Politik | SVP

Rinners Vorlesung

Die Bauernfraktion hat im SVP-Parteiausschuss ein Waterloo erlitten. Das Parteigremium hat den Locher-Vorstoß im Gesetzgebungsausschuss rückgängig gemacht. Schulers Sieg.
Josefssal
Foto: Kolpinghaus Bozen
Es war eine gute und wichtige Diskussion, die völlig sachlich und ohne persönliche Angriffe geführt wurde“, sagen gleich eine Handvoll Sitzungsteilnehmer. Über vier Stunden lang hat der SVP-Parteiausschuss am Dienstagabend im Bozner Kolpinghaus getagt. Im historischen Josefsaal hat man am Ende einen Kompromiss gefunden, der eine breite Mehrheit erhalten hat. Von den rund 70 Anwesenden haben nur 4 Ausschussmitglieder gegen den von Landesrat Arnold Schuler vorgelegten Vorschlag gestimmt. Weitere neun SVP-Funktionäre enthielten sich der Stimme.
Diese Abstimmung beendet mit einer mehr als klaren Mehrheit einen seit Wochen öffentlich ausgetragenen Konflikt rund um den geplanten Bettenstopp. Es waren vor allem die SVP-Bauernfraktion und der Südtiroler Bauernbund, die gegen die geplanten Einschränkungen rund um den Urlaub auf den Bauernhof mobil machten. Der SVP-Abgeordneten Franz Locher schaffte es im 2. Gesetzgebungsausschuss im Südtiroler Landtag vor drei Wochen mit Hilfe der oppositionellen Landwirte Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) und Peter Faistnauer (Perspektiven für Südtirol) den Kernpunkt des Schuler-Entwurfes zu Fall zu bringen. Der geplante sofortige Bettenstopp wurde aufgehoben. Man sollte vorher in den Gemeinden eine Erhebung machen. Spätestens nach dieser Nacht- und Nebel-Aktion wurde die Diskussion zur ernsthaften Zerreißprobe für die Südtiroler Regierungspartei.
Doch der Parteiausschuss hat am Dienstag einen nachgebesserten Vorschlag gutgeheißen, der das Rad der Zeit zurückdreht. „Wir haben den ursprünglichen Text, so wie er vor der Partisanenaktion Lochers war, wieder hergestellt“, sagt einer, der an der Lösung des gordischen Knotens maßgeblich mitgewirkt hat.
Die sogenannte Bauernfraktion hat am Dienstagabend noch einmal alles aufgeboten, was möglich war. Doch der Bauernbund und die Agrarlobby unterm Edelweiß haben den Bogen überspannt. Das wurde auf der Sitzung und im Abstimmungsergebnis mehr als deutlich. Der Beschluss des SVP-Parteiausschusses gleicht einem Waterloo für die Schuler-Gegner.
 

Peinlicher Brief

 
Dass das Ergebnis so eindeutig ausgefallen ist, liegt auch an einem taktischen Fehler der SVP-Bauernfraktion.
Weil der Anführer und Kopf des Bauernaufstandes, Siegfried Rinner, auf der Sitzung nicht anwesend war, musste der stellvertretende Vorsitzende des SVP-Landwirtschaftsausschusses Daniel Gasser gleich zu Beginn einen langen Brief des Bauernbund-Direktors vorlesen.
Allein die Tatsache, dass man sich so wichtig nimmt, dass man eine Stellungnahme im Parteiausschuss von jemand anderem vorlesen lässt und dass diese Aktion fast 15 Minuten lang dauert, hat die Stimmung im Parteiausschuss maßgeblich zu Ungunsten der Bauernanliegen beeinflusst.
 
 
Rinners Text war eine Ansammlung von Allgemeinplätzen“, kritisiert ein SVP-Arbeitnehmer. Vor allem aber hat sich der Bauernbunddirektor auf einen Gesetzesvorschlag eingeschossen, der längst überarbeitet worden war. So hat das Rinner-Manifest in weiten Teilen kurzerhand des Thema verfehlt.
Anschließend versuchte die Bauernfraktion in der Diskussion die Mehrheit im Parteiausschuss auf ihre Seite zu ziehen. Dazu meldete man sich massiv zu Wort. Bauernbundobmann Leo Tiefenthaler, die Landtagsabgeordneten Franz Locher, Manfred Vallazza, sowie SVP-Senator und Bezirksobmann Meinhard Durnwalder verteidigten die Pfründe der Bauern. Auch Bürgermeister Dominik Oberstaller und der Pusterer Bezirksgemeinschaftspräsident Robert Alexander Steger bliesen ins selbe Horn.
Doch dieser organisierte Auftritt hat innerhalb des Parteiausschusses eher die gegenteilige Wirkung gezeigt. Auch weil Arnold Schuler inzwischen seine Hausaufgaben gemacht hat.
 

Die Arbeitsgruppe

 
Dem Landesrat für Tourismus und Landwirtschaft ist seit langem klar, dass seine politische Zukunft maßgeblich vom Ausgang dieser Diskussion abhängen wird. Auch deshalb hat Arnold Schuler einen diskreten Schritt getan.
Die vorzeitige Ausarbeitung einer detaillierten Durchführungsverordnung zum Gesetz soll den Kritikern und Gegner den Wind aus den Segeln nehmen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes, soll diese Durchführungsverordnung bereits vor Erlass des Gesetzes klar definiert werden.
 
 
Vergangene Woche hat Schuler als zuständiger Landesrat deshalb eine informelle Arbeitsgruppe eingesetzt und sie mit der Ausarbeitung dieser Durchführungsverordnung betraut. Der hochkarätigen Arbeitsgruppe gehörten neben Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Arnold Schuler, der SVP-Parlamentarier und Anwalt Manfred Schullian, die Anwälte Karl Zeller und Hartmann Reichhalter, sowie der Präsident des Gemeindeverbandes Andreas Schatzer an.
Sie haben jenen Vorschlag ausgearbeitet, den der Parteiausschuss am Dienstag gutgeheißen hat. „Wir haben den ursprünglichen Vorschlag in einigen Punkten nachgebessert und vor allem gewissen Punkte präzisiert“, sagt ein Mitglied der Arbeitsgruppe.
Diese Vorgangsweise war dann auch der Hauptgrund für die deutliche Mehrheit im Parteiausschuss.
 

Die Nachbesserung

 
Die Juristen in der Arbeitsgruppe haben in ihrem Vorschlag einige zentrale Punkte und Bestimmungen klar ausformuliert.
Die Grundsätze des Vorschlages:
  
  • weg von den Nächtigungen, als Messlatte werden die Betten aus dem Jahr 2019 hergenommen;
  • mit Inkraftsetzung des Landesgesetzes können keine neuen Betten mehr vergeben werden;
  • bis zur Verabschiedung der Durchführungsverordnung bleibt der absolute Bettenstopp in Kraft.
 
Zudem hat die Arbeitsgruppe einige strittige Details definiert. So sollen der Urlaub auf dem Bauernhof und die Zimmervermietung auf 3 Betten je Wohnung begrenzen werden. Zudem soll es möglich sein, dass Dorfgasthäuser im Zentrum ohne großartige Bürokratie eine Handvoll Betten einrichten können.
Auch die Sanktionen bei Verstößen gegen den Bettenstopp wurden klar definiert. Die Strafen sollen das Hundertfache der Ortstaxe betragen.
 

Die Gegenstimmen

 
Es war vor allem der Pusterer SVP-Senator und Sprecher der SVP-Bezirksobleute Meinhard Durnwalder der am Dienstagabend im Parteiausschuss wenigsten formal das Gesicht seiner Gruppe zu retten versuchte. Durnwalder erhob drei Forderungen. Die Ausnahmen sollen in das Landesgesetz und nicht in die Durchführungsverordnung geschrieben werden, im Gesetz soll das Einvernehmen mit dem Gemeindeverband und der zuständigen Gesetzgebungskommission festgeschrieben werden. Letzteres sollte dem Präsidenten des zweiten Gesetzgebungsausschusses, Franz Locher, eine Art persönliches Vetorecht zugestehen.
 
 
 
Die Forderungen wurden im Parteiausschuss abgelehnt. Auch deshalb haben Meinhard Durnwalder, Franz Locher und Robert Alexander Steger am Dienstagabend im Parteiausschuss gegen den Schuler-Vorschlag gestimmt. Auch die vierte Gegenstimme und die neun Enthaltungen stammen aus dieser Gruppe. Am Ende hätte die Niederlage der mächtigen bäuerlichen Interessengemeinschaft aber kaum deutlicher ausfallen können.
Man kann vermuten, dass der Bauernkrieg in der SVP trotz Hitze und bevorstehender Ernte noch lange nicht vorbei sein wird.
Jetzt muss sich zeigen, ob sich die Gegner an den Beschluss des Parteiausschusses halten werden. Oder ob man schon am nächsten Plan feilt.
Dass ausgerechnet Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag noch einmal an die Geschlossenheit und Einigkeit nach außen appelliert hat, lässt vermuten, dass der Bauernkrieg in der SVP trotz Hitze und bevorstehender Ernte noch lange nicht vorbei sein wird.
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Robert Hölzl Mi., 20.07.2022 - 17:58

Ein guter Journalist trennt Meinung von Fakten. Meinungen wurden, zumindest früher, von der Berichterstattung getrennt. Der Autor des Artikels hat dieses Prinzip schon längst aufgegeben und mischt immer wieder eigene (abfällige) Bewertungen unter die "Berichterstattung".

Mi., 20.07.2022 - 17:58 Permalink
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rotaderga Mi., 20.07.2022 - 20:29

Antwort auf von Robert Hölzl

Ein guter Leser unterscheidet auch zwischen, freien Meinungen, kompetenten und inkompetenten Formschreiben sowie strategischen Influencerschrieb und Lohngeschreibsel.
Manche Journalisten ignorieren nicht -Vorgaben- konforme -Geschehnisse und Meinungen. Loben dafür genehme - liniengetreue Begebenheiten in den Himmel.
Und dann gibt es die individuellen Prinzipien die immer wieder für Werturteile herhalten sollen.
Ich mag Menschen mit eigener Meinung!

Mi., 20.07.2022 - 20:29 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 20.07.2022 - 23:20

Antwort auf von Robert Hölzl

Ich habe in diesem Bericht keine Meinungen und vor allem keine abfälligen Bewertungen erkennen können. Übrigens kann auch ein schlechter Journalist Fakten und Meinungen trennen, was ihm eher leicht fallen würde, weil schlechte Journalisten meistens auch gar keine Meinung haben. Für mich war der Bericht jedenfalls sehr informativ, vor allem, weil ich erfahren habe, welche sogenannte Bauernvertreter mit ihren unvernünftigen Forderungen dem von mir sehr geachteten Bauernstand geschadet haben. Das sind nicht Meinungen, sondern Fakten.

Mi., 20.07.2022 - 23:20 Permalink
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Herta Abram Do., 21.07.2022 - 08:38

Sachpolitik mit Blick auf die Zukunft der gesamten Gesellschaft und Umwelt, hat bei der Bauernfraktion keinen Vorrang. Es wird nur in populistischen, kurzsichtigen Eigeninteressen- Kategorien gedacht.
Doch hat auch in Südtirol eine Zeitenwende begonnen, und
all diese schwerwiegenden Probleme verlangen nach ernsthafter, mühseliger, integren Politik. Dafür scheinen die derzeitigen Bauernvertreter nicht geeignet.
Ein sich abkapseln und Spaltung erzeugen wollen rettet nicht "bäuerliche Identität", verunmöglicht aber sich nach vorn zu entwickeln und mutig,
-als Teil der Gesellschaft- , in die Zukunft zu gehen.
Nichts wird mehr so wie früher.

Do., 21.07.2022 - 08:38 Permalink