Politik | Vertrauensfrage

Der Befreiungsschlag

Arno Kompatscher macht dem Plan seiner Gegner, ihn und seine Regierung wund zu schießen, einen Strich durch die Rechnung. Der Landeshauptmann setzt jetzt zum Gegenangriff an und wirft seine persönliche Integrität in die Waagschale. Eine Analyse.

Wer Arno Kompatscher besser kennt, der wusste allein durch seine Gestik und Mimik und durch die gereizte Tonart, in die er zuweilen verfiel, dass sich da etwas zusammenbraut. Fast täglich erhöhte sich in den vergangenen Tagen der Druck in dem Dampfkessel, der sich Landesregierung nennt.
Was der Landeshauptmann wirklich im Schilde führte, wussten bis Freitag nicht einmal seine engsten, politischen Mitstreiter. Während seine Mitarbeiter noch an der Haushaltsrede feilten, hatte Arno Kompatscher bereits den Entschluss gefasst, vom Protokoll abzuweichen. Mit einer klaren Stoßrichtung: Angriff ist die beste Verteidigung.

Historischer Schritt

Als Arno Kompatscher am Freitag, 28. März im Landtag erklärte, er werde indirekt bei der Verabschiedung des Haushaltes auch die Vertrauensfrage stellen, erwischte er damit seine offenen und versteckten Gegner auf dem falschen Fuß. Kaum jemand hätte gedacht, dass der smarte, junge Landeshauptmann den Mut aufbringt, seine gesamte politische Integrität und Laufbahn in die Waagschale zu legen.
Noch nie in der Geschichte des Südtiroler Landtages hatte ein Landeshauptmann die Größe und die Konsequenz, eine Vertrauensfrage so zu stellen. Es gab bisher zwar mehrere Misstrauensanträge im Landtag, von denen erwartungsgemäß keiner angenommen wurde. Dass ein Landeshauptmann sein Amt aber an die Verabschiedung des Haushaltes knüpft, ist für Südtirol ein absolutes Novum.
Dabei ist der Schritt Arno Kompatschers alles andere als eine Kurzschlussreaktion. Es ist ein durchdachter und gut kalkulierter Schachzug, mit dem der Landeshauptmann ein für allemal die Treibjagd „gewisser Medienhäuser“ beendet will. Kompatscher will mit diesem Befreiungsschlag das Steuerruder wieder an sich reißen.

Keine Verschwörungstheorie

Das Tagblatt der Südtiroler hat mit dem – von allen anderen Medien verschlafenen – Rentenskandal einen Scoop gelandet, der selbst dem Gegner Respekt abverlangt. Wer aber denkt, dass es im Medienhaus „Athesia“ eine Enthüllung allein aus journalistischer Ethik gibt, der kann auch gleich an die unbefleckte Empfängnis glauben.
Der Hintergrund: Kompatscher, der sich vor der Landtagswahl dem Druck des mächtigen Medienhauses nicht gebeugt hatte, soll wund geschossen werden. Mancher aus der alten Garde sieht im Rentenskandal gleichzeitig die Chance für eine persönliche Revanche.
Für Arno Kompatscher, der an dem Skandal absolut unbeteiligt ist, war es anfänglich ein politischer Super-Gau. Persönlich konnte man dem Landeshauptmann aber keine Verfehlung anhängen. Deshalb schoss man sich auch zuerst auch auf die zweite Reihe ein. Allen voran Richard Theiner und Martha Stocker.
Doch Kompatscher regierte nicht so, wie es die Strippenzieher erwartet hatten. Er lies sich nicht einschüchtern, sondern nannte das Kind bei Namen. „Ich lasse mich nicht von gewissen Zeitungen und Medien treiben“, wiederholte er in den letzten Wochen immer wieder sein Mantra.
Deshalb wurde im Weinbergweg der Fokus der medialen Scharfschützen auch umgehend verschoben. Man drehte die Zielfernrohre in Richtung Landeshauptmann. Diese Woche griff man mit Arnold Schuler erstmals einen engen, politischen Mitstreiter Kompatschers an.

Muntere Enthüllungen

Dazu kam eine zweite Front, die für Arno Kompatscher wirklich gefährlich werden konnte. Hanspeter Munter hat durch seinen Antrag auf Arbeitslosenunterstützung den Medien selbst den nächsten Skandal serviert. Munter sollte am Montag vor der Parteileitung Rede und Antwort stehen. Er kam aber nicht.
Als salto.bz dann Anfang dieser Woche die Finanzierung des Måwe-Pin-Up-Posters aus der Parteikasse enthüllte, wurde es wirklich eng. Noch-SVP-Obmann Richard Theiner tat so, als wisse er von nichts, Martha Stocker sprach von einem „Skandal, wenn das stimmt“ und am Ende setzte die SVP-Parteileitung mit Christoph Perathoner und Dieter Steger auch noch zwei Detektive ein, die die Sachlage klären sollen.
Arno Kompatscher war im Fall Måwe auffallend still. Die Gründe dafür liegen klar auf der Hand: Beide Protagonisten sind seine Kinder. Kompatscher hat das politsche Auslaufmodell Hanspeter Munter vor neun Monaten zum SVP-Wahlkampfleiter für die Landtagswahlen ernannt und er hat Marie Måwe als Landtagskandidatin angeworben. Vor allem aber weiß der Landeshauptmann nur zugut, dass Theiner und Stocker bisher nur die halbe Wahrheit gesagt haben.
Denn die Måwe-Aktion war im Wahlkampf-Komitee besprochen und beschlossen worden. Als Politikberater Rainer Nick in der Sitzung des Wahlkampfkomitees den Vorschlag machte, war es Martha Stocker, die sich umgehend dagegen aussprechen wollte. Es war ausgerechnet Arno Kompatscher, der Stocker einbremste und die Aktion absegnen lies.
Diese Wahrheit kennen neben Stocker, Theiner und Kompatscher aber auch noch zwei, die bei dieser Sitzung im Wahlkampfkomitee anwesend waren. Thomas Widmann und Hanspeter Munter.
Beide sind nicht unbedingt die engsten Freunde von Arno Kompatscher. Demnach war durchaus damit zu rechnen, dass einer der beiden – Hanspeter Munter hat man defacto längst zum Sündenbock gestempelt und aus der SVP ausgeschlossen -  mit diesem Wissen an die Öffentlichkeit geht.
Dann wäre Arno Kompatscher wirklich in Verlegenheit geraten.

Gestärkter LH

Auch deshalb holt Arno Kompatscher gerade jetzt zu diesem Befreiungsschlag aus. Dabei ist klar, dass der Landeshauptmann die Abstimmung am kommenden Donnerstag haushoch gewinnen wird. Das zeigen allein die Reaktionen im Landtagtag unmittelbar nach der überraschenden Ankündigung. Allein Paul Köllensperger (5 Stelle) wird konsequent und bewusst gegen den Haushalt stimmen.
Alle anderen Abgeordneten wissen: Wenn Kompatscher gehen muss, dann werden auch sie ihre Karriere im Landtag notgedrungen ein für allemal beenden.