Europa und Wir(tschaft)
Die Gurke ist für viele das Symbol für Europa. Die EU - ein bürokratisches Monstrum, welches unsinnige Gesetze hervorwürgt, die an den Bedürfnissen von uns Menschen vorbei gehen. Das vor den Lobbys der mächtigen Konzern- und Finanzwelt in die Knie geht und sowieso nichts Vernünftiges mit Hausverstand auf die Reihe kriegt. Und die sollen wir auch noch wählen? Nur weil Sie uns dauernd von Frieden und Wohlstand vorschwärmen? Ja, sage ich. Wählen wir den Haufen! Aber nur diejenigen, die uns genau erklären warum sie unsere Stimme verdienen. Für alle die den Sprung nach Brüssel schaffen wollen, hier sechs Argumente mit denen dies gelingen könnte.
Die famose Krümmung der Gurke
Um noch kurz bei der Gurke zu bleiben und mit dem sorgfältig gepflegten Gerücht mal aufzuräumen. Nein, es waren nicht die EU-Bürokraten und nein, es waren nicht die EU-Politiker, die die Gurkenkrümmung in den Griff bekommen wollten. Es war der Handel. Die Lobbyisten des Handels bearbeiteten die Politiker so lange, überzeugten sie davon, dass mit einer geraden Gurke mehr vom dem Gemüse in die Kisten passten und somit mehr davon transportiert werden könnte. Klingt doch gut. Wird keine überflüssige Luft von Nord nach Süd und Ost nach West chauffiert. Dass dies vielleicht nicht im Sinne der (Gurken)Artenvielfalt ist und dass die Medien sich einen Spaß daraus machten, die ganze EU als „Gurkentruppe“ zu verunglimpfen, konnte doch wirklich keiner ahnen. Das Beispiel macht aber schon deutlich wie katastrophal schlecht die Kommunikationsstrategie der EU ist. Was wissen wir einfache Menschen denn schon von den Wohltaten der EU? Alles was schlecht ist, kommt von der EU, alles was gut ist vom heiligen Land Südtirol. Dazwischen wird dann noch Italien geschoben, wenn’s gerade genehm ist. Dass mittlerweile 90% aller Regelungen ihren Anfang in Brüssel nehmen und dann erst national oder lokal verfeinert und garniert werden, das foppt uns nicht. Sagt uns ja auch keiner.
Argument 1 für werdende EU PoltikerInnen: Erklärt uns die EU. Sorgt dafür, dass nicht nur das Schlechte kommuniziert wird und das Gute einzig und allein das Friedensprojekt ist. Das ist zwar schön und gut, wird aber auf Dauer fad als einziges Argument.
Die Konzerne und ihre Lobbyisten
Wikipedia klärt auf: Ein Konzern ist eigentlich nicht anders als ein Zusammenschluss von mehreren Unternehmen, wo es dann ein „Mutterunternehmen“ und „Tochterunternehmen“ gibt. Die meisten von uns verstehen unter Konzern aber einfach eine Riesenfirma. Um der Menge von Konzernen auf die Spur zu kommen, muss man die Definition anders auslegen. „Transnationale Unternehmen“ definiert die Bundeszentrale für politische Bildung diese Art von Unternehmen und das greift es ganz gut: „Transnationale Unternehmen (TNU) können als treibende Kraft der Globalisierung betrachtet werden, da sie über die organisatorischen, technischen und finanziellen Ressourcen verfügen, um eine Strategie des 'global-sourcing' umzusetzen.“ Soweit so gut. Weltweit sind diese Unternehmen ziemlich angewachsen. Waren es 1990 noch ca. 35.000 Unternehmen, waren es 2008 schon 82.000 Unternehmen die weltweit agieren. Alles Betriebe die eine andere Form der Wirtschaft pflegen als der Einzelhändler oder kleine Mechaniker vor Ort. Ich behaupte nicht unbedingt schlechter, aber auf jeden Fall mehr gefangen in dem globalisierten Mechanismus. Und die Steuerung und Beeinflussung dieses liegt laut den Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich bei sage und schreibe nur 147 Konzernen, hauptsächlich Banken und Rentenfonds. Und das klingt wiederum beängstigend. Jedoch weisen die Autoren der Studie explizit darauf hin, dass noch untersucht werden müsse, ob das Super-Netzwerk konzentriert politische Macht ausübe. In der einen oder anderen Form machen sie das über ihre Lobbyisten sicherlich, doch ist das auch nicht verwunderlich oder in besonderem Maße verwerflich. Jeder, der Einfluss nehmen kann, würde das machen. Die Frage ist nur zu welchem Zweck macht er es. Aus Eigennutz, aus Eigeninteresse oder zum Wohle vieler, zum Gemeinwohl?
Der Leiter der Green Economy Initiative der UN-Umweltorganisation UNEP, Pavan Sukhdev untersuchte die Geschichte der Entwicklung dieser transnationalen Unternehmen und zählt die meisten davon zu den „Corporation 1920“. Also Unternehmen die noch einer Philosophie des letzten Jahrhunderts verhaftet sind. Auf vier Punkte zusammengefasst operieren diese Unternehmen nach folgenden Eigenschaften:
1. Größe und Skaleneffekte, um einen marktbeherrschende Position zu erringen,
2. Aggressives Lobbying, um regulatorische und Wettbewerbsvorteile zu erreichen,
3. Umfangreiche Werbung, zur Beeinflussung der Verbrauchernachfrage, indem menschliche Unsicherheiten auszunützen und Wünsche in Bedürfnisse umzuwandeln, die nur durch neue Produkte befriedigt werden können,
4. Aggressiver Einsatz von Fremdkapital, um die Investitionen der Anteilseigner des Unternehmens zu optimieren
Hier gilt es auf EU Ebene anzusetzen. Große transnationale Unternehmen, Konzerne, müssen zu neuen Standards gezwungen werden, die ihnen weiterhin ihre Tätigkeit global erlauben, jedoch in Richtung Gemeinwohl schwenken. Machen wir uns doch nichts vor: Aussagen, die an manchen Stammtischen gebrüllt werden, die die Konzerne am liebsten zerschlagen würden, gehen komplett am Problem vorbei und würden keine unserer Sorgen lösen. Wer sich mit dieser Aussage schwer tut, sollte mal daran denken, wie viele Arbeitsplätze mit diesen Konzernen verbunden sind. Wie viele Abhängigkeiten untereinander herrschen. Nicht der Konzern ist das Problem, sondern seine ungezügelte und rücksichtslose Vorgehensweise. Laut Sukhdev gibt es vier grundlegende Veränderungen, welche die Entwicklung eines Unternehmens hin zu einem höheren Verantwortungsbewusstsein ermöglichen:
1. Die Offenlegung der externalisierten Kosten und des externalisierten Nutzen – Investoren und Verbraucher erhalten mehr Informationen; Entscheidungen sind dadurch nicht allein auf Basis von Ladenpreis oder Rendite möglich. (Externalisierte Kosten: Die Kosten, die Unternehmen durch ihr business as usual der Gesellschaft als Ganzes aufbürden. Lassen sich in zwei Großkategorien unterteilen: Die einen schädigen unsere Umwelt- und Gemeingüter durch die ungezügelte Emission von Treibhausgasen, eine enorme Abfallproduktion und den übermäßigen Verbrauch von Energie, Land und Wasser; die anderen schädigen die menschliche Gesundheit durch Schmutzpartikel, durch eine fehlgeleitete Abfallwirtschaft oder durch die Herstellung schädlicher Produkte sowie deren Bewerbung. Einer aktuellen Studie zufolge belaufen sich die externalisierten Umwelt- und ökologischen Kosten der 3.000 größten börsennotierten Unternehmen weltweit auf schätzungsweise 2,15 Billionen USD)
2. Besteuerung von Ressourcen – Besteuert werden nicht die Güter, besteuert wird der Verbrauch von Ressourcen
3. Verantwortungsbewusste und rechenschaftspflichtige Werbung – Die Verbraucher erhalten echte Informationen, nicht nur Werbeslogans
4. Begrenzung des Fremdkapitals – Insbesondere bei Unternehmen, die als „too big to fail“ gelten und deren Fremdkapital im Wesentlichen auf externalisierten Kosten beruht, die letzten Endes der Steuerzahler trägt, muss der Einsatz von Fremdkapital begrenzt werden
Sollten diese Punkte umgesetzt werden, stören mich auch die Lobbyisten nicht mehr. Denn dann gibt es keinen Acker mehr, auf denen sie ihr Geld werfen können.
Argument 2 für werdende EU PoltikerInnen: Erklärt uns wie ihr die Konzerne an die Leine legen wollt.
Weitere vier Argumente für werdende EU-PolitikerInnen des Kommunikationsberaters, Unternehmers und Ex-Wirtschaftssprechers der Grünen folgen im Lauf der kommenden Tage.
Nett, Klaus Egger, dass du
Nett, Klaus Egger, dass du auch wieder auf diesem Portal schreibst - und noch dazu so nützliche und interessante Dinge darlegst! Schade, dass du bei den Grünen nur mehr ein Ex bist!
Egger und die Gurke
Exzellent!