Gesellschaft | Europa

"Die EU-Wahlen waren kaum Thema"

Warum höre ich so viel von Europa und merke so wenig? Dies ist eine der Fragen, die man letzte Woche beim Flanieren über den Bozner Kornplatz gestellt bekam. Das Europa der Menschen sollte vor den Wahlen nochmal Thema sein.

Vom 15. Bis 18. April gab es am Bozner Kornplatz ein Stelldichein zum Thema Europa, EU und Wahlen. Jeweils am Vormittag und Nachmittag verwickelten die beiden Kommunikationsfachfrauen von blufink, Katharina Erlacher Wolf und Katherina Longariva, Passanten in Gespräche zu einem Thema, das einerseits so nahe und selbstverständlich scheint, andererseits doch voller abstrakter Begriffe steckt. Europa. Gibt es dieses Europa der Bürger wirklich, oder ist es eher ein Europa der Büros?

Ist es das Ziel der EU, dass alle Länder Europas ihr beitreten? Wie sieht sich Europa selbst? Ist Europa ein Friedensprojekt?

„Mir ist in diesen 4 Tagen aufgefallen, wie die Personen die wir angesprochen haben, reagierten. Vor allem mit einer fast perplexen Pause nach der ersten Frage, was denn für sie Europa sei. Ich konnte buchtstäblich sehen, wie jetzt erstmal nachgedacht wird,“ fasst Katherina Erlacher Wolf ihre Eindrücke zusammen. Dieses Europa, das eben einfach da ist und zu dem sich Männer wie Frauen kaum Gedanken machen. Man kenne die politischen Institutionen einigermaßen, das geografische Gebiet natürlich, eine bestimmte Stadt oder Landschaft ist ebenfalls oft prägende Erfahrung zu Europa. "Davon erzählten die Leute."

Che sapore ha l'Europa? Quante persone andranno a votare per le elezioni? L'Europa è solo un mito?

„Eine junge Mutter hat erzählt, dass sie sich als Italienerin, die in Wien zusammen mit ihrem französischen Mann lebt, zwar sehr europäisch fühle, doch die Anmeldung des gemeinsamen Kindes sei ein bürokratischer Spießrutenlauf gewesen und so kam ihr schon der Gedanke, wo denn nun dieses vereinte Europa zu suchen wäre?“ schildert Erlacher Wolf eine der Geschichten, die ihr von einer Passantin erzählt wurden.

Die Gespräche mit den Passanten fanden im Rahmen des Festival delle Resistenze statt: „Uns ging es darum, den Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich mit ihrem persönlichen Bezug zu Europa im Gespräch auseinanderzusetzen. Wir wollten dazu anregen, gemeinsam über europäische Identität nachzudenken," so die Ausgangsidee.

Come integrare la diversità senza omogeneizzare i vari paesi? Warum ist Europa mit dem Stier mitgeritten? Hat die EU auch vor, mal was anderes zu fördern, als nur die Landwirtschaft?

20 bis 30 Minuten dauerten die Gespräche im Schnitt. „Wenn sich die Menschen erst einmal einlassen, dann kommt auch die Lust auf, ihr Verständnis von Europa mitzuteilen. Junge Leute haben da einen viel schnelleren Zugang als die Älteren.“ Diese, so Erlacher Wolf, berichten eher von den Einschränkungen zu Euro und EU, aber dass die Grenzkontrollen abgeschafft wurden, empfänden alle Befragten als großen Vorteil.

Ein Fazit zieht Katharina Erlacher Wolf aber doch nach 4 Tagen Europa-Gesprächen: „Europa bewegt sich fern vom eigenen Alltag und von den Bedürfnissen der Menschen, das meinten fast alle.“ Und die Europawahlen? „Die sind kaum Thema, fast niemand hat darüber gesprochen.“

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Georg Schedereit Mo., 28.04.2014 - 22:59

Europawahlen kein Thema? Kein Wunder, wenn selbst die meisten Medien geflissentlich ignorier(t)en, dass am heutigen Montag von 19-20.30 Uhr die erste jemals geführte und durchaus lebhafte Live-Video-Debatte der europäischen Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten stattgefunden hat, mit z.T. bemerkenswerten Aussagen von Juncker, Schulz, Keller und Verhoefstadt (Tsipras kam nicht).

Siehe euronews.com, den Online-Auftritt des seit vielen Jahren in allen wichtigen Sprachen unseres Kontinents sendenden einzigen europäischen Fernsehnachrichtenkanals EURONEWS. Dieser wird zwar seit Jahren mit EU-Mitteln und von den öffentlich-rechtlichen Sendern einiger Staaten unterstützt - wahrscheinlich weil er eben übernational ist, also für keinerlei nationalistisches Wehgeschrei zu haben ist, wie es jetzt überall in Europa laut wird.

Pikant ist es schon, dass ausgerechnet dieser einzige europäische Fernsehsender ("Arte" ist ja wunderbar, aber "nur" ein deutsch-französisches Modell) in Europa und auch in Südtirol nicht annähernd so effizient verbreitet wird wie Hunderte z.B. amerikanische und andere Fernsehkanäle aus anderen Kontinenten, auf die man z.B. in den Satelliten-TV-Menüs der Hotels überall stößt.

Leider fehlt Euronews bisher auch im sonst doch inzwischen so bunten digitalen RAS-Angebot. Warum eigentlich? Dort wäre Euronews immerhin der einzige Sender, der die unterschiedlichsten Einheimischen und Gäste in ihrer jeweiligen europäischen Muttersprache mit denselben Informationen erreichen könnte.

P.S. Falls auch Sie zu den Mitbürgern gehören, die sich nicht zuletzt aus grenzüberschreitender Sicht darüber informieren wollen, zwischen wem oder was wir bei unserer einzigen grenzüberschreitenden Wahl am 25.Mai entscheiden, aber die heutige historische erste Fernsehdebatte der europaweiten Spitzenkandidaten versäumt haben: deren zweite Fersehdebatte ist für Mitte Mai angesetzt, dann aber wohl auch auf den "nationalen" Kanälen. Am gleichen Abend allerdings, an dem auch die hiesigen EP-Kandidaten eingeladen sind, Farbe zu bekennen: bei ihrer Debatte am 15.Mai von 20 bs 22 Uhr im Bozner Kolpinghaus.

Mo., 28.04.2014 - 22:59 Permalink