Es ist nicht Vladimir Putin, der die Welt bedroht. Es ist nicht der Krieg in der Ukraine, der den Südtirolerinnen und Südtirolern schlaflose Nächte bereitet.
Nein. Die größte Gefahr, die Südtirols Gesellschaft in diesen Tagen bedroht, sind die gewalttätigen „Jugendbanden“, die überall im Land Menschen wahllos zusammenschlagen und Südtirols „heile Welt“ nachhaltig bedrohen.
Schaut man sich die publizistischen Flaggschiffe des Medienkonzerns Athesia an, so leben wir in diesem Land bereits in einem Ausnahmezustand.
Ein Blick in die Zeitungen von Samstag, 26. Februar 2022 macht das deutlich. In den Dolomiten wird auf der Bozner Bezirksseite unter dem Titel „Erwachsene greifen ein. Schlägerei: Jugendliche prügeln sich“ über eine angebliche Schlägerei auf den Bozner Talferwiesen berichtet. Dazu heißt es im Artikel:
„In letztere Zeit haben sich die Gewalttaten organisierter Schlägerbanden gehäuft. Erst am vergangenen Samstag gab es einen Angriff auf einen Meraner Handball-Spieler. Tags zuvor war eine Gruppe Jugendlicher aus Terlan mitten im Bozner Stadtzentrum von einer Bande zuerst beschimpft und dann angegriffen worden; auch Messer waren dabei im Spiel.“
Vier Seiten weiter heißt es in den Dolomiten: „Faschingsfete endet im Albtraum. Gewalt: Bande von Jugendlichen schlägt Teilnehmer einer Feier in Margreid krankenhausreif.“ Auch hier die Einleitung:
„In jüngster Zeit war gehäuft die Rede von organisierten Banden Jugendlicher – oft mit Migrationshintergrund –, die vor Diskotheken und Clubs aufkreuzten und mit roher Gewalt und ohne ersichtlichen Grund auf einheimische Jugendliche losgingen.“
Wer will da schon nachstehen. Auf der Meraner Seite des Tagblattes der Südtiroler: „Jugend-Randale am Unsinnigen. Stadtzentrum: Meraner in der Aurora-Passage mit Flaschen, Sprydosen und Softair-Kugeln attackiert - „Urbane Guerilla“
Im Artikel wird dann unter anderem von einer schwerwiegenden Straftat berichtet: „Erst am Vormittag hat ein völlig betrunkenes 15-jähriges Mädchen in die Ecke uriniert“.
Doch damit nicht genug. Unterhalb dieses Kriegsberichtes findet sich ein großes Interview mit der Mutter einer 14jährigen, die angeblich von einer 13jährigen verprügelt wurde. Der Titel; „Mehr Angst vor Minderjährigen als vor Erwachsenen“
Schaut man sich die publizistischen Flaggschiffe des Medienkonzerns Athesia an, so leben wir in diesem Land bereits in einem Ausnahmezustand.
Dasselbe nur auf italienisch im „Alto Adige“. Dort heißt es auf der Titelseite zum selben Vorfall: „Ragazzina picchiata dalla rivale tredicenne“. Im Artikel steht zu lesen: „Brutale aggressione ai danni di una ragazzina meranese da parte di una tredicenne che aveva conosciuto mesi prima e che l'aveva denigrata in una chat.“
Weil das anscheinend noch nicht genug ist, veröffentlicht die Ebner-Zeitung auch gleich noch ein Video der gesamten Schlägerei auf seiner Homepage.
Dass laut der „Carta di Treviso“ dieser mediale Voyeurismus bei Minderjährigen verboten ist und gesetzlich sanktioniert wird, stört den Verlag der christlichen Brüder anscheinend wenig. Man darf gespannt sein, ob sich die lokale Journalistenkammer getraut, hier von Amtswegen gegen den großen Medienkonzern vorzugehen.
Man darf gespannt sein, ob sich die lokale Journalistenkammer getraut, hier von Amtswegen gegen den großen Medienkonzern vorzugehen.
Seit Wochen wird diese Kampagne in den Medien des Athesia-Konzerns bewusst und strategisch gefahren. Alle Artikel sind mit dem bereits vor Jahren entwickelten Logo „Stopp der Gewalt“ garniert und den Untertitel „Haben auch Sie einen Übergriff erlitten? Erstatten Sie Anzeige. Schreiben Sie uns“. Wer draufklickt kommt direkt in die Mail der Dolomitenredaktion.
Gewalt und Blut tut den Verkaufszahlen der Zeitungen gut. Darum geht es.
Vor Monaten waren es noch die „Babygangs“, die ausgehend von Leifers, zum landesweiten Problem gemacht wurden. Inzwischen sind die vermeintlichen Delinquenten etwas älter geworden. Allein die Tatsache, dass zehn Jugendliche sich irgendwo treffen oder sich gemeinsam bewegen, macht sie heute bereits zur „Bande“.
Gewalt und Blut tut den Verkaufszahlen der Zeitungen gut. Darum geht es.
Natürlich kalkuliert man am Weinbergweg mit der politischen Sprengkraft dieser Kampagne. Das Spiel geht immer auf. Seit Tagen übertreffen sich die Parteien gegenseitig mit Pressemitteilungen zur Jugendgewalt. „ Während immer sehr schnell die Gewalt in anderen Ländern verurteilt wird, wird die Gewalt auf Südtirols Straßen klein- und schöngeredet. Was muss noch passieren, bis in angemessener Weise auf die Gewalt gegenüber der einheimischen Bevölkerung reagiert wird?“, poltert etwa die Freiheitliche Vizeparteiobfrau Ulli Mair und forderte den Entzug der Sozialleistungen für die Eltern der gewalttätigen Jugendlichen.
Dabei sagen die Statistiken und Fachleute genau das Gegenteil: Der leitende Richter am Bozner Jugendgericht Benno Baumgartner bestätigt zwar, dass die straffälligen Jugendlichen immer jünger werden, die Gewalt unter Jugendlichen aber keineswegs signifikant ansteigt, sondern eher zurückgeht. Ebenso hat der Bozner Quästor Giancarlo Pallini die Jugendbanden als „keine wirklichen Kriminellen“ bezeichnet.
Drehen wir die Zeit doch 40 Jahre zurück. Es gab kein Wiesenfest, wo nicht mindestens einer einem anderen mit dem Bierkrug den Scheitel nachgezogen hat. Es gab keinen Samstag in den Diskotheken wie Juwel, Apres oder I-Punkt, bei dem nicht mindestens eine Schlägerei dargeboten wurde. Die handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen uns „Tschöggl“ und den „Shangaioli“ gehörten ebenso zum Großwerden, wie das provokante Auftreten als Halbstarker mit Aktionen, die uns heute geradewegs ins Gefängnis bringen würden.
Der Unterschied. Damals war kein Handyfilmer dabei und keine Dolomiten oder Alto Adige, die damit ihren Seiten füllen können.
Die Generation der heutigen Jugendlichen hat bereits 3 Jahre ihrer Jugend durch die Pandemie verloren. Sie verdienen es deshalb nicht, jetzt auch noch von den Medien an den Pranger gestellt zu werden.
Gewalt soll man nicht klein reden. Aber man soll auch nicht jede Schlägerei und Auseinandersetzung unter Gleichaltrigen zum Bandenkrieg aufbauschen.
Die Generation der heutigen Jugendlichen hat bereits 3 Jahre ihrer Jugend durch die Pandemie verloren. Sie verdienen es deshalb umso weniger, jetzt von den Medien an den Pranger gestellt zu werden.
Denn diese Jugend ist weit besser, als jene die jetzt den moralischen Zeigefinger der Empörung erheben und medienwirksam „Stopp der Gewalt“ fordern.
Während sie gleichzeitig die Silberlinge in ihren Hosentaschen zählen.