Umwelt | Tourismuskonzept

"Tunnelblick auf Bettenstopp"

Der Heimatpflegeverband weist die Pusterer Bürgermeister in die Schranken: "Das strikte 'Nein' der Bürgermeister zum Landestourismuskonzept verkennt den Ernst der Lage."
Innichen
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Der Heimatpflegeverband geht mit Pustertals Gemeinden hart vor Gericht und stellt sich in einem Offenen Brief hinter die Notwendigkeit den Tourismus in Südtirol grundlegend zu überdenken. Der Tunnelblick auf den Bettenstopp müsse aufgegeben werden - vor allem deshalb, weil das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) flexible Obergrenzen beinhalte und Rücksicht auf entwicklungsschwache Gemeinden nehme.

Die Pustertaler Bürgermeister haben in einem Offenen Brief an die Landesregierung und Tourismuslandesrat Arnold Schuler das im Dezember verabschiedete Landestourismusentwicklungskonzept stark kritisiert. Das LTEK enge die Entwicklung von Betrieben, zumal kleiner Familienunternehmen zu stark ein und gewähre entwicklungsschwachen Gebieten kaum Spielraum. Zudem seien die Gemeinden allzu spät über das vor gut zwei Monaten verabschiedete Konzept informiert worden, heißt es im Schreiben. Die Gemeinden fordern mehr Spielraum bei der Umsetzung der Leitlinien zur Bettenanzahl sowie mehr Eigenverantwortung in der touristischen Entwicklung innerhalb der Siedlungsgrenzen.

 

Schuler: "Spielräume bei der Umsetzung"

 

Am gestrigen Dienstag reagierte Arnold Schuler im Gespräch mit Rai Südtirol auf das Schreiben und verwies auf Spielräume bei der Umsetzung des Konzepts, hielt jedoch an der Notwendigkeit von einer Bettenobergrenze fest. "Einzelne Orte könnten aber provisorisch weitere Betten bekommen, die sie später ausgleichen", so Schuler.

 

"Tunnelblick auf Bettenstopp lenkt von Kernproblemen ab"

 

Der Heimatpflegeverband kritisiert die Stellungnahme der Gemeinden zum Landestourismuskonzept hingegen scharf: "Abgesehen davon, dass das Konzept noch ohne Durchführungsbestimmungen und damit ohne wirksame Bindewirkung ist, verkennen die Pusterer Bürgermeister und andere Kritiker des LTEK leider die Notwendigkeit, die touristische Entwicklung nachdrücklich zu steuern und zu zügeln", so der Verband. Diese Notwendigkeit leiter der Heimatpflegeverband unter anderem von den folgenden Punkten ab:

1. Südtirols Nächtigungen sind 2009 bis 2019 von 28,08 auf 33,68 Mio. gewachsen, also um knapp 20%. Die Zahl der gastgewerblichen und nicht gastgewerblichen Betten hält Ende 2021 bei über 229.000. Die verkürzte Aufenthaltsdauer der Gäste macht sich in einer zunehmenden Verkehrslawine bemerkbar. Sie ist im Pustertal und anderen Südtiroler Gemeinden nicht der Straßenführung zuzuschreiben, sondern dem neben dem einheimischen Aufkommen überbordenden Individualtourismus.

 

Das LTEK sieht flexible Grenzen vor, ist aber von einem „Bettenstopp“ weit entfernt.

 

2. Das LTEK sieht zwar eine Bettenobergrenze vor, bereits genehmigte Projekte können aber trotzdem realisiert werden, was Tausende weiterer Betten entspricht. Bei Betriebsauflösungen, die relativ häufig sind, werden frei werdende Betten strukturschwachen Gebieten zugewiesen. Das LTEK sieht also flexible Grenzen vor, ist aber von einem „Bettenstopp“ weit entfernt.

3. Die Kritiker des LTEKs verschwenden kein Wort auf die Notwendigkeit, den Tourismus Südtirols endlich klimagerecht und ressourcenschonend zu gestalten. Tourismus ist laut EURAC-Studie für ca. 18% der CO-2-Emissionen verantwortlich, die Emissionen pro Gast sind bei weitem zu hoch. Der Wasserverbrauch sprengt oft jede Vorstellung, nicht nur in Tourismushochburgen wie Kastelruth oder Hafling generiert Tourismus akuten Wassermangel.

 

Der Tunnelblick auf einen vermeintlichen Bettenstopp verdeckt das Kernproblem von Südtirols Tourismus.

 

4. Der Landschaftsverbrauch durch Hotelneubauten ist den Bürgermeistern leider keine Zeile Wert, obwohl die touristische Zersiedlung an vielen Stellen Südtirols Grundlagen, Natur und Landschaft angreift.

5. Wir erwarten von den Bürgermeistern, die nicht nur das Gastgewerbe, sondern alle Bürger*innen vertreten, eine eingehende Diskussion über Folgen und Möglichkeiten der Eindämmung des bis 2019 heiß gelaufenen Tourismus. Der Tunnelblick auf einen vermeintlichen Bettenstopp verdeckt das Kernproblem von Südtirols Tourismus – die notwendige Eindämmung. Sie ist im Hinblick auf Landschaft und Natur, auf das Klima, auf die Lebensqualität der Südtiroler*innen und nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte ein Gebot der Zukunft. Ohne breiten Diskussionsansatz, den das LTEK zumindest versucht, greifen Vorstöße wie jene der Bürgermeister viel zu kurz.