Politik | Volkspartei

„Keine Grabreden für die SVP“

Der Meraner Alphabeta-Verlag stellt heute zwei Bücher über die SVP vor. Verleger Aldo Mazza über die beiden Neuerscheinungen, die Autoren und die Beweggründe dahinter.
Aldo Mazza
Foto: (Foto: salto.bz)
Salto.bz: Herr Mazza, in der Südtiroler Volkspartei wütet ein Machtkampf, die Partei steht wahrscheinlich vor einer der größten Krisen in ihrer Geschichte und sie publizieren genau zu diesem Zeitpunkt gleich zwei Bücher über die SVP. Besser könnte das Timing wohl kaum sein?
 
Aldo Mazza: Wenn man die letzten Entwicklungen betrachtet, scheint das Timing wirklich perfekt zu sein. Aber unsere Entscheidung diese Bücher zu machen, ist natürlich lange davor schon gefallen. Ich habe bereits beim 75. Geburtstag der SVP, also vor zwei Jahren, gesagt, das ist ein Thema, das man angehen sollte.
 
Es gibt bereits Dutzende Bücher über die SVP. Schlafen einem dabei nicht die Füße ein?
 
Die Frage ist, wie man die Bücher macht. Die SVP ist heute 77 Jahre alt und zusammen mit der Union Valdotaine die älteste noch bestehende Partei im italienischen Parlament. Beide sind dort mit demselben Parteizeichen seit 1948 präsent. Diese Langlebigkeit dürfte selbst auf europäischer Ebene eine Besonderheit für eine ddemokratisch gewählte Regierungspartei sein. Es ist fast schon ein Wunder. Vor allem wenn man an die Krisen denkt, die zur Zerschlagung fast aller Parteien geführt haben. Wie bei jedem Wunder gibt es in der SVP aber auch Widersprüche und Schattenseiten. Dieses Spannungsverhältnis war für uns der Ausgangspunkt, um dieses Thema anzugehen.
 
Wir wollten das Thema aus zwei völlig verschiedenen Blickwinkeln angehen.
Herausgekommen sind dabei gleich zwei Bücher. Eines auf Deutsch und eines auf Italienisch?
 
Wir als Verlag sehen Südtirol als gemeinsames Land mehrerer Sprachgruppen, in dem es aber auch verschiedene Befindlichkeiten und Sensibilitäten gibt. Wir sehen es als unseren kulturellen Auftrag diese verschiedenen Betrachtungsweisen und Standpunkte herauszuarbeiten und eine Art Brückenfunktion zwischen diesen beiden Welten einzunehmen. Auch und vor allem bei diesem Projekt. Dabei wollten wir nicht einfach das Buch übersetzen, sondern das Thema aus zwei völlig verschiedenen Blickwinkeln angehen.
 
Jenen, der beiden Autoren Lucio Giudiceandrea und Hans Heiss?
 
Ja. Wir haben uns zwei prominente und kompetente Südtiroler Autoren ausgesucht. Hans Heiss hat die SVP-Geschichte aus der Sicht eines Historikers und Politikers geschrieben, der in der Materie direkt beheimatet ist. Lucio Giudiceandrea hingegen hat die Sichtweise eines Südtiroler Italieners auf die Volkspartei wiedergegeben. Die beiden Bücher sind gleichzeitig verschieden und komplementär. Wir wollen damit das Gemeinsame betonen aber auch die verschiedenen Optiken bei der Betrachtung eines Phänomens aufzeigen. Für mich ist es eine beispielhafte Operation, die man öfters machen sollte.
 
 
 
 
Lucio Giudiceandreas Buch trägt den Titel „Stella aliena“. Das klingt mehr nach Krieg der Sterne als nach Heimat und Volkstum?
 
Das Wort „aliena“ richtet sich an die Italiener. Das Buch ist nicht nur für Südtirol geschrieben, sondern soll auch für ein nationales Leserpublikum, dem dieses politische Phänomen und Südtirol erklärt wird. Deshalb dieser Titel. Denn für viele Italiener ist das immer noch eine fremde Welt. Lucio wirkt hier als eine Art Fremdenführer.
Die SVP ist nicht nur eine Partei, sondern eine Lebensform Südtirols“
Hans Heiss wagt sich mit dem Titel „Die Blüten der Macht“ hingegen eher in botanische Höhen?
 
Die Analyse von Hans lässt uns in einer Art Innenansicht an diesem politischen Wunder teilnehmen, aber er zeigt auch gleichzeitig die Widersprüche des gesamten politischen Gefüges auf. Was mir und auch den beiden Autoren aber wichtig ist, zu betonen: Es handelt sich dabei keineswegs um ein Pamphlet gegen die SVP. Eine Operation, mit der man die Volkspartei bloßstellen oder zerstören will, sondern um eine kritische Analyse eines politischen Phänomens, das in unserem Land entscheidend ist. So wie Hans Heiss schreibt: „Die SVP ist nicht nur eine Partei, sondern eine Lebensform Südtirols“.
 
 
 
 
 
Als Verlag gehen Sie davon aus, in der SVP-Basis eine breite Leserschaft zu finden?
 
(lacht) Natürlich. Die ersten Adressaten dieses Buches sind die Funktionäre der Volkspartei. Gerade in dieser für sie schwierigen Zeit dürften sie hier Anregungen erhalten, die in ihren zukünftigen Entscheidungen mitschwingen könnten. Hans Heiss sagt im Buch auch, dass die Volkspartei eine „gefährdete Art“ sei. Auch deshalb täten die Volksparteileier gut daran, sich diese Überlegungen und Betrachtungsweisen anzuschauen.
Es handelt sich nicht um ein Pamphlet gegen die SVP. Eine Operation, mit der man die Volkspartei bloßstellen oder zerstören will, sondern um eine kritische Analyse eines politischen Phänomens.
Hans Heiss ist Historiker und Politiker. Als grüner Landtagsabgeordneter war er ein politischer Konkurrent der SVP. Jetzt wird man in der Brennerstraße sagen: „Wir lassen uns doch nicht von unseren Gegner Ratschläge erteilen“.
 
Wer Hans Heiss kennt, der weiß, dass er durchaus zu einer objektiven, politischen Analyse fähig ist. Natürlich ist Hans mit seiner gesamten, politischen Biografie in diesem Buch präsent, aber herausgekommen ist eine sehr ehrliche intellektuelle Auseinandersetzung mit dem politischen Phänomen Volkspartei. Diese Buch ist nicht der Wutausbruch eines Oppositionellen, der sich an seinem politischen Gegner rächen will, sondern es ist der Versuch, die Geschichte, das Innenleben und die Funktionsweise dieser Partei zu erklären. Besonders interessant wird das vor dem Hintergrund der Erschütterungen, die aktuell die SVP taumeln lassen.
 
Die SVP steht derzeit vor einer Zerreißprobe. Diese beiden Bücher könnten demnach auch zu einer Art Grabrede für die alte Dame werden?
 
Nein, wir machen keine politischen Vorhersagen. Die Bücher sind nicht gestern geplant worden, sondern lange vorher. Was passieren wird, hängt sicher nicht von diesen Büchern ab. Auch wenn wir uns in einer Phase befinden, die für die SVP entscheidend sein wird. Ich sehe deshalb die beiden Werke keineswegs als Grabreden. Denn es ist schwierig, sich ein Südtirol ohne Volkspartei vorzustellen. Was passieren wird, muss und wird die Partei letztlich selbst entscheiden.
 
 

 
 
 

 

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alfred frei Do., 01.12.2022 - 14:47

Besonders wichtig: die Bedeutung der SVP für die Südtiroler Autonomie und
Bewahrung-Entwicklung der Volksgruppen; vor allem im Verhältnis zum gesamtstaatlichen Verfassungsschutz. "Gefährdet" nach Hans Heiss könnte auch das friedliche Zusammenleben in Südtirol sein, oder ?

Do., 01.12.2022 - 14:47 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Fr., 02.12.2022 - 07:54

Die SvP hat sich mit ihren internen intriganten "Spielchen" und ihren Skandalen und Skandälchen selbst zerschlissen,vor lauter Arroganz und Vorherrschaft.Die Opsitionen sind jetzt dran,höchste Zeit für das schöne und teure SÜDTIROL!

Fr., 02.12.2022 - 07:54 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Fr., 02.12.2022 - 08:34

Ich bin wahrscheinlich nicht der Einzige, der nicht von der Opposition regiert werden möchte. Dass die absolute Mehrheit bröckelt und andere Parteien mitregieren fördert hingegen "unsere" Demokratie. Ich freue mich schon auf das Buch vom Heiss.

Fr., 02.12.2022 - 08:34 Permalink
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Karl Trojer Fr., 02.12.2022 - 10:47

Bei allen Mängeln, die eine 77-jährige Partei plagen mögen, muss man der SVP zugutehalten, dass sie die Südtirol-Autonomie wesentlich geprägt hat. Und diese Autonomie wirkt sich für die meisten hier lebenden Menschen vorteilhaft aus. Das Zusammenleben der Sprachgruppen möge sich, frei von Ideologien, zu mehr "miteinander" als "nebeneinander" entwickeln, damit der Friede dauerhaft werde und Südtirol seinen Beitrag zum geeinten Europa einbringen kann. Diese beiden Bücher werden dazu beitragen...

Fr., 02.12.2022 - 10:47 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 09.12.2022 - 06:40

Antwort auf von Karl Trojer

Südtirol ist mit der SVP und den jeweils mit-regierenden italienischen Partei-Vertretern zu einer Provinz geworden, in der immer mehr Menschen die fleißig mitarbeiten, in die Armuts-Falle geraten.
Einzelne SVP-Mandatare lassen sich zunehmend "von den Verbänden für ihre Macht-Spielchen einspannen."
Das Wohnen ist deshalb so teuer geworden, "weil die SVP bereits seit den 1970er Jahren, noch nie den Mut aufgebracht hat, den Bauspekulanten das Geschäft mit den Zweit-Wohnungen gründlich zu verleiden."

Fr., 09.12.2022 - 06:40 Permalink