„Grenzen des Wachstums überschritten“
Der Fischereiverband Südtirol macht nach der Unterzeichnung der Wassernotstandsverordnung im oberen Vinschgau letzte Woche durch Landeshauptmann Arno Kompatscher auf die schwerwiegenden Schäden für das Ökosystem aufmerksam. Die Unterzeichnung erlaubt es Bauern für die Frostberegnung, mehr Wasser aus dem Haidersee zu nutzen.
Die derzeitige Situation ist für den Verband ein Zeichen dafür, „dass der Obstbau in Südtirol bereits die Grenzen des Wachstums überschritten hat und nur noch auf Kosten und zum Schaden anderer Ökosysteme aufrechterhalten werden kann“. Bezüglich der Notverordnung verweist der Fischereiverband auf das übergeordnete öffentliche Interesse des Schutzes der Umwelt, das in Italien seit kurzem auch in der Verfassung verankert ist, und fordert eine rechtliche Prüfung des Vorgehens.
Wie es zum Wassernotstand kam
Der undichte Druckstollen am Reschenstausee führte nicht nur zu vollen Kellern und einem Stausee mit historisch niederem Wasserstand. Über diesen Druckstollen wird normalerweise auch das Wasser für die Frostberegnung der Apfelkulturen im oberen Vinschgau zur Verfügung gestellt.
Durch die sich nun verzögernden Arbeiten sitzen die Bauern bei Frost aber regelrecht auf dem Trockenen, denn Etsch und Zuflüsse führen durch den äußerst niederschlagsarmen Winter Niederwasser. Um die für die Frostberegnung notwendige Wassermenge bereitstellen zu können, will man nun im Notfall den Haidersee anzapfen und das Wasser direkt über die Etsch ablassen.
Wasserentnahme aus dem Haidersee
Dazu wurde bereits Ende Februar ein „Probelauf“ unternommen, von dem die betroffenen Fischereibewirtschafter nur einen Tag vorher informiert wurden. Bereits bei den abgeleiteten knapp 5.000 Litern pro Sekunde zeigten sich große Probleme durch die starke Erosion der Uferbereiche.
Ein Großteil der heurigen Fischbrut wird ausfallen, Fischnährtiere minimiert, die Gewässerstruktur degradiert.
Die Verordnung erlaubt es, mit entsprechender Vorlaufzeit eine zusätzliche Wassermenge von bis zu 6.000 Liter pro Sekunde aus dem Haidersee in die Etsch abzulassen. Die Etsch, die normalerweise in diesem Bereich keine 400 Liter pro Sekunde führt, verwandelte sich bei dem Probelauf in eine braune, nach Erde und Mist stinkende Brühe.
Laut Einschätzung des Amtes für Jagd und Fischerei kann davon ausgegangen werden, dass bereits die Folgen des Probelaufes (während der sensiblen Phase der Entwicklung der Fischeier) für den rund neun Kilometer langen Etschabschnitt verheerend waren.
„Ein Großteil der heurigen Fischbrut wird ausfallen, Fischnährtiere minimiert, die Gewässerstruktur degradiert“, prognostiziert der Fischereiverband. „Ob die Durchführung eines solchen Probelaufes ohne entsprechendes Genehmigungsverfahren überhaupt rechtens war, ist fraglich und somit zu klären,“ fordert er.
Negatives Gutachten für riskante Vorgehensweise
Die Dienststellenkonferenz im Umweltbereich hat in ihrer Sitzung vom 11. März dem Ansinnen, bis zu 6.000 Liter pro Sekunde für die Frostberegnung aus dem Haidersee in die Etsch zu leiten, ein negatives Gutachten erteilt: Das geplante Ablassen des benötigten Wassers aus dem Haidersee würde talseits einen enormen Schwall verursachen und die Entwicklungsphase der Fischeier dramatisch beeinträchtigen, sodass von einem Totalausfall des diesjährigen Jahrgangs des Fischbestandes in diesem Gewässerabschnitt ausgegangen werden muss.
Hohe Nachfrage nach Wasser
In Summe haben die Apfelanlagen in den letzten Jahrzehnten landesweit zugenommen, während die tatsächliche Wasserverfügbarkeit gesunken ist, da die wachsende und wohlhabendere Bevölkerung mehr Wasser verbraucht und zudem die Verfügbarkeit des kostbaren Nass‘ über das Jahr stärker schwankt als in Vergangenheit. Der dadurch gestiegene Druck auf die Gewässer, vor allem während der Frostperiode, manifestiert sich in „überkonzessionierten“ Gewässern, in welchen die Ausleitungsmenge auf dem Papier die natürliche Wasserführung oft übertreffe, so der Fischereiverband.
Aus seiner Sicht wäre es für alle Beteiligten und vor allem für die Gesellschaft vernünftiger, gewissenhaft zu prüfen, ob das für die Frostberegnung notwendige Wasser überhaupt vorhanden ist: „Denn die Freiheit in der Wahl des landwirtschaftlichen Anbaues muss dort enden, wo natürliche Ressourcen über Gebühr strapaziert werden oder schlicht nicht verfügbar sind. Dabei kommt den zuständigen Behörden eine besondere Verantwortung zu, denn sie verwalten das öffentliche Wassergut.“
Der Umweltschutz wurde in der
Der Umweltschutz wurde in der italienischen Verfassung verankert: „Die Republik schützt die Umwelt, die Biodiversität und die Ökosysteme, auch im Interesse künftiger Generationen“. Unter dieser Voraussetzung muss der Schutz der Tierwelt, also auch der Fische, Vorrang haben vor dem Schutz einer rücksichtslos wuchernden Monokultur.