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Der Fall Maturi

Die Bezirksleiter der Südtiroler Lega verlangen den Parteiausschluss von Filippo Maturi. In der Eingabe zum Disziplinarverfahren werden schwerwiegende Vorwürfe erhoben.
Filippo Maturi
Foto: World news platform
Man dürfte Stillschweigen vereinbart haben.
Rita Mattei, Landtagspräsidentin und Vorsitzende des Lega-Bezirks Burggrafenamt meint nur: „Kein Kommentar“. Auch Landesrat Massimo Bessone, seines Zeichens Vorsitzender des Lega-Bezirks Brixen ersucht auf Nachfrage von Salto.bz um Verständnis: „Das ist eine parteiinterne Angelegenheit“.
In Wirklichkeit dürfte das Ganze aber weit mehr als das sein.
 
 
Nach Informationen von Salto.bz hat das Duo Mattei/Bessone zusammen mit dem Bozner Lega-Verantwortlichen Roberto Selle und dem Leiferer Lega-Chef Valter Pedri jetzt die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Filippo Maturi und dessen Parteiausschluss gefordert. Es ist ein politischer Paukenschlag. Denn der Bozner Lega-Politiker Filippo Maturi war bisher eines der Südtiroler Schwergewicht auf dem Carroccio, der lange unter dem Schutz von Matteo Salvini stand.
 

Steile Karriere

 
Filippo Maturi hat eine Blitzkarriere vom Hinterbänkler im Bozner Gemeinderat zum Parlamentarier in Rom hingelegt.
Der 38-jährige studierte Bozner Jurist und Unternehmer schließt sich noch als Student der Lega-Jugendbewegung Movimento Giovani Padani an und wird Lega-Jugendkoordinator für Südtirol.  Bei den Gemeinderatswahlen in Bozen 2015 und bei den Neuwahlen 2016 kandidiert Filippo Maturi auf der Lega-Liste. Er erhält 2015 nur 84 und 2016 immerhin 289 Vorzugsstimmen und schafft zwei Mal den Einzug in den Gemeinderat der Landeshauptstadt.
Dort fällt der Lega-Gemeinderat nicht durch politische Hyperaktivität auf. 2017 erlangt Filippo Maturi durch eine absurde Aktion kurzzeitig nationale Beachtung.
Der Lega-Gemeinderat posiert in einen Facebook-Video mit Stahlhelm und militärischer Schutzkleidung und berichtet unter dem Titel „Filippo Maturi live from Bolzanistan“ über die angeblich unzumutbare Situation in Bozen.
 
 
 
Bei den Parlamentswahlen im März 2018 schafft der Stahlhelm-Hinterbänkler im Bozner Stadtparlament völlig überraschend den Sprung in die Abgeordnetenkammer nach Rom.
Möglich wird dieser rasante Aufstieg durch eine persönliche Bekanntschaft. Als Lega-Jugendfunktionär lernt Maturi Andrea Crippa kennen. Der um zwei Jahre jüngere Crippa leitet jahrelang den Movimento Giovani Padani und wird bereits 2014 persönlicher Assistent von Matteo Salvini, als dieser noch im Europaparlament in Brüssel und Straßburg sitzt. Crippa ist einer der engsten Vertrauten Salvinis.  2018 zieht auch Andrea Crippa ins Parlament ein, ein Jahr später wird er zum Vizesekretär der Lega-Salvini, zuständig für die Organisationsstruktur der Partei.
Andrea Crippa und Filippo Maturi freunden sich an. Immer wieder kommt Crippa nach Bozen. Es ist denn auch Crippa, der den Bozner Lega-Gemeinderat zum Parlamentarier macht. Der Salvini-Vertraute verschafft Filippo Maturi den zweiten Listenplatz im Wahlkreis Lazio 2. Weil die Listenführerin Barbara Saltamartini auch im Wahlkreis Lazio 1 als Spitzenkandidatin kandidiert und nach geschlagener Wahl diesen Sitz annimmt, rückt Filippo Maturi ins Parlament nach.
 

Kampf gegen Bessone

 
Der Bozner Lega-Aufsteiger hat über den charismatischen Salvini-Vetrauten direkten Zugang zur Parteiführung in Mailand und Rom. Und Filippo Maturi hat einige parteiinterne Rechnungen zu begleichen. Dem ehrgeizigen Bozner Parlamentarier steht vor allem Massimo Bessone im Weg. Bereits während der Listenerstellung für die Landtagswahlen 2018 versucht Maturi alles, um den Brixner Lega-Koordinator zu schwächen. Maturi gelingt es letztlich, mit dem Leiferer Stadtrat Giuliano Vettorato einen eigenen Mann zuerst auf die Liste und dann in den Landtag zu bringen.
 
 
 
In den Koalitionsverhandlungen nach den Landtagswahlen 2018 zwischen Lega und SVP tritt Filippo Maturi als Delegations-Chef auf – als direkter Abgesandter der Lega-Zentrale in Mailand.
Am Ende gelingt Maturi & Co zwar nicht Massimo Bessone als Landrat zu verhindern, doch das angestrebte Amt des Landeshauptmannstellvertreters fällt an einen anderen: Giuliano Vettorato.
 

Die Eingabe


Das Schicksal will es, dass sich jetzt ausgerechnet Giuliano Vettorato mit dem Parteiausschluss seines ehemaligen Weggefährten beschäftigen muss. Der Leiferer Landesrat ist derzeit der kommissarische Verwalter der Südtiroler Lega.
An ihn ist dann auch die schriftliche Eingabe gerichtet, den die vier Südtiroler Lega-Verantwortlichen gegen Filippo Maturi verfasst haben. Nach Informationen von Salto.bz erheben Roberto Selle, Valter Pedri, Rita Mattei und Massimo Bessone schwerwiegende Vorwürfe gegen den Ex-Parlamentarier.
 
Die erhobenen Vorwürfe: Verstoß gegen den Ethikkodex der Lega, Verursachung eines Imageschadens für die Partei auf lokaler und nationaler Ebene, aber auch wiederholte erniedrigende und unwürdige Verhaltensweisen gegenüber anderen Lega-Mitgliedern.
 
Etwa den Verstoß gegen den Ethikkodex der Lega, die Verursachung eines Imageschadens für die Partei auf lokaler und nationaler Ebene, aber auch wiederholte erniedrigende und unwürdige Verhaltensweisen gegenüber anderen Lega-Mitgliedern.
Auslöser für diesen eklatanten Schritt ist der vergangene Woche aufgedeckte Skandal um die Zugtickets des scheidenden Parlamentariers. Nach Ansicht seiner Parteikollegen rechtfertigt allein diese Affäre einen sofortigen Ausschluss aus der Partei.
 
 
 
Dazu wirft man Filippo Maturi aber auch offen vor, weiterhin als Spaltpilz in der Südtiroler Lega tätig zu sein. Dabei soll der Ex-Parlamentarier bewusst gegen einen Teil der amtierenden Lega-Landtagsabgeordneten und Gemeinderäte arbeiten. Zudem soll Maturi vor allem zu Bozner Themen immer wieder Alleingänge in den Medien machen, ohne sich vorher mit der Bozner Lega abzusprechen.
Es sind schwerwiegende Vorwürfe, für die man aber auch mögliche Zeugen und Geschädigte aufbietet.
Jetzt hat Giuliano Vettorato die heiße Kartoffel in der Hand. Er wird sowohl zu den Vorwürfen als auch zum geforderten Ausschluss Maturis aus der Lega Stellung beziehen müssen.
Auf der anderen Seite wird der Bozner Onorevole zu seiner Verteidigung seine Fäden in Mailand und in Rom spielen lassen. Filippo Maturi ist auch bestens mit der Familie Ebner vernetzt, deshalb kann der jetzt bei der Südtiroler Lega in Ungnade gefallene Lega-Politiker auf den medialen Schutzpanzer des Athesia-Konzern bauen.
Schon bald wird sich zeigen, ob das für sein politisches Überleben reicht.

 

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Klemens Riegler So., 12.02.2023 - 13:00

Irgendwie schon lustig und amüsant: da wird einer vielleicht aus einer Partei hinausgeworfen, weil er einige Zugtickets "geklaut" hat.
Und irgendwie lustig und amüsant wie die verschiedenen Parteien mit "Imageschäden" umgehen ... und wie je nach Partei & Fall "Imageschaden" definiert und/oder geahndet wird.

So., 12.02.2023 - 13:00 Permalink