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Flavios Einfädler
Foto: Moccia e partners
Flavio Moccia bereitet sich gerade auf den Schlussakt im Prozess gegen Benno Neumair vor. Der Bozner Strafverteidiger nimmt sich dennoch für Salto.bz Zeit und er zeigt Humor. „Das Problem ist, dass ich zu gut bin und zu oft auf das Podium komme“, sagt er mit Augenzwinkern. Und fügt dann hinzu: „Eigentlich kann ich über diese Geschichte heute nur mehr lachen“.
Dabei geht es um einen Ausrutscher. Nicht etwa in seiner Königsdisziplin als Anwalt, wo der heute 72jährige Bozner Strafverteidiger selbst in scheinbar ausweglosen Fällen nur allzu oft unerwartete Erfolge einfährt, sondern in jenem Bereich, der die zweite große Leidenschaft des Flavio Moccia ist: Dem Skifahren.
Moccia fährt seit Jahrzehnten Skirennen. Er trainiert auch mit über 70 Jahren noch in einer Trainingsgruppe, die lange vom Vater von Karen Putzer geleitet wurde, und er startet für den Skiclub Rosengarten bei den italienischen Meisterschaften. In der Klasse Master fährt der schnelle Anwalt mehrmals im Winter aufs Podium. Im vergangenen Jahr hat er - obwohl er einige Rennen auslassen musste - die Coppa Masters in seiner Altersklasse auf dem 7. Gesamtrang beendet. Moccia wurde mehrmals Ski-Weltmeister der Anwälte in seiner Altersklasse.
„Der Gerichtssaal? Natürlich übe ich meinen Beruf als Rechtsanwalt sehr gerne aus. Aber ich bin Master-Skirennfahrer. Und das mit vollster Leidenschaft und Überzeugung. Schreiben Sie das!“, diktiert Flavio Moccia vor einiger Zeit einem Redakteur von sportnews.bz ins Aufnahmegerät. Das Athesia-Sportportal gab dem Moccia-Porträt den sinnigen Titel „Der Wedler zwischen Torstangen und dem Gericht“.
Jetzt hat der Wedler in Robe aber einen Einflädler fabriziert.
Am 9. November 2022 veröffentlicht die NADO, die italienische Nationale Antidoping-Behörde auf ihrer Homepage eine Verfügung der nationalen Anti-Dopingstaatsanwaltschaft, mit der Flavio Moccia für acht Monate wegen Dopings als Skirennläufer und Mitglied des italienischen Wintersportverbandes FISI gesperrt wird.
„Es ist eine absurde Geschichte“, sagt Flavio Moccia zu Salto.bz, „die auf einer Nachlässigkeit beruht“.
Die positive Dopingkontrolle
Die Geschichte beginnt am 26. März 2022. An diesem Tag findet im Skigebiet Schwemmalm in Ulten das Finale der Coppa Italia in der Masterklasse statt. Flavio Moccia startet im Spezialslalom. Nach den Rennen bittet ihn der Delegierte der NADO zum Dopingtest. Die NADO ist die italienische Schwesterorganisation der WADA, der Welt-Antidopingagentur und sie ist gesetzlich für alle Dopingtests auf italienischem Boden zuständig.
Moccias Dopingkontrolle fällt positiv aus. In seinem Urin finden sich deutliche Spuren von Hydrochlorothiazid (HCT).
Hydrochlorothiazid ist ein harntreibender Wirkstoff, der in der Regel in Kombination mit Blutdruckmitteln zur Behandlung von Ödemen, Bluthochdruck und einer Herzinsuffizienz verwendet wird. HCT gehört zu den sogenannten Diuretika. Das sind entwässernde Mittel, die mit ihren Wirkstoffen dem Körper helfen, Flüssigkeit zu verlieren.
Die Substanz ist kein direktes Dopingmittel. Dass HCT aber dennoch ganz oben auf der Dopingliste steht, hat einen einfachen Grund: Hydrochlorothiazid wird oft zur Verschleierung von Dopingmitteln benutzt. Es wird auch als „maskierende Substanz“ bezeichnet. Es verdünnt den Urin, was eine Senkung der Konzentration eines eventuell verbotenen Stoffes zur Folge hat.
„Genau das wurde mir dann auch vorgeworfen“, bestätigt Flavio Moccia. Der Anwalt kann sich über den Vorwurf nur wundern. Denn er hat eine andere, einfache Erklärung für die positive Dopingprobe.
Das Medikament
Flavio Moccias Erklärung trägt den Namen „Plaunazide.“
„Ich nehme dieses Medikament seit über zehn Jahren“, sagt der Bozner Staranwalt. Es handelt sich um einen handelsüblichen Blutdrucksenker. Weil Moccia aber seit vielen Jahren an einer leichten Niereninsuffizienz leidet, hat er mehrere solcher Blutsenker ausprobiert. „Das einzige Medikament, das ich wirklich gut vertragen habe, war das Plaunazide“, sagt er heute.
Dabei dürften aber weder sein behandelnder Arzt noch der Anwalt selbst den Beipackzettel des Medikamentes genauer angeschaut haben. Denn dort steht nicht nur, dass Plaunazide den Wirkstoff „Hydrochlorothiazid“ enthält, sondern es heißt auch wörtlich: „Se lei pratica attività sportiva, questo farmaco può alterare i risultati di un test anti-doping, rendendolo positivo.“
Weder sein behandelnder Arzt noch der Anwalt selbst haben den Beipackzettel des Medikamentes genauer angeschaut.
„Hier war ich sicher unvorsichtig und nachlässig“, meint Flavio Moccia. Der Anwalt sagt auch, dass ihn seine engsten Freunde spaßhalber seit Monaten als „dopato“ stänkern.
Dabei kann man eine gewisse Ironie der Geschichte kaum übersehen.
Flavio Moccia war unter anderen der Anwalt von Gottlieb Taschler in einen aufsehenerregenden Doping-Prozess. Die Biathlon-Legende war angeklagt, beim Doping seines Sohnes mitgeholfen oder zumindest weggeschaut zu haben. Am Ende wurde Gottlieb Taschler aber nach vier Prozessen freigesprochen. Strafverteidiger Moccia war es gelungen, vor Gericht durchzusetzen, dass der Lauschangriff, den eine Carabinierisondereinheit auf den Sportarzt Michele Ferrari und die Familie Taschler gemacht hat, als im Verfahren nicht zulässig erklärt wurde. Damit brach die Beweiskette der Anklage in sich zusammen.
Dass ausgerechnet der Verteidiger eines Dopingangeklagten jetzt selbst in die Falle tappt, klingt fast schon wie eine Verschwörung.
Die Zulassung
Flavio Moccia lässt sich aber keineswegs aus der Ruhe bringen. Der Strafverteidiger hat ärztliche Atteste eingeholt, die beweisen, dass er nur „Plaunazide“ als Medikament einnehmen kann. Mit diesen Dokumente hat er jetzt wieder die Zulassung zum Skirennsport erhalten. „Darin wird festgehalten, dass ich dieses Medikament einnehmen darf“, sagt Moccia.
Zudem hat die Sperre durch die NADO einen Vorteil. Die acht Monate haben mit dem 26. März begonnen und enden mit dem 25. November 2022. Es ist also ein Stopp außerhalb der Skisaison.
Flavio Moccia wird deshalb schon bald wieder durch die Torstangen wedeln und an offiziellen Rennen teilnehmen können.
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"Weder sein behandelnder Arzt
"Weder sein behandelnder Arzt noch der Anwalt selbst haben den Beipackzettel des Medikamentes genauer angeschaut."
Ein Oberklassiker, nicht nur bei Medikamenten und wie man hier eindrucksvoll sieht passiert das auch Profis welche ja aus solchen Anleitungen/Beschreibungen auch mal die Fehler herausarbeiten müssen. Leider erwische ich mich auch immer wieder selber dabei....