Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Sexy Silikon

Sexistische Werbung ist nicht nur eine Werbestrategie, sondern eine strukturelle Form von Gewalt. Südtirols Werbeagenturen haben Mitverantwortung.
Silikon-Freie Duschkabine
Foto: Salto.bz

Eigentlich habe ich Werbung gegenüber eine eindeutige Haltung, einen Reflex geradezu: schnell weiterblättern und, falls ich mich in den sozialen Medien aufhalte, gleich wegdrücken. Wahrscheinlich würde ich damit selbst Top-Marketingexpert:innen zur Weißglut bringen. Kürzlich aber blieb mein Blick im Vorbeifahren an einem großen Werbeplakat an einer Bushaltestelle hängen, und noch Tage später beschäftigt mich die Beschreibung „silikon-freie Duschkabine“ unter dem Bild eines Pärchens. Er mit nacktem Oberkörper, sie in spitzenbesetztem BH. Wenn Werbung unseren Wunsch nach einem bestimmten Konsumgut wecken soll, dann sollte dieses Plakat wohl den Wunsch nach einer Duschkabine wecken, in welcher die Duschenden einen Waschbrettbauch und gleich dazu eine Partnerin mit ganz natürlicher Körbchengröße D bekommen (und umgekehrt) … all das ganz ohne Silikon! Denn genau das ist es, was unsere Herzen höherschlagen und unsere Hand nach der Brieftasche greifen lässt… Oder vielleicht nicht ganz. Aber schlechte Werbung soll es bekanntlich nicht geben: Hauptsache, man(n) spricht darüber!

Diesen Grundsatz haben sich schon andere zu eigen gemacht. Spontan fallen mir dazu ein: LKWs mit „Ollm genua - Holzscheite im BH - vor der Hitt“ und Videoclips wahlweise mit vier nackten Männern, die einem jungen Mädchen hinterherjagen oder mit einem Bärtigen, der in einem Holzzuber badet und von zwei feschen Mädels im Dirndl bedient wird. Geht’s noch? Noch mehr stereotype und klischeehafte Werbung, die nicht mal die niedersten Instinkte bedient, vielmehr von bodenloser Ignoranz und hinterwäldlerischer Arroganz zeugt?

An dieser Stelle erwarte ich mir folgende Bemerkungen: „Ach, diese frustrierten Feministinnen verstehen keinen Spaß“ und „Es gibt Wichtigeres“. Aber: irgendwann hört der Spaß einfach auf, in diesem Fall bei sexistischer Werbung, die „Abwertung, Diskriminierung und Objektifizierung von Frauen“ zur Folge hat. Sexistische Werbung ist nicht nur eine (ich möchte hinzufügen, einfallslose und überholte) Werbestrategie, sondern eine strukturelle Form von Gewalt. So reproduzieren diese Werbebotschaften mit Geschlechterklischees und Rollenstereotypen sexistische Denkmuster und werden durch Wiederholung und passives Lernen Teil unseres Selbstbildes und unseres Weltbildes.

Was solch sexistische Formen von Werbung gemeinsam haben? Männer werden als unabhängig, dominant und zielstrebig dargestellt. Frauen werden auf einzelne Körperteile reduziert oder als Sexualobjekte dargestellt (jung, schön, dienend, auswechselbar, ohne eigenen Willen). Ebendiese Werte, Ideale und Verhaltensmuster werden von sexistischen Werbebildern vermittelt und prägen dann auch unser soziales Verhalten. Aber, mal ganz ehrlich, wer von uns fühlt sich damit wohl? Egal ob Mann oder Frau, wahrscheinlich die wenigsten. Trotzdem bildet sexistische Werbung immer noch einen ausgezeichneten Nährboden für die zahlreichen Formen männlicher Gewalt an Frauen.

Wär doch mal etwas wirklich Neues, wenn sich Südtirols Werbeagenturen mit ihrer Mitverantwortung bei struktureller Gewalt an Frauen auseinandersetzen und Kampagnen entwerfen würden, die nicht mehr nur die paar Macho-Witzbolde oder die wenigen vom Patriarchat als Gesellschaftsform Überzeugten ansprechen würden, sondern tatsächlich eine breite mitdenkende und mitfühlende Bevölkerung.