Politik | Aus dem Blog von Lorenz Gallmetzer

Merkel gibt Renzi eine Chance

Ja, Matteo Renzi ist anders. Dass er bei seinem ersten Auftritt auf dem roten Teppich in Berlin seinen etwas zu eng gewordenen Mantel auch noch falsch zugeknöpft hatte, verstärkt seine Aura als „Normalbürger“ – ein menschliches Hoppala, das ihn sympathisch macht.

Schon weniger sympathisch kann man das überzogene Selbstbewusstsein des italiensichen Premiers finden, wenn er zum Beispiel vor seiner Berlin-Reise im Hinblick auf die italienische EU-Ratspräsidentschaft ab Juli verkündet: "Vogliamo guidare l'Europa non per sei mesi nel semestre di presidenza, ma per i prossimi 20 anni e se ce la faremo daremo ai nostri figli un'Europa diversa".

Auf jeden Fall ist die Berliner Charme-Offensive des rührigen Premiers erfolgreich gewesen. Angela Merkel zeigt sich „beeindruckt“ von den geplanten Strukturreformen Renzis und spricht vom „halb vollen Glas“, das die neue italienische Regierung nach oben füllen will. Und auch der gestrenge Budget-Hüter Deutschlands und Europas Wolfgang Schäuble gibt nach einem ausführlichen Gespräch mit Renzis Mann für die Wirtschaft, Pier Carlo Padoan, den italienischen Vorhaben sein OK.

Schon auf seinem Heimflug nach Rom am späten Abend gab sich Renzi überzeugt: Ja, wir können unseren Schuldenrahmen ausweiten. Dabei hatten die deutsche Kanzlerin und Schäuble wiederholt betont, dass sie „überzeugt“ seien, dass Italien weiterhin die vorgegebenen Grenzen von Maastricht und des Stabilitätspaktes nicht überschreiten und am Abbau des Staatsschuldenberges arbeiten werde.

Toleranz bei Neuverschuldung

Zugleich hat Berlin Renzi offenbar zugestanden, dass er bei der Neuverschuldung anstatt der von der EU für Italien vorgegebenen 2,6% des Bruttosozialproduktes schon bis auf 2,8% gehen könne. Das sind immerhin 30 Milliarden im Jahr. Außerdem will Renzi die noch immer nicht verwendeten Gelder aus den EU-Entwicklungsfonds mobilisieren. Dabei muss Italien jeweils 50% der Finanzierung selbst beitragen.

Diesen Eigenbeitrag möchte Renzi nun aus der Berechnung des Defizits ausnehmen. Zusammen würde dieser Bilanztrick noch einmal 30 Milliarden ausmachen. Merkel und Schäuble scheinen diesbezüglich „nachsichtig“ sein zu wollen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die angekündigten umfassenden und teils radikalen Reformen des Staatsapparats und des Arbeitsmarktes ernst und zügig umgesetzt werden.

Zu dieser Milde beigetragen hat sicher, dass Renzi die deutsche Reform des Arbeitsmarktes (Agenda 2010 und Hartz IV Gerhard Schröders) als vorbildhaft bezeichnet hat. Fazit: Vom Impetus und dem Reformwillen des neuen Machers beeindruckt, will Berlin dem unkonventionell-sympathischen neuen Partner in Rom eine echte Chance bieten – sofern er seine Ankündigungen auch in Taten umzusetzen versteht.

0,2% von einem BIP à 1.500 Mrd. € dürften aber nicht mehr als 3 Mrd. sein, 30 Mrd. bleiben leider ein Wunschtraum dieser Regierung...!

Di., 18.03.2014 - 14:38 Permalink

Monti, Letta, Renzi, ... Merkel und Schäuble pflegen immer den selben Ritus beim Antriebsbesuch. Mit einer Hand greifen sie sich auf die Stirn, mit der zweiten kreuzen sie die Finger und mit der dritten und der vierten schütteln sie die Hände des gerade aktuellen Kandidaten. Echt nett, dass sie zum diplomatischen Lächeln auch noch optimistische Worte finden.

Di., 18.03.2014 - 14:44 Permalink