Politik | Interview

„Das hat mir sehr wehgetan“

Paul Rösch über seine Zeit als grüner Bürgermeister in Meran, seinen Abschied vom Gemeinderat und die Grünen in Südtirol. Komplett verschwinde er noch nicht.
Paul Rösch
Foto: Facebook/Paul Rösch
salto.bz: Herr Rösch, wieso sind Sie zurückgetreten?
 
Paul Rösch: Der Wählerwille war, dass Dario Dal Medico Bürgermeister wird. Ich bin dann nur noch geblieben, weil ich bei unserer Gruppierung dabeibleiben wollte. Die ist gewachsen und sehr stark geworden. Nun ist es, denke ich, an der Zeit, junge Leute nachkommen zu lassen. Ich werde natürlich nicht einfach weg sein, sondern die Gruppe weiterhin unterstützen – aber nicht mehr im Gemeinderat, sondern von außen.
 
Sehen Sie sich nicht so sehr in der Rolle des Oppositionspolitikers, der die Mehrheit kritisiert?
 
Das bin ich vom Typ her eigentlich nicht so. Ich bin einer, der Sachen kreieren will, der machen und tun will. Es steht einem Ex-Bürgermeister nicht gut, wenn er den neuen Bürgermeister kritisiert. Das erlaubt der Anstand nicht. Aber ich möchte mit der Gruppierung an der neuen politischen Kultur in Meran, die wir etabliert haben, weiterarbeiten. Wir haben besonders viele Frauen, die wirklich toll und schön arbeiten, und wenn ich sie unterstützen darf, ist das für mich auch fein.
Das hat mir sehr wehgetan, das muss ich ehrlich sagen.
Was zeichnet diese neue politische Kultur aus?
 
Das Sozial-Ökologische, das in unserer Gesellschaft jetzt ganz wichtig ist, und auch das Einbinden der Menschen und das Zuhören. Ich glaube, in dieser Richtung sind wir schon sehr weit und erkennen den Zeitgeist. Beispielsweise wie mit dem Klimawandel umzugehen ist, was der Stadt jetzt guttut, das sind Dinge, die die Grünen schon immer verfolgt haben. In der Gruppierung sind wirklich Leute, die das leben und weiterbringen.
 
Wie lautet Ihr Fazit aus der Erfahrung in politischen Ämtern?
 
Ich habe diese Erfahrung gemeinsam mit Lukas Elsler in dem Buch ‚Ein Zebra (rettet die Welt) regiert Meran‘ ein wenig zusammengeschrieben. Die Politik ist (lacht und überlegt, Anmerkung d. R.) etwas Besonderes. Ich habe es als Ehre empfunden, das machen zu dürfen. Ich bin auch froh, dass wir in diesen fünfeinhalb Jahren viele Projekte angefangen haben, wo man nicht mehr zurückgehen kann. Die politische Arbeit ist die, die sie ist. Es ist ein hartes Geschäft, das ist klar. Aber mir hat es sehr gut gefallen und ich bin nicht verbittert. Dank unseres Teams konnte ich Sachen umsetzen, die visionär sind.
Das Feindbild der Grünen hat immer noch seine Wirkung, was schade und sehr rückwärtsgewandt ist.
Woran ist die Regierungsbildung in Meran 2020 aus Ihren Augen gescheitert?
 
Das hat mir sehr wehgetan, das muss ich ehrlich sagen. Es haben sich Parteien zusammengetan, um einen grünen Bürgermeister zu verhindern. Das ist ihnen gelungen, indem ich keine Koalition zusammenbekommen habe. Das Feindbild der Grünen hat immer noch seine Wirkung, was schade und sehr rückwärtsgewandt ist.
 
Mit den Grünen haben in Südtirol viele Berührungsängste. Sind sie zu radikal?
 
Nein, ich glaube eben nicht. Die Grünen in Südtirol sind Realos, keine Fundis. Sie sind scharf denkende Menschen, keine Träumer. Es sind wahrscheinlich Leute, die irgendwann mal mehr Zeitung gelesen haben oder mehr informiert sind als andere. Wie gehen wir jetzt wirklich mit einem Klimawandel um? Wie soll das Leben in 30 Jahren aussehen? Die Grünen haben keine Lobbys zu befriedigen und benennen deshalb die Sachen. Dadurch wird man für viele Lobbys gefährlich, weil sie befürchten, weniger Geschäft zu machen. Die Grünen in Meran und auf Landesebene, das getraue ich mich zu sagen, weil ich sie schon ganz gut kennengelernt habe, machen ihre Arbeit aus Überzeugung und sind sich bewusst, dass es nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf ist.  
 
Da könnte man meinen, mit dem Zeitunglesen wird man links! Wobei auch rechte Parteien gute Argumente bringen, etwa bei Migrationsfragen oder teuren Klimaschutzmaßnahmen.
 
Man kann natürlich sagen, wir lassen am Mittelmeer niemanden mehr rein und alle ertrinken. Ob das mit den europäischen Werten vereinbar ist, steht dann auf einem anderen Blatt Papier. Umweltschutz ist nicht links, sondern eine Überlebensstrategie der Menschheit. Die Grünen kämpfen am vehementesten dafür, dass wir auf dieser Erde weiterleben können. Das ist für mich schon wichtig. Während unserer Regierungszeit setzten wir uns deshalb für Radwege, Biodiversität, energetische Sanierung und vieles andere ein. Die einzige Lobby ist die Erde, auf die sie schauen. Und das ist natürlich fürs Geschäft oft schlecht.
 
Deshalb wird ihnen oft vorgeworfen, wirtschaftsfeindlich zu sein.
 
Ich komme selbst aus einem Wirtschaftszweig, ich bin Tourismushistoriker, habe das Museum (Touriseum von Trauttmansdorff, Anmerkung d. R.) aufgebaut und weiß sehr wohl, wie Tourismus funktioniert. Meran wird im Tourismussektor nur überleben, wenn wir die saubere Luft behalten und den Verkehr aus der Innenstadt heraushalten.
 
 
War das auch ein Schwerpunkt Ihrer Politik?
 
Wir haben als Stadtregierung wirtschaftlich vorgedacht, auch wenn der Vorwurf kam, dass wir Parkplätze wegnehmen. Es ist ein gefährlicher Gedanke zu meinen, dass ich mein Geschäft zusperren muss, wenn ich davor nicht zwei Autoparkplätze habe. Kurzfristig mag das vielleicht stimmen. Aber als Gemeinde habe ich einen ganz anderen Aufschwung, wenn ich eine Stadt mit möglichst wenig Verkehr habe. Dazu gehört beispielsweise auch unsere Idee für die Bahn nach Schenna. Ich komme aus einem Laubengeschäft und habe lang genug in der Wirtschaft gearbeitet.  
Ich bin jetzt 68 und möchte, dass die Jungen in den Gemeinderat kommen und das Handwerk lernen.
Also gibt es gar keinen Widerspruch zwischen grüner Politik und Wirtschaft?
 
Es kommt oft der Vorwurf, dass die Grünen nichts von Wirtschaft verstehen. Dann ist immer zu definieren, was Wirtschaft ist. Ist Wirtschaft das Kurzfristige, dass ich als Hotelier das Frühstück auf die Beine stelle, oder ist Wirtschaft die Frage, ob ich als Geschäft unter den Lauben trotz Amazon in zehn Jahren noch existiere? Brauche ich dafür einen Parkplatz oder eine andere Produktpalette?
 
Erwägen Sie, für die Landtagswahlen 2023 anzutreten?
 
Nein. Hans Heiss hat das so schön gesagt, als er meinte, er will nicht der Joe Biden von Südtirol werden. Ich bin jetzt 68 und möchte, dass die Jungen in den Gemeinderat kommen und das Handwerk lernen.
 
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Salto User
Sepp.Bacher Di., 08.11.2022 - 11:20

Ich kann mit der Aussage, dass älter Politiker nicht mehr gebraucht werden, nichts anfangen. Es ist doch eigenartig, dass sich in Südtirol niemand findet, der/die sich die Anliegen der Rentner, Pensionistinnen und Senioren zu eigen macht und primär um die Angleichung der Renten und Pensionen an die Inflation kämpft. Diese Personengruppe macht ein Fünftel der Gesellschaft aus und niemand will im Landtag deren Interessen vertreten. Am Besten wäre, wenn das jemand ist, der selber keine goldene Rente bezieht und z. B. noch Immobilien besitzt.

Di., 08.11.2022 - 11:20 Permalink