Politik | Bewegung

Kampf für Grundrechte

Im Verein „Wir Noi - Unternehmen für Menschen“ hat sich eine riesige Gruppe impfkritischer Unternehmer professionell organisiert. Ein Fingerzeig für die Landtagswahlen?
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Foto: wir.noi.
Spätestens wenn man sich das Video anschaut, müssten bei den etablierten Parteien die Alarmglocken schrillen.
Die professionell gemachte Präsentation dauert knapp 7 Minuten und fasst eine Veranstaltung zusammen, die vor rund einem Jahr in Kurtatsch stattgefunden hat. Mit dabei über 200 Unternehmerinnen, Handwerker und Gewebetreibende aus Südtirol und dem Trentino.
In den sieben Minuten reden ein Dutzend Wirtschaftstreibende und stellen die Initiative vor. Nur einmal fällt in dem Video das Wort „Corona“. Man redet von neuen Wegen, von einem Netzwerk, das die Gesellschaft weiterbringen will, von einem neuen Zusammenhalt, wider die Spaltung der Gesellschaft und davon, dass Unternehmer „Gesicht und Kante“ zeigen müssen.
Der Begriff „Impfung“ kommt bewusst nicht vor.
Dabei wird schnell klar, dass es sich bei dieser Initiative um eine Kampagne handelt, die von impfkritischen Menschen gemacht wird. Von lokalen Wirtschaftstreibenden, die sich gegen die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie stellen, und von Menschen, die einen anderen, alternativen Weg in die Zukunft einschlagen wollen.
Doch es tritt nicht eine Handvoll esoterischer Spinner, weltfremder Sektierer oder realtitätsfremder "Schwurbler" auf, sondern es ist ein Querschnitt durch die Südtiroler und Trentiner Gesellschaft, Menschen, die mitten im wirtschaftlichen Leben und Gefüge dieser Region stehen. Wirtschaftlich erfolgreich und finanziell unabhängig.
Es ist eine Gruppe, die auch bei den anstehenden Landtagswahlen in Südtirol eine Rolle spielen wird. Auch wenn man das Thema in den Medien bisher bewusst totschweigt.
Es ist eine Gruppe, die auch bei den anstehenden Landtagswahlen in Südtirol eine Rolle spielen wird. Auch wenn man das Thema in den Medien bisher bewusst totschweigt.
 

Der Verein

 
Die Bewegung mit der Bezeichnung „WIR-NOI“ hat als eine lose Gruppe von Menschen mit gleichen Ansichten und Zielen begonnen. Menschen, die sich gegen die (damaligen) Einschränkungen der Grundrechte, die restriktive Gesundheitspolitik und die allgemeine gesellschaftlichen Entwicklung im Zeichen der Covid-19-Pandemie zur Wehr setzen.
Am 15. November 2021 gründen 12 Aktivisten den Verein „Sozialunion WIR NOI Associazione Sociale“ in Brixen. Inzwischen hat der Verein seinen Sitz in der Bozner Kanonikus Michael-Gamper-Straße 10. In einem Gebäude, in dem auch der Südtiroler Gemeindenverband seine Büros hat.
 
Präsentationsvideo der Initiative „Wir -Noi“( auf der eigenen Homepage): Nicht nur eine Handvoll esoterischer Spinner.
 
 
Unter dem Slogan „für mehr Menschlichkeit“ sind inzwischen 546 Südtiroler und Trentiner Unternehmen dieser Initiative beigetreten. Allein damit hat die Bewegung die numerische Stärke eines kleineren Wirtschaftsverbandes erreicht.
Es sind Menschen, die sich bewusst nicht verstecken, deshalb läuft die Kampagne auch unter dem Titel „Wir zeigen Gesicht“. In der ellenlangen Liste der Mitglieder finden sich Hunderte Unternehmen aus dem gesamten Land. Es geht vom Bodenleger aus Taufers im Münstertal bis zum Bäcker in Welsberg, von der Friseurin am Brenner bis zum Bauunternehmer aus Salurn.
Dabei sind kleine und mittelständische Unternehmen, Handwerker, Hoteliers, Freiberufler und Winzer, aber auch große, renommierte Betriebe wie etwa Rothoblaas, Mortec oder die Weinkellerei Lageder.
 

Die Ziele

 
Wir Noi - Unternehmen für Menschen“ hat seine Ziele in fünf einfachen Leitsätzen zusammengefasst:
 
  • Wir stellen die Menschen in den Mittelpunkt
  • Wir verteidigen unsere Grundrechte
  • Wir bauen auf Vertrauen und Eigenverantwortung
  • Wir stehen für Zusammenhalt in der Gesellschaft
  • Wir leben Toleranz und Respekt
 
In der Selbstdarstellung auf der Homepage heißt es:
 
„Die Südtiroler und Trentiner Unternehmen sind das wirtschaftliche Rückgrat unseres Landes. Ob Industriebetrieb, Handwerker, Gastwirt, Hotelier, Handelsunternehmen, Dienstleister, Freiberufler oder Landwirt: Wir alle produzieren und liefern Produkte und Dienstleistungen jeder Art. Somit tragen wir maßgeblich zur Wertschöpfung und Versorgung bei.
Unsere Mitarbeiter sind unentbehrlich für unsere Betriebe. Und das wissen wir als Unternehmer sehr genau. Durch die Motivation und Arbeitsleistung all dieser unterschiedlichen Menschen haben wir gemeinsam das aufgebaut, was Trentino-Südtirol heute ist!
Zum ersten Mal seit langer Zeit, wird es scheinbar gesellschaftlich wieder akzeptiert, daß bestimmte Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das weckt Spannungen und Ängste. Und dazu haben wir eine klare Haltung.
Mit dieser Plattform zeigen wir unser Gesicht und setzen ein klares Zeichen: ein Zeichen für soziales Miteinander, für Zusammenhalt, für die Einhaltung unserer Grundrechte und für die eigenverantwortliche Entscheidung in Bezug auf Gesundheit und Impfung. Wir sind für einen freien Gestaltungsspielraum – als Menschen und als Unternehmen.
 
 
 
 
Als vernünftige und mündige Bürger und als Unternehmer sind wir es gewohnt, eigenständig zu denken und Entscheidungen selbst zu treffen. Wir brauchen sinnvolle Rahmenbedingungen und Maßnahmen, die den Menschen achten und unsere Betriebe in ihrer Kreativität und Leistungsfähigkeit fördern. Und wir brauchen Entscheidungen zum Wohle aller.
Wir stehen ein:
für einen menschlichen Umgang miteinander
für Vertrauen und die Achtung unterschiedlicher Standpunkte
für einen solidarischen Dialog zwischen allen Menschen unseres Landes
für Sozialpartnerschaft und ein friedliches Zusammenleben“.
 
Seit über einem Jahr arbeiten die Mitglieder in mehreren Arbeitsgruppen zu den Themen Themen Freie Information, Gesundheit und Soziales, Bildung, Gerechtigkeit, regionale Wirtschaft und Nahversorgung sowie Kultur. 
 

Die Landtagswahlen

 
Offen wird ein direktes politisches Engagement und ein Antreten bei Wahlen bisher nicht thematisiert. Dennoch dürfte es sicher sein, dass diese Bewegung bei den Landtagswahlen am 22. Oktober 2023 eine Rolle spielen wird.
Vor allem durch kapillare Verteilung der Aktivistinnen und Aktivisten in allen Gemeinden Südtirols und auch im Trentino hat man im Stillen ein Netzwerk aufgebaut, von dem viele Oppositionsparteien nur träumen können. Zudem sind die meisten Mitglieder und Gesichter dieser Bewegung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Gemeinden voll integriert. Die etablierte Parteipolitik wird sich schwertun, diese Menschen, die bisher etwa in Verbänden wie dem LVH, dem HGV oder in unzähligen Vereinen tätig waren oder immer noch sind, als Verschwörungstheoretiker, Coronaleugner oder ganz einfach Verrückte zu diffamieren.
Auf der Homepage wird auch eine Interview-Reihe der Bozner Rechtsanwältin und Wirtschaftsberaterin Renate Holzeisen wiedergegeben. Zudem gehören Jürgen Wirth Anderlan und Hannes Loacker  zu den Unterstützern dieser Initiative. Daraus aber zwingend abzuleiten, dass sie auch mögliche Kandidaten sein könnten, dürfte noch zu früh sein. 


Das Potenzial

 
Welches politische Potential in diesem Teil der Südtiroler Bevölkerung steckt, haben die letzten Parlamentswahlen deutlich gemacht.
In der Abgeordnetenkammer hat die impfkritische Liste „Vita“ mit der Spitzenkandidatin Renate Holzeisen in der Region Trentino-Südtirol 22.331 Stimmen und damit 4,42 Prozent erreicht. Zum Vergleich: Die SVP schaffte (natürlich fast zur Gänze in Südtirol) 117.010 Stimmen und 23,15 Prozent, die Alleanza Verdi-Sinistra 29.599 Stimmen und 5,86 Prozent.
 
 

 
Allein dieses Ergebnis zeigt, wie sehr die auch von „Wir Noi“ aufgeworfenen Fragen und Problematiken in der Bevölkerung gespürt werden. Noch deutlicher wird das Ganze, wenn man sich das Abschneiden von "Vita" in Südtirol allein anschaut. Im Senatswahlkreis Bozen schaffte Vita 6,21 Prozent, im Senatswahlkreis Meran 6,99 Prozent und im Wahlkreis Brixen 5,99 Prozent.
In einzelnen Südtiroler Gemeinden erreichte Vita dabei zweistellige Ergebnisse: Etwa in St. Pankraz mit 25,8 Prozent in der Kammer und 16,7% im Senat, in Altrei mit 20% in der Kammer und 17,9% im Senat, Aldein 17,4% (Kammer) und 15,1% (Senat), Ulten 17,2% (Kammer) und 11,4% (Senat), Unsere Liebe Frau/St Felix 15,6% (Kammer) und 11,1% (Senat), Montan 14,2% (Kammer) und 13,1 (Senat), Truden 13,2% (Kammer) und 12% (Senat), Schenna 12,5% (Kammer), Lana 11,8 Prozent (Kammer) und Kurtatsch 12% (Kammer) und 10,4% (Senat), Karneid 11,4% (Kammer) und 10,9% (Senat), Tramin 10,6% (Kammer),  Kaltern 11,8% (Kammer) und 11% (Senat) oder Tscherms, Riffian und Glurns mir jeweils 10 Prozent im Senat.
 
 

 
Diese Hochburgen der Impfskeptiker zeigen auch, wie sehr lokale Akteure die Wählerschaft mobilisieren können. Genau das ist aber vor allem bei Landtagswahlen entscheidend.
Vor diesem Hintergrund wird sich die traditionelle Politik mit dieser von ihr so ungeliebten Bewegung „Wir Noi“ wohl oder übel ernsthaft auseinandersetzen müssen.
Entweder im Wahlkampf oder spätestens im Südtiroler Landtag.