Scheinheiliges Versprechen?
Wie die Diözese Bozen-Brixen am Montag bekannt gab, haben sich im Jahr 2021 fünf Personen an die von der Diözese eingerichtete Ombudsstelle gewandt, um Missbrauchsfälle zu melden. Vier Fälle betrafen den kirchlichen Bereich, eine den außerkirchlichen Bereich. Die die Kirche betreffenden Meldungen bezogen sich auf länger zurückliegende Erfahrungen.
Diese Informationen gehen aus dem Jahresbericht des Dienstes für den Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Person hervor, den Dienststellenleiter Gottfried Ugolini beim Treffen des Fachbeirates für Prävention mit Bischof Ivo Muser vorgestellt hat. Wie Muser betonte, setze sich die Diözese entschieden dafür ein, Missbrauchsfälle zu vermeiden und bei Vorfällen kompetent und zeitnah zu handeln.
Geplante Studie gestoppt
Gleichzeitig entschied die Diözese aber, eine Studie zu Gewalt und Missbrauch, die bereits geplant und ausgearbeitet worden war, nun doch nicht durchzuführen. Die verschiedenen Gremien der Diözese würden sich vor allem für eine Stärkung der konkreten Präventionsarbeit durch entsprechende Weiterbildungen, Leitlinien und Unterlagen aussprechen. “Deshalb entschied der Bischof, die Studie in der vorliegenden Form nicht durchzuführen”, heißt es in einer Pressemitteilung der Diözese. Man wolle sich zu einem späteren Zeitpunkt um eine Aufarbeitung der Fälle kümmern.
“Schluss mit Scheinheiligkeit”
Die Katholische Jugend Südtirol (SKJ) reagiert mit klaren Worten und Verärgerung auf den Stopp der geplanten Studie: „Oberste Priorität hat der Schutz von Kindern und Jugendlichen – nicht das Kirchenbild!”, betont Katja Engl, dritte Landesleiterin von Südtirols Katholischer Jugend (SKJ) in einer entsprechenden Pressemitteilung mit dem Titel: “Schluss mit Scheinheiligkeit – Mut zur Aufklärung.”
Betroffenen eine Stimme geben
Die geplante Studie, in zwei Phasen über fünf Jahre hätte ablaufen sollen und eine Datenerhebung durch Interviews und Fragebögen sowie die Ausarbeitung von Präventionskonzepten vorsah, sei nicht nur deshalb wichtig, um Zahlen und Fakten zu Papier zu bringen, sondern auch "um Betroffenen eine Stimme zu verleihen und ihnen ein Stück Würde zurückzugeben, die ihnen genommen wurde", erklärt die Katholische Jugend Südtirol. “Das können wissenschaftliche Studien aus anderen Ländern nicht. Es geht darum, dieses Stillschweigen und Tabuisieren zu durchbrechen, einen Raum zu schaffen, sich offen mit dem Thema auseinanderzusetzen, Betroffene zu Wort kommen zu lassen und damit einen Schritt in Richtung Sensibilisierung zu gehen". Prävention ohne eine Auseinandersetzung mit der Geschichte könne nicht gelingen.
Genau aus diesen Gründen brauche Südtirol eine Studie zu Gewalt und Missbrauch in der Kirche. “Allerdings zog der Bischof den Auftrag wieder zurück mit der Begründung, es gäbe bereits genügend wissenschaftliche Studien und eine Studie zu Gewalt und sexuellem Missbrauch sei zu kostspielig”, so die SKJ.
Das Argument der Diözese, eine Studie sei in diesem Moment zu kostenaufwendig, sei beinahe Hohn gegenüber jenen Menschen, die durch Gewalt und Missbrauch großes Leid erfahren haben und jene schrecklichen Erfahrungen, die sie weitaus mehr gekostet habe als Geld, so Engl: "Für die Betroffenen wird die Vergangenheit niemals ruhen. Der Heilungsprozess ist ein harter und langer Weg - für viele auch ein niemals endender.”
Die Kirche müsse Strukturen aufdecken, sodass Verharmlosen und Vertuschen nicht mehr möglich sind: “Sehr viele Missbrauchserfahrungen liegen bereits Jahrzehnte zurück. Es braucht Antworten. Betroffene warten auf längst überfällige Handlungen, Verantwortungsübernahme und auf Ergebnisse.” Sorgen um das Kirchen- und Priesterbild - die laut der Wochenzeitung ff in der Entscheidung die Studie zu stoppen, wohl eine wichtige Rolle gespielt hätten - dürfen nicht, so die SKJ, über den Schutz der Kinder und Jugendlichen gestellt werden.
Studie für Südtirol gefordert
Die geplante Studie stelle für Südtirol eine Chance dar, Aufarbeitungsarbeit zu leisten und sich mit Faktoren, die Missbrauch in der Südtiroler Kirche ermöglicht oder gar begünstigt haben, zu befassen, erklärt die SKJ und fordert “eine Kirche, die Mut hat, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, die dunklen Seiten ihrer Geschichte anzuschauen und anzuerkennen und einen Veränderungswillen zeigt.” Und weiter: „Es ist uns ein großes Anliegen, die Notwendigkeit der Studie in Südtirol zu unterstreichen und wir möchten an dieser Stelle Solidarität mit allen Betroffenen von sexuellem Missbrauch zeigen.“
“Langfristig würde die Kirche gewinnen, wenn man ehrlich und offen die Fehler eingestehen würde und sie könnte ihre Glaubwürdigkeit wieder zurückgewinnen”, ist Südtirols Katholische Jugend überzeugt.
Präventive Maßnahmen zur
Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Mißbrauch erachte ich als notwendig; doch dazu gehört auch eine aufrichtige mutige Vergangenheitsbewältigung.
Antwort auf Präventive Maßnahmen zur von Albert Pürgstaller
Sie haben absolut recht.
Sie haben absolut recht.
Man hat leider das Gefühl, dass noch einiges im Verborgenen schlummert und es bestimmten Stellen und Instanzen wichtiger ist, dies auch so zu belassen. Ein ehrliche, aufrichtige und respektvolle Aufarbeitung, vor allem gegenüber den Opfern, kann so nicht funktionieren.
So nebenbei: der Verkauf von ein oder zwei goldenen Kelchen würde dem Problem, dass eine solche Studie zu "kostspielig" wäre, wohl Abhilfe schaffen. Respekt gegenüber den Opfern und das bedingungslose Eingeständnis, dass hier was ordentlich aus dem Ruder gelaufen ist, sollten für eine moralische Institution, als welche sich die Kirche sieht, oberste Priorität haben. Oder wird hier am Ende Wasser gepredigt und Wein getrunken?
Bischof Muser ,schämen sie
Bischof Muser ,schämen sie sich für ihre Verhaltensweise,die Studie zu blockieren-mehr ist da nicht zu sagen-AMEN!
Die Glaubhaftigkeit lebt von
Die Glaubhaftigkeit lebt von Offenheit und Transparenz. Damit Änderung gelingen kann, muss vorher, oder zumindest gleichzeitig, die Vergangenheit aufgearbeitet werden. Zu oft verteidigt die Kirchenstruktur vorrangig ihre Fassade; das aber bekommt der Kirche langfristig nicht.
....an keinerlei Gott zu
....an keinerlei Gott zu Glauben, ist ebenfalls eine Option. Wie die letzten Jahrhunderte belegen, müssen wir nicht Gottes Namen beschwören, um ein moralisches Leben zu führen. Auch der Säkularismus kann uns mit all den Werten versorgen, die wir brauchen.