Politik | Schulen

„Eine mittelalterliche Position“

SVP-Stadträtin Ramoser schlägt Sprachtests in deutschen Schulen vor. Gegenwind kommt nicht nur von den Grünen, sondern mit Vettorato auch vom Koalitionspartner Lega.
Giuliano Vettorato
Foto: Asp
In der Debatte zum Unterrichtsniveau in deutschen Schulen melden sich nun auch die Grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa und der stellvertretende Landeshauptmann und Lega-Landesrat Giuliano Vettorato zu Wort. In einem Interview der Tageszeitung Alto Adige hat die Bozner Bildungsstadträtin Johanna Ramoser (SVP) vorgeschlagen, bei der Einschulung Deutsch-Tests einzuführen. „Ich möchte diese Sache aufzeigen, wir können nicht die Augen davor verschließen und so tun, als wäre alles in Ordnung“, erklärte Ramoser gegenüber salto.bz. Sie löste damit erneut eine öffentliche Diskussion um ein Problem aus, das bereits seit Jahren bekannt ist.
Während die SVP mehrsprachige Schulen strikt ablehnt, fordern die Grünen dieses Modell seit Langem als dritte Option zu den deutsch- und italienischsprachigen. Ebenso Vettorato greift seinen Koalitionspartner SVP an, er lehnt Eingangstests ab und erinnert daran, dass das Recht auf Schulbildung in der italienischen Verfassung verankert ist.
 

Harsche Kritik

 
„Wir können nicht akzeptieren, dass wir im Jahr 2023 in A- und B-Schüler denken. Wenn es ein Bildungsproblem gibt, dann muss es mit didaktischen Mitteln angegangen werden, nicht mit diskriminierenden Positionen. Der Zugang zur Pflichtschule kann nicht von einem Aufnahmetest abhängig gemacht werden, geschweige denn von der Zweisprachigkeit der Eltern. Auch in Artikel 34 der italienischen Verfassung heißt es: ‚Die untere Schulbildung, die mindestens acht Jahre dauert, ist obligatorisch und unentgeltlich‘“, so Vettorato.
 
 
„Ich frage mich: Schaffen wir eine privilegierte soziale Klasse auf der Grundlage des Status der Eltern? Dies scheint mir eine mittelalterliche Position zu sein, mit einem Blick auf eine Gesellschaft, die durch soziale Klassen (früher wirtschaftlich, heute sprachlich/ethnisch) geteilt ist. Indem man die Jugendlichen von den deutschsprachigen Schulen ausschließt, möchte man sich vorstellen, dass sie alle in italienischen Schulen eingeschrieben werden; also als ‚Auffanglösung‘ für alle?“
Er spart auch nicht mit Kritik an Ramoser: „Ich fordere diejenigen, die diese Positionen vertreten, auf, die Verfassung und das Autonomiestatut zu respektieren. Die Regeln, die wir uns in der Vergangenheit gegeben haben, erlauben es uns, einen ausgewogenen Standpunkt einzunehmen. Gleichzeitig sollten wir gemeinsam überlegen, wie wir unseren Kindern zu einer würdigen Ausbildung verhelfen können, die es ihnen ermöglicht, Bürger mit den gleichen Rechten und Pflichten zu werden.“
 

Bedarf vorhanden

 
Die Grünen kommentieren die Geschehnisse wie folgt: „In Bozen ist wieder ein Schulstreit entbrannt. Zu viele italienische Kinder sind in deutschsprachigen Schulen eingeschrieben. Stadträtin Ramoser bringt wieder die alte ‚Lösung‘ der Eingangstests zurück. Das eigentliche Problem wird dabei verkannt, die angebliche Lösung ist eine Scheinlösung, Frau Ramosers Vorschlag ist ein Pflasterle auf eine eiternde Wunde.“
 
 
Hintergrund sei der Wunsch vieler Familien, ihre Kinder mehrsprachig aufwachsen zu lassen und ihnen damit bessere Lebenschancen zu bieten. Elternvertretungen würden seit vielen Jahren auf diesen gesellschaftlichen Wunsch aufmerksam machen. „Die Regierungsmehrheit im Lande aber versperrt sich diesem Wunsch vehement und mit großer Engstirnigkeit“, so Foppa. Sie hat 2014 einen Gesetzentwurf in den Landtag gebracht, der ein mehrsprachiges Zusatzangebot an Schulen vorsieht, wenn ein Minimum an Einschreibungen zustande kommt (14 für den Kindergarten, 15 für die restlichen Schulstufen). „Der Gesetzentwurf ist im Einklang mit Artikel 19 des Autonomiestatuts, und er würde eine echte Lösung darstellen“, erklärt Foppa. Er würde die Praxis beenden, die dazu führe, dass Kinder in eine für sie oft nur schwer verständliche Welt geworfen werden. „Und die die gesamte Thematik und Problematik letztlich auf Lehrpersonen abwälzt, indem so getan wird, als ob es das Bedürfnis nach Mehrsprachigkeit nicht gäbe“, so die Grünen.
„Wenn das Bedürfnis nach Mehrsprachigkeit ignoriert wird, kommt es am Ende zur ‚selbstgebastelten‘ mehrsprachigen Schule mit Stress für alle. Stattdessen braucht es mehrsprachige Konzepte, die vor Ort als Projekt entstehen, und in denen alle Beteiligten ihre Rolle haben. Ein systemisches Problem braucht auch eine systemische Lösung. Südtirol ist reif für ein mehrsprachiges Zusatzangebot in der Schule. Das ist der Ruf, der derzeit aus den Schulen in Bozen zu hören wäre“, sagt Foppa.
 
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Hartmuth Staffler Fr., 17.03.2023 - 15:21

Vettorato spricht von Mittelalter. Er selbst hat es immerhin schon bis zum Ventennio fascista gebracht, also einige Jahrhunderte überwunden..

Fr., 17.03.2023 - 15:21 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Fr., 17.03.2023 - 20:34

Kann ein Kind erfolgreich eine Schule besuchen, wenn es die Unterrichtssprache nicht in Grundzügen beherrscht? Ich bezweifle dies. Leider verstehen das anscheinend Nichtlehrpersonen besser. Danach sich wundern, dass die PISA-Studie schlecht ausfällt und dass Kinder dann weder brauchbar Deutsch und auch nicht angemessen Italienisch beherrschen.

Fr., 17.03.2023 - 20:34 Permalink
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Martin Piger Fr., 17.03.2023 - 21:27

Es ist unverständlich, wie immer wieder die mehrsprachige Schule als Allheilmittel ins Feld geführt wird. Es ist ihr vielleicht nicht bewusst, aber Frau Foppa möchte den Teufel mit Beelzebub austreiben. Die zweite Sprache lernt man, wenn man das selber will und man von seinem Umfeld Unterstützung dabei erfährt. Auch wenn die Eltern die zu erlernende Sprache selber nicht beherrschen aber die Kinder mit Wohlwollen für diese Sprache dazu anhalten, gelingt Mehrsprachgkeit auch in der muttersprachlichen Schule mit Zweitsprachenunterricht. So war es schon vor fünfzig Jahren, als ich noch zur Schule ging, und so ist es auch heute noch.

Fr., 17.03.2023 - 21:27 Permalink
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Klemens Riegler Sa., 18.03.2023 - 00:43

Antwort auf von Martin Piger

So ist es wohl!
Und solange ich im Pustertal, Vinschgau und Passeier das Italienische nicht brauche, werde ich auch net walsch lernen. Ebensowenig wenn ich in Bozen, mit der Patria im Rücken, lebe. Schließlich siamo in Italia.
Wie richtig angemerkt: Wer will, kann ... und zwar egal in welchem Schulsystem.
Was nicht geht: 90% Lernstoff hinten lassen, wegen dieses einen Faches oder weil ein großer Anteil dem Unterricht einfach nicht folgen kann.
Vielleicht braucht es also effektiv ein reines Sprachschule-Jahr (oder schon im Kindergarten) um danach in die jeweils anderssprachige Schule wechseln zu dürfen. "Kinder lernen ja so leicht und schnell" ... hört man oft.

Leidiges Thema jedenfalls.

Sa., 18.03.2023 - 00:43 Permalink