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Hol das Millionen-PPP-Bällchen!

Was ist dran an den Gerüchten rund um das PPP-Projekt Cura Resort? Bereichern sich Privatunternehmen auf Kosten der Allgemeinheit? Oder wird viel Lärm um nichts gemacht?
Pflegezentrum St. Antonius
Foto: Pitsch Stiftung
„Das ist ein Interessenkonflikt!“ Mit diesen Worten ließ Landesrat Thomas Widmann aufhorchen, als er bei der Sondersitzung Anfang April, in der es um die Zukunft der Regierung Kompatscher ging, im Verteidigungsmodus sich auf Partei-Vizeobmann Karl Zeller einschoss und sowohl dessen Spendensammeltätigkeiten für Unternehmer kritisierte, für welche er gleichzeitig PPP-Projekte einreichte, als auch auch seine Anwalts-Tätigkeit für Landeshauptmann Arno Kompatscher. Nachdem Widmann diese Tatsache des Öfteren intern angesprochen habe, sei er über Zeitungsberichte angegriffen worden. „Hier gibt es einen eindeutigen gezielten Zusammenhang“, so Widmann, der sich in der Opferrolle sah und gleich auch ein Beispiel dieser dunklen Machenschaften nannte: das PPP-Projekt „Cura Resort“ in Meran.
 
Hier gibt es einen eindeutigen gezielten Zusammenhang.
 
„Ich bin als Sanitätslandesrat mit zuständig für dieses Projekt und wurde in den vergangenen drei Jahren nicht ein einziges Mal von Karl Zeller und der Unternehmergruppe aus Meran kontaktiert oder zu Rate gezogen“, kritisierte der Landesrat, der anschließend hohe zweistellige Millionenbeträge nannte, die „im Hinblick auf den Rechnungshof schwierig“ sein dürften.
Hat Landesrat Widmann der Journalisten-Meute irgendwelche horrende Millionenbeträge zum Fraß vorgeworfen hat – nach dem Motto „Hol das Millionen-PPP-Bällchen“, um von seiner traurigen Rolle in der SAD-Affäre und in den Abhörprotokollen abzulenken? Oder ist doch etwas dran an der Geschichte?
 
 
 
 

PPP-Projekt „Cura-Resort“

 
Die Geschichte beginnt mit dem St. Antonius-Pflegeheim in Meran. Das ehemalige Hotel aus den 20er Jahren wurde vom Land angekauft und der Gemeinde als Altenheim zur Verfügung gestellt. Seit 1999 wird es von der laizistischen Pitsch-Stiftung geführt. Die Struktur, in der vor allem schwer pflegebedürftige Menschen betreut werden, verfügt über 72 Betten. Das Hotel befindet sich zwar in einer außerordentlich schönen Lage, ist aber aufgrund der architektonischen Eigenheiten als Pflegeheim denkbar ungeeignet. Um das Gebäude dennoch gemäß der sicherheitstechnischen Richtlinien und Brandschutzbestimmungen nutzen zu können, wurden mehrere Vorschläge über Zubauten und Umbauarbeiten eingereicht, erklärt Stadtrat Stefan Frötscher, zuständig unter anderem für Wohnbau und Soziales, Salto.bz gegenüber und beschreibt das Problem folgendermaßen: „Es musste etwas unternommen werden, um das Gebäude brandschutztechnisch auf den neuesten Stand zu bringen. Die Kosten dafür wurden allerdings auf 12 Millionen Euro – inklusive Umbauarbeiten – geschätzt.“ Zudem wäre es trotz Sanierung nicht möglich gewesen, eine Bettenaufstockung vorzunehmen.
 
Es musste etwas unternommen werden.
 
Nach ersten Gesprächen über die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen hat die seinerzeit zuständige Sozial-Landesrätin Martha Stocker entschieden – in Anbetracht der Kosten und des Zeitdruckes–, dass nach Alternativen gesucht und ein Neubau bzw. ein PPP-Projekt ins Auge gefasst werden sollte. Die Pitsch-Stiftung sollte auf Wunsch der Gemeinde Meran wiederum die Führung des neuen Heimes übernehmen, „schließlich ging es nicht nur um die 72 Heimbewohner, sondern auch um die rund 68 Pflegekräfte“, so Frötscher. Als Standort für das neue Heim wurde der Parkplatz neben dem Franz-Tappeiner-Spital auserkoren – es handelt sich dabei um mehrere Bauparzellen, die sich alle im Besitz der Provinz befinden. In der Zwischenzeit sollte, was die Anpassung der Brandschutzbestimmungen im Pflegezentrum St. Antonius betrifft, ein Aufschub gewährt bzw. eine Übergangsgenehmigung erteilt werden.
 
 
 

Das Projekt kommt ins Rollen

 

Wie aus dem Protokoll Nr. 66645 der Dienststellenkonferenz vom 20.11.2020 hervorgeht, hat die Landesregierung im November 2017 beschlossen, ein Projektfinanzierungsverfahren für den Bau und die technische Führung eines neuen Seniorenwohnheims in der Gemeinde Meran einzuleiten, wobei dem Privaten als öffentliche Gegenleistung ein im Eigentum der Provinz befindliches Grundstück in der Cavourstraße Nr. 12 in Meran, nämlich das Pflegezentrum St. Antonius, abgetreten wird. „Die Gemeinde hat einer Umwidmung in eine Wohnbauzone bereits zugestimmt mit der Auflage, dass die Kubatur nicht erweitert werden darf“, so Frötscher.
Im September 2018 hat die Landesvergabeagentur (AOV) erstmals im Auftrag der Landesregierung einen öffentlichen Aufruf an die Wirtschaft getätigt, PPP-Projekte (Public-private-Partnership) einzureichen. Unternehmen sollten sogenannte Win-Win-Konzepte für ein neues Langzeitpflegeheim in Meran vorlegen, dieses bauen und für einen bestimmten Zeitraum das Gebäude samt Energieversorgung und Instandhaltung betreiben. Die Ausschreibung sah den Bau von 100 Betten vor – eine Erhöhung der Bettenzahl sollte zu einem späteren Zeitpunkt ohne allzu große Eingriffe möglich sein. Im Projekt sollten weiters 45 Parkplätze für das Heim und weitere 120 Parkplätze, die dem Krankenhaus zur Verfügung stehen sollten, vorgesehen werden. Als Stichtag für die Eröffnung wurde der 22. April 2022 festgeschrieben – ein Datum, zu dem wir später noch kommen werden.
 
 
 

 

Nur ein Vorschlag

 
Der einzige Projektfinanzierungsvorschlag, der bis zum Ablauf der Frist am 28. Jänner 2019 einlangte, war jener der Volcan GmbH (Gruppenbeauftragte) und Veba Invest GmbH. Das Projekt trägt den Namen „Cura Resort“. Im März desselben Jahres ersuchte die Dienststellenkonferenz, die oberirdischen Parkplätze abzuschaffen und eine zweite unterirdische Parkebene zu errichten. Die Antwort der Anbieter fällt positiv aus – die Kosten für diese Variante werden allerdings auf rund fünf Millionen Euro geschätzt. Ein weiterer Wunsch, der an die Anbieter herangetragen wurde, stammte vonseiten des Gesundheitsbezirkes Meran und betraf die Renovierung eines Gebäudes in der Goethe-Straße.
Nach Überprüfung der Vorgaben reichten die Anbieter im März 2020 eine überarbeitete Fassung der gesamten Dokumentation ein, die wiederum begutachtet werden musste.
In der Abschlusserklärung der Dienststellenkonferenz vom 20. November 2020 ist festgehalten, dass die Prüfung des von Volcan GmbH und Veba Invest GmbH gemeinsam auf Privatinitiative eingereichten Projektfinanzierungsvorschlags „Cura Resort“ abgeschlossen wurde. Das finale Projekt sieht den Bau, die technische Instandhaltung und die Einrichtung eines neuen Seniorenwohnheims sowie den Bau und die technische Instandhaltung eines dreistöckigen Parkhauses, von denen zwei Stöcke unterirdisch liegen, vor. Die neue Struktur wird über 100 Betten verfügen sowie über knapp 700 Autoabstellplätze.
Weiters wird erklärt, dass, obwohl die Frist vom 20. April 2022 nicht eingehalten werden kann, das öffentliche Interesse an der Durchführung bestehen bleibt.

 

Zahlenspiele

 

Mitte Februar veröffentlichte das Tagblatt Dolomiten eine Liste mit 15 PPP-Projekten, die seit 2019 eingereicht wurden. Die Informationen dazu stammen aus der Beantwortung einer Anfrage von Andreas Leiter Reber, Obmann der Freiheitlichen, die er im September 2019 an den Landtag stellte. Aus der Antwort, die er rund einen Monat später erhielt, geht hervor, dass die Kosten für das Projekt „Cura Ressort“ mit rund 48,3 Millionen Euro beziffert werden. Widmann erklärte auf der Sondersitzung im Landtag jedoch, dass „die Privaten 93 Millionen Euro für das Projekt haben“ wollen, wobei rund 24 Millionen Risiko-Investitionen seien und das Land 76 Millionen Euro beisteuern müsste. Wie das Amt für Vermögensverwaltung auf Nachfrage bestätigte, sind jene Zahlen aktuell und korrekt, die im bereits genannten Protokoll der Dienstellenkonferenz aufscheinen. Darin heißt es, dass die Unternehmergruppe bzw. der Anbieter einen öffentlichen Beitrag in der Bauphase in Höhe von insgesamt 25,86 Millionen Euro (ohne Mehrwertsteuer) beantragt, was 43,24 Prozent der Investitionen entspricht (ohne Kosten für die finanzielle Strukturierung). Diese Summe setzt sich aus der Übertragung des Oberflächenrechts über die Baufläche für einen Zeitraum von 28 Jahren zusammen, elf Millionen Euro in bar (ohne Mehrwertsteuer) sowie 10,06 Millionen Euro aus dem Verkauf des St. Antonius Kompendiums. Insgesamt dürfte sich die Investitionssumme also auf rund 59,81 Millionen Euro belaufen, zuzüglich aller weiterer Spesen auf über 70 Millionen Euro. Bei jenen 24 Millionen Euro, die Widmann in seiner Rede angesprochen hat, handelt es sich um den sogenannten „Risikoaufschlag“, der bei solchen Bauten zum Tragen kommt und welche die Investoren zu tragen haben. Allerdings ist im Angebot der Investoren nicht der volle Risikoaufschlag inkludiert, sondern das Angebot beläuft sich auf knapp 94 Millionen Euro: eine Win-Win-Situation für beide Seiten.
 
 

„Wir hängen in der Luft“

 

Im öffentlichen Aufruf zur Einreichung eines Projektes spielt die Frist 22.04.2022, bis zu der das neue Heim fertiggestellt sein sollte, eine entscheidende Rolle – an diesem Tag verfällt nämlich die brandschutztechnische Genehmigung für das Pflegezentrum St. Antonius. Wie Walter Schweigkofler, Präsident der Pitsch-Stiftung auf Nachfrage von Salto.bz erklärte, verfüge man zwar über die nötige Akkreditierung zur Führung der Struktur, allerdings sind aufwändige bauliche Eingriffe nötig, um weiterhin mit dem in die Jahre gekommenen Haus den Brandschutznormen gerecht zu sein. „Einen guten Teil dieser Eingriffe haben wir bereits durchgeführt bzw. werden derzeit abgeschlossen“, so Schweigkofler. Laut Stadtrat Frötscher belaufen sich die Kosten für das 1. Sanierungslos auf  972.000 Euro.

 
De facto wurde noch keine Entscheidung getroffen und wir kennen auch keinen Zeitplan.
 
Das zuständige Amt für Brandverhütung hat daraufhin eine Verlängerung (proroga) der brandschutztechnischen Genehmigung bzw. Konformitätserklärung in Aussicht gestellt, so Schweigkofler. Die Entscheidung darüber wird in den nächsten Tagen fallen. Allerdings sind solche Verlängerungen befristet – in diesem Fall bis zum Bezug einer neuen Struktur. Wollte man St. Antonius noch für längere Zeit nutzen – sprich zehn bis 30 Jahre – müssten noch größere und entsprechend aufwändigere Anpassungsmaßnahmen durchgeführt werden, um die geltenden Brandschutzbestimmungen einzuhalten. 
„Laut unseren Informationen hat die Dienststellenkonferenz ihre Arbeit abgeschlossen und einen positiven Entscheid zum PPP-Projekt Cura Resort abgegeben. Der Ball liegt nun bei der Landesregierung, welche die politische Entscheidung treffen muss, ob sie dieses Projekt durchziehen will oder nicht“, so der Präsident der Pitsch-Stiftung. Zwar habe es geheißen, dass das Projekt demnächst auf die Tagesordnung kommen sollte, „de facto wurde noch keine Entscheidung getroffen und wir kennen auch keinen Zeitplan. Wir hängen sozusagen in der Luft“. 
 

 

Sperrfeuer

 

Mitte Jänner verschickten die Freiheitlichen eine Pressemitteilung, in der sie absolute Transparenz und Überparteilichkeit bei den PPP-Projekten einforderten. In der Unterüberschrift wurde auch gleich die Frage nachgereicht: „Hilft Parteinähe zur SVP bei millionenschweren bei Verträgen zwischen Land und Privatunternehmern?“ Wer damit gemeint ist, lässt sich unschwer erraten. Der „Tintige“ – sprich Karl Zeller – wird dann auch gleich namentlich erwähnt. So heißt es, dass allein die Hälfte, der seit 2019 eingereichten Projekte von der „Veba Invest GmbH“ vorgelegt wurde, die vom SVP-Politiker und Ex-Senator Karl Zeller beraten wird. Abschließend forderten die Freiheitlichen von Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Landesverwaltung absolute Transparenz. Weiters verlangten sie die Offenlegung sämtlicher PPP-Projekte und Auskunft über den Stand der internen Verfahrensabläufe. „Dass Karl Zeller oder andere Lokalpolitiker sich womöglich ihre Parteifunktion, ihren Draht zur Landesregierung oder ihr Mandat zur Verfolgung von Privatinteressen zu Nutze machen, muss absolut ausgeschlossen werden können“, so Andreas Leiter Reber.
 
Dass Karl Zeller oder andere Lokalpolitiker sich womöglich ihre Parteifunktion, ihren Draht zur Landesregierung oder ihr Mandat zur Verfolgung von Privatinteressen zu Nutze machen, muss absolut ausgeschlossen werden können.
 
Warum die „olle Kamelle“ aus dem Jahr 2019 von den Freiheitlichen ausgegraben und gerade zu diesem Zeitpunkt zum Thema gemacht wurde, ist höchst interessant. Bereitwillig griff nämlich die Medienlandschaft – allen voran das Tagblatt der Südtiroler – den angeblichen Interessenkonflikt zwischen Zeller, Investoren und Landeshauptmann Kompatscher auf, der im „Spendenskandal“, auch als Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Skandal, nämlich der SAD-Affäre samt zugehöriger Abhörprotokolle, bekannt, seinen Höhepunkt fand.
Fakt ist, dass die Pitsch-Stiftung und die Gemeinde Meran seit Jahren auf die Genehmigung und den Bau des neuen Heimes warten, während in der Zwischenzeit Unsummen in die brandschutztechnische Anpassung von St. Antonius investiert werden mussten. Böse Zungen behaupten, wäre hier tatsächlich Freunderl- und Vetternwirtschaft im Spiel, wäre Cura Resort längst schon in Betrieb. Denn angeblich besteht der größte Vorteil von PPP-Projekten in der raschen Umsetzung.
 

Nicht zuständig

 
Die Entscheidung für oder gegen das PPP-Projekt „Cura-Resort“ liegt also nun bei der Landesregierung. Wie aus Politikerkreisen zu hören ist, wurde sie bereits mehrere Male verschoben – die Negativ-Schlagzeilen über die angeblich unseriösen Machenschaften von Karl Zeller und seine Beratertätigkeit in Sachen PPP-Projekte für die Veba Invest GmbH dürften nicht dazu beigetragen haben, das Projekt schnellstmöglich auf die Tagesordnung zu setzen.
„Vor rund einem Monat war Landeshauptmann Arno Kompatscher auf Besuch bei der Stadtregierung und hat bei dieser Gelegenheit seine volle Unterstützung bei der Umsetzung des PPP-Projektes Cura-Resort erklärt“, so Stadtrat Frötscher, der das neue Pflegezentrum für eine vernünftige und tolle Lösung hält. Widerstand könnte jedoch aus dem Ressort für Soziales kommen. Zwar ist das Projekt auf dem Schreibtisch von Martha Stocker entstanden, allerdings ist Landesrätin Waltraud Deeg nicht unbedingt als Freundin von PPP-Projekten bekannt. Auf Nachfrage wurde mitgeteilt, dass man für das Projekt „Cura Resort“ nicht zuständig sei, was auch korrekt ist: Die Zuständigkeit für das PPP-Projekt liegt bei Vermögenslandesrat Massimo Bessone.