Umwelt | Transit

Anarchie und Faustrecht

Matteo Salvini und sein deutscher Amtskollege Volker Wissing möchten die Tiroler Fahrverbote kippen. Fritz Gugriser, Transit-Gegner der ersten Stunde, hält dagegen.
Transit
Foto: Othmar Seehauser
„Unser Kampf auf dem Brenner startet in Bozen. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, können unsere Fimen und Betriebe nicht still stehen“, ließ gestern (3. Februar) Dario Costantini, Präsident der italienischen Handwerkerverbandes CNA in einer Pressemitteilung verlauten. Costantini folgt damit der Linie des italienischen Verkehrsministers Matteo Salvini, der sich auf europäischer Ebene gegen die Tiroler Fahrverbote zur Wehr setzen will und angekündigt hat, ein Vertragsverletzungsverfahren einzureichen bzw. sogar auf den Brenner zu marschieren.
 
 
 
 
Um diese „unerträgliche Situation, diese andauernden Beschimpfungen und Diskreditierungen des Bundeslandes Tirol sowie der Republik Österreich dauerhaft“ hintanzustellen, haben das Transitforum Austria und sein Sprecher Fritz Gurgiser der zuständigen österreichischen Bundesministerin Leonore Gewessler ein geharnischtes Schreiben zukommen lassen. Darin wird die Ministerin aufgefordert, den Sachverhalt auf europäischer Ebene klarzustellen sowie den österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer und die Ministerkollegen darüber zu informieren. Gurgiser bezeichnet in diesem Brief, welcher auch der Presse übermittelt wurde, das Verhalten des italienischen und deutschen Verkehrsministers sowie einzelner Damen und Herren des EU-Parlaments als europarechtswidrig. Diese würden die zuständigen Behörden zum Amtsmissbrauch verleiten und fordern, die Brennerstrecke für den Lkw-Transit freizugeben – „Anarchie und Faustrecht anstelle von Rechtsstaat“.
 
 
Das Land Tirol als auch die Republik Österreich werden massiv diskreditiert und als ‚Schurkenstaaten‘ hingestellt, die Europarecht brechen.
 
 
„Seit Jahren werden dem Land Tirol sowie der Republik Österreich in der Transitproblematik ‚europarechtswidriges Verhalten‘ vorgeworfen; vornehmlich von Frächterverbänden aus Nord und Süd. Nunmehr gibt es eine neue Dimension, indem sich die Verkehrsminister aus Italien und Deutschland sowie EU-Abgeordnete diesen absurden Vorwürfen anschließen. Damit werden sowohl das Land Tirol als auch die Republik Österreich massiv diskreditiert und als ‚Schurkenstaaten‘ hingestellt, die Europarecht brechen“, schreibt Gurgiser. Der Transit-Gegner verweist dabei auf das Tempolimit von 100 km/h und die Lkw-Fahrverbote, die auf Basis des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L) erlassen worden waren, wie Nachtfahrverbot, sektorales Lkw-Fahrverbot und Euroklassenfahrverbot. Diese Maßnahmen hätten eine maßgebliche Reduzierung der NO2-Belastung um mehr als 90 Prozent im Zeitraum von 2001 bis 2021 bewirkt und nachweislich gegriffen, ohne den Lkw-Transit auch nur minimal einzuschränken – denn im gleichen Zeitraum konnte der Transit-Verkehr um 66 Prozent zunehmen. „Das ist europaweit einzigartig und die beiden Verkehrsminister sollten sich bei der Tiroler Zivilgesellschaft, dem Land Tirol und der Republik Österreich dafür bedanken, anstatt uns alle zu diffamieren und diskreditieren“, so Gurgiser. Auch die Lkw-Blockabfertigung stelle lediglich die „Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs“ für alle Verkehrsteilnehmer sicher.
 
 

Transittreiber

 
Heftige Kritik übt das Transitforum an den „Transittreibern Deutschland und Italien“, die am Beispiel der Maut-Gebühren nicht auf kostendeckende Tarife setzten. Zwar würden die Straßenschäden im gesamten hochrangigen europäischen Straßen-Netz hauptsächlich vom Schwerverkehr verursacht, zur Kasse gebeten werden jedoch alle Autofahrer bzw. Steuerzahler. Anhand eines alpenweiten Vergleichs der Maut-Tarife auf den Hauptverkehrsachsen zeigt das Transitforum auf, dass Niedrigstmauten eine der Hauptursachen für den hohen Umwegverkehr von rund einer Million Transit-Lkw auf der Brennerroute darstellen.
 
 
 
 
„Für die Alpenkonventionsstrecke Rosenheim – Verona gelten nationale und internationale Schutznormen aus der Straßenverkehrsordnung, den Durchführungsprotokollen der Alpenkonvention, den europäischen Luftreinhaltegüterichtlinien und dem Europarecht – sie sind eins zu eins umzusetzen, denn jeder Schutz der privaten und betrieblichen Anrainerschaft ist eine höheres Gut als der geforderte ‚Transitterror rund um die Uhr durch eine der schönsten alpinen Regionen‘“, so Gurgiser, der von der österreichischen Bundesregierung fordert, die Angriffe auf den Rechtsstaat und die Rechtsordnung zu beenden.