Gesellschaft | Fremdunterbringung von Minderjährigen

Magnesium, Aufmerksamkeit oder Kindesentzug?

Seit einem Jahr ist Armin nun in einem Heim in Forlì. Die Diagnose Hyperaktivität kann sich dramatisch auswirken. 32.000 Kinder leben in Italien derzeit nicht bei ihren Eltern, in Frankreich sind es 7.700 Kinder. Ist Fremdunterbringung, ist Kindesentzug Schutz oder Missbrauch von Minderjährigen?

Armin* ist 13 Jahre alt. Sein 12. Lebensjahr hat er im 400 Kilometer entfernten Forlì verbracht. Salto.bz hatte berichtet. „Welches Kind ich zurückbekomme, wenn Armin wieder zu uns darf, das weiß ich nicht“, sagt seine Mutter.

Seit einem Jahr darf Armin seine Familie zwar sehen, doch alles ist streng reglementiert. Unter Aufsicht sieht er seine Eltern, seine Schwester. Ein mal im Monat, für anderthalb Stunden. „Wenn wir wieder in Bozen sind“, erzählt Frau A., „wenn wir in unsere Wohnung kommen, ohne Armin, dann muss ich mich jedes Mal übergeben.“ Für diesen Ausdruck entschuldigt sie sich, "aber so ist es jedes mal." Sie sei stark nach außen, „oft fragen mich die Leute, wie ich das aushalte. Ich weiß es selbst nicht, aber ich weine jeden Abend, und ich möchte nur eines. Dass Armin endlich zurück darf.“

Lebensentscheidende Gutachten
Armin ist eines von 32.000 Kinder. Er ist "fremduntergebracht", unfreiwilliger Kindesentzug trifft es vielleicht besser. 7.700 Kinder sind in Frankreich von solchen staatlichen Entscheidungen betroffen. Werden schulische oder soziale Probleme von der Schule gemeldet, von der Sozialassistentin analysiert, von der zuständigen Psychiaterin diagnostiziert, reicht ihr Befinden, ihr Gutachten aus, um das Kind aus der Familie zu nehmen.

Schubladendiagnosen
Armin wurde der Stempel hyperaktiv aufgedrückt.
Von der Klasse entfernt, in eine Schublade gesteckt, stand seine Schulkarriere von Beginn an unter einem schlechten Stern. „Er war immer der Außenseiter“, sagt Frau A. „das hat ihm weh getan.“ Psychofarmaka wurden irgendwann empfohlen und verabreicht, "dagegen haben wir uns gewehrt, und sie abgesetzt", sagt die Mutter. Mündigkeit erlaubt?

Studien belegen mittlerweile, dass hyperaktive Kinder an Magnesiummangel leiden. Die Magnesiumtherapie zeigte einen statistisch signifikanten Erfolg bei 80 Prozent der behandelten Kinder. Diese Studie belegt, dass es wichtig ist, bei ADHS-Kindern auch an Magnesium zu denken.

In Trentino ci sono decine di bambini e ragazzi che scappano dalle strutture dove erano stati messi “per il loro bene” e tornano in famiglia. Perché lo fanno se la famiglia era così rovinata? Mehr lesen Sie in lavocedeltrentino.it

"Erfolge" sah die Schule, sahen die Psychologen und Sozialassisten im Fall Armin keine. So wurde gehandelt - Armin im April 2013 nach Forlì gebracht. Psychologische Hilfe für die Eltern, für die Schwester, die von heute auf morgen ohne ihren Sohn, ihren Bruder zurecht kommen mussten, gibt es bis heute keine: „Wir stützen uns halt gegenseitig und hoffen", sagt Frau A.

CCDU - allein auf weiter Flur?
Paolo Roat
weiß um diese verfahrene Situation für die Familie A. aus Bozen. Wie ihnen geht es Tausenden anderen in Italien. Als Verantwortlicher für die Belange der Minderjährigen im CCDU (Comitato dei Cittadini per i Diritti Umani) will Roat "psychiatrischen Mißbräuchen entgegenwirken, sie ausfindig machen, sie zur Anzeige bringen". „Grundlos werden Kindern oft Psychofarmaka verschrieben, dem versuchen wir einen Riegel vorzuschieben. Auch die ADHS-Tests, diese ganzen Diagnosen, die die Schulen verlangen, sind oft unnötig. Minderjährige werden unfreiwillig in die Psychiatrie eingewiesen und sind sie erst mal in Psychiatrischen Einrichtungen untergebracht gibt es auch da Gewaltanwendungen und Missbräuche.“ Die Sorgen um die Minderjährigen, die fremduntergebracht sind hat auch Michela Vittoria Brambilla, Präsidentein der Komission "Infanzia" ergriffen. Sie will Kontrolle. "E`necessario effettuare una forma efficace di controllo sulle case famiglia».

Eine Tagung am 11. April in Trient soll eine Diskussion eröffnen. "Oggi più che mai serve una nuova presa di coscienza e piena responsabilità di tutti gli operatori del diritto della famiglia nel rispetto dei diritti inviolabili del fanciullo tutelati dalla Costituzione italiana e dalle Convenzioni europee e internazionali."

Die UN Kommission für Kinderrechte zeigt sich besorgt: In Österreich werden Kindern immer mehr Psychodrogen verschrieben. Den ganzen Artikel lesen Sie hier.

Normal anders
Während Behörden Eltern für nichterziehungsberechtigt, für nicht kooperativ, für zu wenig konsequent befinden, zerbrechen Familien. Armin sei ein ganz normales Kind, sagt seine Mutter. „Halt etwas zappelig, und damit kamen die Lehrer nicht zurecht. Und natürlich hat er Unsinn angestellt, aber haben wir das nicht alle in diesem Alter mal? Er ist doch kein Kriminieller, den man wegsperren muss."

Reichen Dummenjungestreiche aus, um eine Fremdunterbringungen zu rechtfertigen? Die bei Armin nun ein Jahr andauert. Wenn Eltern nicht miteingebunden werden, in Hilfsprogramme, wie kann Hilfe dann gelingen? Auch Rechtsanwalt Francesco Morcavallo stellt sich diese Frage und geht weiter. Was ist Hilfe wirklich?: „Perchè non apprestare aiuto? L'assistente sociale dovrebbe fare l'aiutante delle persone in difficoltà. Ma invece cosa fa? Mi segnala.“

Wo bekommen Eltern Hilfe?
Der Gang zum Sozialamt wird zum Schuldeingeständnis. „Se io vado dall'assistente sociale e chiedo aiuto per mio figlio, io ho paura. Perchè la prima cosa che fa l'assisente sociale è segnalarlo alla procura minorile", führt Morcavallo aus. "Ja", sagt auch die Mutter von Armin, "als Eltern ist man sowieso immer Schuld. Und man schämt sich auch dafür, dass einem das Kind entzogen wird. Viel besser wäre doch eine Hife hier vor Ort, in der Familie. Für uns alle."

Psychofarmaka bekommt Armin keine. Das wurde seiner Mutter versichert. Auch dass er sich gut entwickelt, sich bemüht, sagen die Verantwortlichen der Einrichtung in Forlì. Worum muss sich ein 13-Jähriger bemühen? "Ich weiß nicht worauf die Psychologen warten. Sie sollen uns endlich unser Kind zurück geben."

Noch im April 2014 soll Armin von einem Richter angehört werden. Ob in Bozen oder Forlì, die Eltern werden im Unklaren gelassen. "Wir wissen nichts, können nur hoffen. Aber ich glaube, sie bringen ihn nach Bozen und er darf nicht mal zu uns." Armin fehlt, seine Mutter kann nicht essen, ist das in Ordnung? "Es ist, ein körperlicher Schmerz, wie wenn sie dir ein Stück vom Körper weggereißen", sagt sie.

Wenn Eltern sich vor Behörden fürchten müssen, wenn Vertrauen fehlt, kann keine Hilfe statt finden. Dann lieber verstecken und still leiden. Sonst läuft man Gefahr weggesperrt zu werden.

*Name von der Redaktion geändert