vorgestellt werden.

 

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Franz Hilpold Di., 04.01.2022 - 12:19

Der Landesrat freut sich über die Kontinuität. Die beiden halben Jahre Pandemie haben sich also nicht auf die in längeren Zeiräumen aufgebauten Kompetenzen ausgewirkt, zumal die Kompetenztests in zu großer zeitlicher Nähe zu den Einschränkungen erfolgt sind. Die Landesregierung braucht sich also die Bildung betreffend vorerst keine Sorgen zu machen. Ihre Evaluationsstelle hat mit den in Rom ausgerechneten und von ihr schön aufbereiteten Zahlen die bildungspolitische Unbedenklichkeit der Schutzmaßnahmen anscheinend zum Teil bestätigt.
Interessant wäre noch zu wissen, wie es um die Italienischkenntnisse der deutschen Schülerinnen und Schüler steht, und wie man mit den immer schwerer zu integrierenden Immigrantenkinder der zweiten Generation umgeht.
Wenn dann die Evaluationsstelle ihre Angaben in ihrem Internetauftritt noch richtigstellt, könnte dies das Vertrauen in ihre Zahlen stärken. Denn mit Unwahrheiten, Halbwahrheiten, Auslassungen und Verdrehungen macht man keinen professionellen Eindruck.

Di., 04.01.2022 - 12:19 Permalink