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Die Auftragsschreiber

Seit Monaten fährt ein österreichisch-deutsches Onlineportal eine Kampagne gegen Arno Kompatscher. Wer steckt hinter dem digitalen Magazin „alpenmag“? Eine Spurensuche.
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Foto: Alpenmag
Die „Medienanfrage“ kommt zu einem Zeitpunkt, als noch kaum jemand ahnt, was rund zwei Monate später passieren wird. Am 28. Jänner 2022 trudelt bei Artur Oberhofer eine Mail ein.
 
„Sehr geehrter Herr Oberhofer,
ich bin Chefredakteur des digitalen Magazins ALPENmag und Journalist in Deutschland. Ich melde mich, weil ich gehört habe, dass das Buch von Christoph Franceschini über die SAD-Affäre in Ihrem Verlag erscheint. Das Thema finde ich sehr spannend. Gibt es schon einen Veröffentlichungstermin? Und weitere Details zum Buch?
Beste Grüße Torsten Fricke
Chefredaktion ALPENmag.at“
 
Darunter der Werbespruch: „Das digitale Magazin für die schönste Region der Welt“.
Die erste Reaktion: Alpenmag? Noch nie etwas von diesem „digitalen Magazin“ gehört.
Ein Klick auf die angegebene Adresse (dabei wird man auf alpenmag.de umgeleitet) vergrößert das Unbehagen. Das „digitale Magazin“ ist ein Sammelsurium an Pressemitteilungen, PR-Artikeln und recht obskuren Geschichten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und sogar aus Frankreich. Als Redaktionsanschrift werden eine Adresse in Wörgl und ein Büro in München angegeben.
 
 
Dass diese Anfrage Verwunderung und Misstrauen auslöst, liegt daran, dass zu diesem Zeitpunkt nur eine Handvoll Leute über das Buch „Freunde im Edelweiss“ Bescheid wissen. Vor allem aber kann zwei Monate vor dem Erscheinungstermin niemand - außer die Betroffenen - die politische Sprengkraft des Enthüllungsbuches abschätzen.
Für die Autoren ist deshalb schnell klar, dass mit dieser Anfrage eines deutschen Journalisten etwas nicht stimmt. „Gilt noch Sperrfrist. Lg Oberhofer“, lautet die kurze Antwort noch am selben Tag.
Doch Torsten Fricke lässt nicht locker. Vier Tage später folgt eine weitere Mail. Diesmal richtet sich der Alpenmag-Chefredakteur unter dem Betreff "Medienanfrage SAD-Affäre" direkt an den Autor dieser Zeilen:
 
„Hallo Herr Franceschini,
ich melde mich als Chefredakteur des digitalen Magazins ALPENmag und als Journalist in Deutschland. 
Ich habe gehört, dass Sie ein interessantes Buch über die sogenannte SAD-Affäre schreiben. Das Thema dürfte auch außerhalb Südtirols für Aufsehen sorgen.  Wissen Sie schon, wann Ihr Buch erscheint? Oder können Sie uns Ihren Verlag nennen, dann fragen wir dort nach.“
 
Weil Torsten Fricke keine Antwort bekommt, meldet er sich mehrmals auf dem Handy des Autors. In den Fricke-Mails ist dessen Mobilnummer angegeben. Nach dem dritten fehlgeschlagenen Versuch des „Diplom-Journalisten“ rufe ich ganz bewusst zurück. Meine Antwort auf seine Fragen: Es sei mir vertraglich untersagt, Auskünfte jedweder Art zu erteilen. Gleichzeitig erlaube ich mir aber die Frage, woher Fricke meine Mobilnummer habe und vor allem woher die Informationen zum angeblich in Vorbereitung befindlichen Buch zur SAD-Affäre stammen. „Ich habe Kontakte nach Südtirol, etwa zu den Dolomiten“, so die freundliche, aber nichtssagende Antwort des Starnberger Journalisten.
Danach wird es wieder ruhig um Torsten Fricke.
 

Die Schlern-Connection

 
Auf der Homepage von „Alpenmag“ gibt es seit langem einen eigenen Bereich über Südtirol. Darin fanden sich bis vor kurzem ausschließlich Pressemitteilungen und Artikel zu Tourismus-, Wirtschafts- und Gesellschaftsthemen. Vom Schüttelbrot selber machen, über die schönsten Wanderwege bis hin zum „Bergschuh für das gute Gefühl“ oder zum Radrennen „Bike Transalp“. Das digitale Magazin für die schönste Region der Welt ist ein Wohlfühlorgan. Bis zum 8. März 2022.
 
 
Am 8. März 2022 aber, zehn Tage vor Erscheinen des Buches „Freunde im Edelweiss“, lässt alpenmag den sogenannten Spendenskandal platzen. Unter dem Titel „Ötzi und der Spendensumpf – neuer Wirbel um Arno Kompatscher“ heißt es:
 
„In Südtirol gärt eine Spendenaffäre. Mittendrin: Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) und der Statthalter des Immobilienmilliardärs René Benko. Was kommt dabei noch alles ans Tageslicht?“
 
Was danach folgt, ist eine vierwöchige Medienkampagne gegen den Südtiroler Landeshauptmann. Dabei bekommen auch all jenen Protagonisten ordentlich ihr Fett ab, die man der Kompatscher-Seilschaft zuordnet. Von René Benko und Heinz Peter Hager über Karl Zeller und Patrick Bergmeister bis zu Martin Ausserdorfer oder Hartmann Reichhalter.
Torsten Fricke & Co entdecken über Nacht den investigativen Journalismus. Im Wochentakt schlagen danach mediale Böller ein.
 
 
Maskenaffäre, Parteispenden, Hausdurchsuchungen, Spezlwirtschaft, René Benko, Ötzi, Ausverkauf von Bozen  – wenn diese Stichworte in den Berichten der Südtiroler Medien auftauchen, wird ein Name regelmäßig genannt – der von Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (Südtiroler Volkspartei, SVP).“, heißt es in einem weiterem Artikel.
Unter dem Titel „Fragen an Kampatschers (so im Original) Mann fürs Grobe – doch Karl Zeller schweigt“ versucht man wenig später den SVP-Vizeobmann zu filettieren.
Am 27. März 2022 titelt alpenmag „Parteispenden: Es wird eng für LH Arno Kompatscher“, und Ende März wird der bevorstehende Rücktritt des Südtiroler Landeshauptmannes herbeigeschrieben. Die Artikel sind durch Dokumente und Auszüge aus den Gerichtsakten garniert und durch Insiderinformationen ansprechend aufgepeppt.
 
Die Veröffentlichungen aus Wörgl finden zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, sie erfüllen aber den Zweck. Es dürfte kein Zufall sein, dass zum Beispiel die Dolomiten alpenmag zitieren und so die Anti-Kompatscher-Botschaft verbreitet werden kann.
Am 2. April 2022 fragt alpenmag: „Hat der Rausschmiss von Landesrat Widmann ganz andere Gründe?“ Die Antwort darauf findet sich im bereits im Vorspann des Artikels.
 
„Wie ALPENmag exklusiv aus dem Umfeld von Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher erfahren hat, geht es bei Entmachtung von Gesundheits-Landesrat Thomas Widmann wohl nicht primär um dessen Lästereien über den Regierungschef, sondern um den Masken- und Spendenskandal, in den Kompatscher möglicherweise tiefer verstrickt ist als bislang bekannt.“
 
Pech für die Münchner Enthüller: Wenige Tage später archiviert die Staatsanwaltschaft Bozen im Maskenskandal die Ermittlungen gegen Arno Kompatscher.
Ende April legt alpenmag aber nochmals nach. Man konstruiert eine neue Affäre. Unter dem Titel „Spezl-Wirtschaft in Südtirol: LH Kompatscher und die Schlern-Connection“ hängt man dem amtierenden Landeshauptmann neue Fälle von Günstlingswirtschaft an. Es geht dabei um den Busunternehmer Markus Silbernagl, den Präsidenten der Brennerautobahn Hartmann Reichhalter oder den neuen STA-Präsidenten Martin Fill.
Wer aber steht hinter diesen zumindest tendenziösen „Enthüllungen“?
 

Sudetendeutsche Textagentur

 
Torsten Fricke ist ein journalistischer Profi. Der 59-jährige Braunschweiger absolviert ein Diplom-Journalistik-Studium an der Ludwig-Maximilians-Universtität München. Nach einem Volontariat beim Münchner Merkur arbeitet er lange für die Passauer Neue Presse, später als Politik- und Nachrichtenchef für tz München und vom 2002 bis 2007 als stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung. Nach eine Zwischenspiel als Unternehmenssprecher der Premiere AG (Georg Kofler) und der Sky Deutschland AG macht sich Fricke selbstständig und gründet mehrere Unternehmen, die vor allem auf Unternehmenskommunikation und Wirtschaftsberichterstattung spezialisiert sind. „Er berät heute Unternehmen im Bereich der Krisen- und Reputationskommunikation sowie des Content-Marketings“, heißt es in seinem offiziellen Lebenslauf.
 
 
Torsten Fricke ist inzwischen Geschäftsführer der „TV Media GmbH“ und der „CMC Munich“. Das Kürzel steht für Consulting, Marketing, Communication. In der Eigendarstellung des Unternehmens heißt es:
 
„Was uns auszeichnet? Wir sind Journalisten, wir sprechen die Sprache der Medien. Wir haben langjährige Erfahrung in Presse und PR. Wir haben belastbare Kontakte zu den Journalisten, die über Ihr Unternehmen berichten. Wir haben Leidenschaft für unseren Beruf und für unsere Projekte. Deshalb haben wir Erfolg - für Sie, unsere Kunden.“
 
Diese Art der Kommunikation scheint auch im Onlinemagazin alpenmag zu florieren. Das Münchner alpenmag-Büro findet sich am Unternehmenssitz der CMC. Die alpenmag-Webseite wurde von der „Torsten Fricke Bild- und Textagentur“ aus Berg am Starnberg, dem Wohnsitz des Journalisten registriert.
Torsten Fricke ist aber auch Geschäftsführer der „Sudetendeutsche Verlags GmbH“. Das Unternehmen gibt die „Sudetendeutsche Zeitung“ heraus, deren Chefredakteur Frick nebenbei auch ist. Die Zeitung wird von der Sudetendeutschen Landmannschaft herausgegeben, die lange Zeit im Fahrwasser rechtsradikaler Gruppierungen stand und inzwischen politisch dem rechten CSU-Flügel nahesteht.
 

Der Merkel-Hasser

 
Zur alpenmag-Redaktion gehört neben zwei Familienmitgliedern von Torsten Fricke auch Heiner Sieger. Der Münchner Diplomvolkswirt, der ebenfalls für das Fricke-Unternehmen CMC tätig ist, arbeitet als Wirtschafts- (Digitalisierung, Healthcare, Strategie), Reise- und Gourmetjournalist. Unter seinen Interessen gibt er „Südtirol“ an. So schreibt Sieger immer wieder Artikel über Südtirol und Südtiroler Gasthäuser.
Im Impressum des Wörgler Onlineportals steht aber auch der Name Ulrich Novak. Der deutsche Journalist und Sachbuchautor hat 2015 zusammen mit Torsten Fricke das Buch „Die Akte Google. Wie der US-Konzern Daten missbraucht, die Welt manipuliert und Jobs vernichtet“ geschrieben.
 
 
 
Schlagzeilen macht Novak inzwischen aber vor allem als rechter Publizist. Vor Jahren ist der Journalist mit seiner Familie aus Protest gegen die Politik Angela Merkels von Bayern nach Oberösterreich übersiedelt. „Die dreiste mediale Indoktrination durch die bundesdeutschen Politikvertreter des kriminellen Migrationskurses von Angela Merkel war eine Zumutung für Freiheitsliebende, man fühlt sich irgendwann fremd im eigenen Land, das ist leider so“, begründet Ulrich Novak gegenüber dem FPÖ nahen oberösterreichischen „Wochenblick“ den Umzug.
Novak bewegt sich politisch am rechten Rand. So übernimmt er Anfang 2019 die Chefredaktion der Magazins  „Freilich – Das Magazin für Selbstdenker“. Die Zeitschrift ist das Nachfolgeprojekt der „Aula“, des langjährigen publizistischen Flaggschiffs der österreichischen extremen Rechten, die Juni 2018 eingestellt wurde. Novaks journalistisches Selbstverständnis: „Es ist wichtig ist, dass wir der Linken, die nicht erst seit 1968 alle Bastionen unserer Überzeugungen zu schleifen versucht, verstärkt Paroli bieten.“
Dass sich alpenmag urplötzlich auf Arno Kompatscher & Co einschießt, dürfte kein Zufall sein. Vieles spricht dafür, dass die Berichtserstattung ein Auftragswerk ist.
Dabei werden die Macher mit Insider-Informationen aus Südtirol und der SVP versorgt. Die Frage ist, wer die Einsager und Auftraggeber sind?
Und wie die Schmutz-Kampagne der sudetendeutschen Kameraden weitergehen wird.