Gesellschaft | Autonomie
1. Silvius-Magnago-Preis verliehen
Foto: Silvius Magnago Akademie
Eigentlich hätte die erste Verleihung des mit 5.000 Euro dotierte Silvius-Magnago-Preises bereits 2020, anlässlich des 10. Todestages des Gründervaters der Autonomie und des Namensgebers sowohl der Akademie als auch des von ihr verliehenen Preises, stattfinden sollen. Die Corona-Pandemie machte diesem Vorhaben jedoch einen Strich durch die Rechnung, wie Professor Walter Obwexer, Vorsitzender des Akademierates, in seiner Rede erklärte. Die Silvius-Magnago-Akademie hat sich die politische Bildung der Bürger zum Ziel gesetzt, im besonderen Fokus steht dabei die Südtirol-Autonomie. Bereits im Jahre 2019 hat der Akademierat beschlossen, einen Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten zu vergeben, die sich in rechtlicher, wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher, soziologischer und kultureller Hinsicht mit Südtirol auseinander setzen. Der Preis ist nicht auf Südtiroler beschränkt, sondern steht allen offen, die sich mit Südtirol intensiv beschäftigen und einen Beitrag dazu leisten, das Land und seine Autonomie weiter zu entwickeln sowie in die Zukunft zu begleiten.
Damit besteht die völkerrechtliche Pflicht Italiens, diese Kompetenzen wieder herzustellen.
Die eingereichten Arbeiten wurden von einem sechsköpfigen Gremium begutachtet, einvernehmlich ist man zur Entscheidung gelangt, Matthias Haller für seine Dissertation über den Südtiroler Minderheitenschutzsystem auszuzeichnen, so Obwexer. Inhaltlich geht die Arbeit unter anderem auf die Entwicklung der Autonomie seit der Streitbeendigung im 1992 ein und hier insbesondere auf die Kompetenzen. Es habe sich herausgestellt, so Obwexer, dass Südtirol zwar einige Kompetenzen hinzugewonnen habe, aber weit mehr verloren gegangen seien. Damit bestehe die völkerrechtliche Pflicht Italiens, diese Kompetenzen wieder herzustellen. Haller habe in seiner Arbeit auf Grundlage des Völkerrechts und des Verfassungsrechts dargelegt, wie die Herstellung dieser Kompetenzen erfolgen könnte.
Der Preisträger Matthias Haller nahm die Auszeichnung mit großer Freude entgegen und richtete seinen Dank sowohl an die beiden Begutachter seiner Dissertation, Prof. Obwexer und Prof. Happacher, als auch an die Silvius-Magnago-Stiftung, welche ihm die Arbeit an dem über 600 Seiten starken Werk ermöglicht hatte. Das Minderheitenrecht werde darin beinahe in seiner gesamten facettenreichen Komplexität dargestellt, so Haller in seiner Rede. Dargelegt sei darin auch das komplexe Zusammenspiel von Verfassungsrecht und Völkerrecht. „Das Buch geht auch auf einige neue Fragen ein“, erklärte der Preisträger und nannte als Beispiel die Wiederherstellung jener Teile der Autonomie, die heute nicht mehr den Standards von 1992 entsprechen.
Das heißt nicht, dass die halbe Autonomie verloren gegangen ist – bei weitem nicht.
Wie aus dem Guachten der beiden Professoren Obwexer und Happacher und der Dissertation über den Minderheitenschutz hervorgeht, wird in der Hälfte der Kompetenzbereiche, für die Südtirol zuständig ist, der Standard von 1992 nicht mehr erreicht. „Das heißt nicht, dass die halbe Autonomie verloren gegangen ist – bei weitem nicht“, so Haller. Aber es gebe einige Kompetenzbereiche, in denen das Land Südtirol heute einige Aspekte weniger autonom regeln könne. Die Verfassungsreform, die 2003 in Kraft getreten ist, hat dem italienischen Staat sehr weitreichende Kompetenzen gegeben, wie beispielsweise im Bereich des Wettbewerbs- oder Umweltschutzes. Vor diesem Hintergund werden im Buch konkrete Vorschläge aufgezeigt, wie diese eingeschränkten Autonomierechte wieder saniert werden könnten.
Meisterwerk Südtiroler Autonomie
Die große Bedeutung des Silvius-Magnago-Preises haben Landeshauptmann Arno Kompatscher und SVP-Obmann Philipp Achammer in ihren Grußworten unterstrichen. Landeshauptmann Kompatscher sprach dabei dem Preisträger ein großes Kompliment für dessen wissenschaftliche Arbeit über das „Meisterwerk“ Südtiroler Autonomie aus. „Ein wissenschaftliches Fundament ist notwendig, nicht nur um der breiten Öffentlichkeit unsere Autonomie erklären zu können“, betonte der Landeshauptmann. Die Südtiroler Autonomie sei als dynamisches Regelwerk konzipiert worden, das sich den immer neuen Herausforderungen anpassen müsse. Hier könne die wissenschaftliche Betrachtung helfen, die richtigen Lösungswege zu finden.
Magnago war ein Politiker, den es um nichts weniger als Gerechtigkeit ging.
Martha Stocker, Historikerin und Präsidentin der Silvius-Magnago-Stiftung, ging in ihrer Rede auf den Namensgeber und dessen Lebenswerk ein. „Magnago war ein Politiker, den es um nichts weniger als Gerechtigkeit ging. Das sei in jener Zeit nicht selbstverständlich gewesen“, so Stocker. Für diese Gerechtigkeit habe er mit all seinem Einsatz und seinen Fähigkeiten gekämpft. Dazu zählte nicht nur sein Verhandlungsgeschick – er konnte so lange verhandeln, bis nichts mehr herauszupressen war. Andererseits besaß er auch die Fähigkeit zu erkennen, wann der der richtige Zeitpunkt für eine Entscheidung gekommen war. „Silvius Magnago war ein wissenschaftlich präzise arbeitender Politiker“, so Stocker. Matthias Haller verdiene es zurecht, als erster mit dem Wissenschafts-Preis, der den Namen Magnagos trägt, ausgezeichnet zu werden.
Der Akademierat setzt sich aus Walter Obwexer (Vorsitzender), Evelyn Kirchmaier, Rosmarie Pamer und Karl Zeller zusammen. Als Geschäftsführer zeichnet Ulrich Mayer verantwortlich.
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Acht-samkeiten sind auch hier
Acht-samkeiten sind auch hier gefragt.
Bei "Einschränkungen (von) rund 50 Prozent der Landeskompetenzen", einer Aushöhlung kurzum zu 1946-1992, die nun in einer (validen und anerkannten) Forschungsarbeit von Matthias Haller auch akademisch nochmal festgestellt worden ist, zeigt einmal mehr, dass (längst) Handlungsbedarf besteht. Eigentlich schon seit 1992. Denn weder das ständige Aushandeln von Selbstbestimmung und Ausgestalten noch Demokratie kann man pausieren. (Ulrike Guérot)