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Edelweiss auf Reisen

Laut Thomas Widmann sind die abgehörten Telefonate Privatgespräche, die aus dem Kontext gerissen wurde. Schaut man sich den Kontext an, wird alles noch viel schlimmer.
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Foto: Othmar Seehauser
Wenn Philipp Achammer etwas sagt, dann tut er das (fast) immer in den Dolomiten. Dort hat der SVP-Obmann am Dienstag auch erstmals zu den Enthüllungen aus dem Buch „Freunde im Edelweiss“ Stellung genommen. „Ich lasse mich nicht verräumen“, gibt sich der bis dahin schweigsame Parteiobmann kämpferisch und bietet gleich eine neue Lesart der Abhöraffäre an: Es sei eine gezielte Aktion, um die Machverhältnisse in der SVP zu kippen.
Noch deutlicher wird aber jener Mann, der am Montag auch die Gangart auf der SVP-Fraktionssitzung vorgegeben hat. Thomas Widmann, Gesundheitslandesrat und SVP-Wahlkampfleiter bei den vergangenen Landtagswahlen. Widmann, der durch seine abfälligen Äußerungen über Landeshauptmann Arno Kompatscher in den Fokus der öffentlichen Empörung geraten ist, führt jetzt jene Gruppe in der SVP an, die kurzerhand Opfer- und Täterrolle auf den Kopf stellen.
 

„Von langer Hand vorbereitet“

 
Das wird in einer schriftlichen Erklärung deutlich, die Thomas Widmann am Montagnachmittag an ausgewählte Medien verschickt hat. Salto.bz erhielt die Stellungnahme selbstredend nicht.
Widmanns Erklärung im Wortlaut:
 
„Die Inhalte der Audiodateien sind seit geraumer Zeit bekannt und waren sogar angekündigt. Ich habe meine Position mit dem Landeshauptmann bereits lange vor Erscheinen des Buches geklärt, und zwar in einem persönlichen Gespräch, damit war und ist die Sache für mich ausgeräumt.
 
 
Dass diese privaten Gespräche jetzt, mehr als drei Jahre später und aus dem Kontext gerissen, veröffentlicht werden, ist irreführend und schlicht und einfach nicht korrekt.
Der Verdacht liegt nahe, dass diese Aktion von langer Hand vorbereitet wurde mit dem Ziel innerparteiliche Machtspiele zu befeuern. Was bleibt: ein großer Schaden für unsere Partei."
Dass diese privaten Gespräche jetzt, mehr als drei Jahre später und aus dem Kontext gerissen, veröffentlicht werden, ist irreführend und schlicht und einfach nicht korrekt.
 
Es hat dieses Gespräch mit Widmann nie gegeben“, sagt Arno Kompatscher zu Salto.bz. Mehr will der Landeshauptmann derzeit nicht sagen.
Dass Widmanns Erklärungsmuster von der großen Mehrheit der SVP-Fraktion geteilt wird, wurde gestern auch auf der dreistündigen Krisensitzung deutlich. Dort griff man vor allem Gert Lanz und Jasmin Ladurner frontal an und debattierte über die Frage, ob man diese Abhörungen veröffentlichen kann. Man fabulierte auch über einen Putschversuch der Kompatscher-Anhänger.  Auf die Inhalte der abgehörten Telefonate oder die Enthüllungen im Buch ging man bewusst mit keinem Wort ein.
Die von der Parteiführung abgesegnete Gangart lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: „Privatgespräche und alte Suppe.
Genauso wie es Thomas Widmann in seiner Stellungnahme vorgegeben hat.
 

Privatgespräche mit Steuergeldern?

 
Es ist eine Lesart, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Vor allem wenn man sich die Umstände dieser „privaten Gespräche“ genauer anschaut.
Die Audiodatei, auf die sich Thomas Widmann in seiner Stellungnahme bezieht, ist ein Gespräch vom 26. November 2018 zwischen ihm und dem SAD-Eigner und -CEO Ingemar Gatterer. Der SVP-Landesrat in spe zieht dabei über Arno Kompatscher her und bezeichnet diesen als schlechtesten Landeshauptmann aller Zeiten.
 
 
 
Thomas Widmann ist zu diesem Zeitpunkt, Präsident des Südtiroler Landtages. Das Telefongespräch wird über den offiziellen Anschluss des Präsidentenbüros geführt. Es ist die Sekretärin des Landtagspräsidenten, die anruft und Gatterer mit Widmann verbindet.
Sehen so „private Gespräche“ aus? Und werden diese mit Steuergeldern bezahlt?
Es ist eine interessante Argumentation, die Thomas Widmann hier ins Feld führt. Aber auch der Vorwurf, dass die „Gespräche aus dem Kontext gerissen“ wurden, ist ein schlechtes Ablenkungsmanöver.
Das wird deutlich, wenn man den „Kontext“ des Widmann-Telefonates nachliefert.
 

„Fädle du das ein“

 
Die veröffentlichte Audiodatei ist genau 2.12 Minuten lang. Es ist nur der erste Teil des Telefongespräches. Das gesamte Telefonat zwischen Thomas Widmann und Ingemar Gatterer vom 26. November 2018 dauert insgesamt 6.33 Minuten.
Nach der Landeshauptmann-Beschimpfung ändert Thomas Widmann das Gesprächsthema und kommt zum eigentlichen Grund seines Anrufes beim SAD-Besitzer.
„Ich wollte dich nur fragen, ob du mir da helfen kannst“, sagt Widmann dabei zu Gatterer.
Der in Afing wohnhafte SVP-Politiker interveniert dann beim SAD-CEO für das Jenesinger Busunternehmen „Domanegg Reisen“.
 
 
Widmann führt aus, dass Besitzer Rudi Domanegg mit dem Präsidenten des „Konsortiums der Südtiroler Mietwagenunternehmer“ (KSM) Martin Plattner nicht auskomme und dieser deshalb einen Schulterschluss mit Gatterer suche. Thomas Widmann wörtlich:
 
„Ob du dich einmal mit ihm treffen kannst ..[…].. und ob du ihm vielleicht eine oder zwei Linien irgendwo da geben kannst.“
 
Thomas Widmann war von 2004 bis 2013 Landesrat für Mobilität. Er kennt deshalb nicht nur die gesamte Materie des Südtiroler Nahverkehrs bestens, sondern auch die Protagonisten. Der Landtagspräsident, gewählt als Übergangslösung bis zu Bildung der Landesregierung, interveniert hier für einen privaten Busunternehmer.
 
 
Ingemar Gatterer erklärt ihm daraufhin, dass das durchaus möglich und machbar sei. Doch im Hinblick auf die anstehende Ausschreibung des gesamten Südtiroler Nahverkehrs müsse sich Domanegg entscheiden, auf welcher Seite er stehe. Es gehe rein rechtlich nicht an, dass Domanegg Reisen einen Vertrag mit der SAD habe und gleichzeitig mit dem KSM gegen die SAD in die Ausschreibung gehe.
Auszug aus dem Telefongespräch:
 
Ingemar Gatterer: Er muss Farbe bekennen. Mir ist es egal, ob ich von diesen ganzen Diensten dem Rudi zwei Dienste gebe. Das ist mir wurscht.
Thomas Widmann: Ok. Super. Dann sage ich ihm: Er muss sich entscheiden. Soll er sich dann bei dir melden, oder wie tun wir?
Gatterer: Genau. Aber fädle du das ein. Ich mein, das ist ja politisch für dich. Net.
Widmann: Ja, ja.
Gatterer: Du ladest uns zwei ein und dann können wir das vor dir ausmachen.
Widmann: Super, mache ich. Danke dir. Und wir hören uns und sehen uns einmal. Ok.
 
Das ist der Kontext des Gesprächs. Nach der Beschimpfung des Landeshauptmannes folgt das Geschäft.
Aber all das ist natürlich streng privat.