Umwelt | Gastbeitrag

Moore: die wahren Kohlenstoffspeicher

Ujep Runggaldier von der Grödner Organisation „lia natura y usanzes“ erklärt, wie der Torfabbau für Blumenerde weiter dazu beiträgt, die Erderwärmung voranzutreiben.
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Foto: welcometojo_ / Unsplash
Moore leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt, tatsächlich sind sie die effektivsten Kohlenstoffspeicher aller weltweiten Landlebensräume. Obwohl Moore weltweit nur drei Prozent der globalen Landfläche einnehmen, speichern sie laut WWF und NABU ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffes – doppelt so viel wie alle Wälder dieser Erde zusammen.
 
 
In einem Hektar Moor mit einer 15 Zentimeter dicken Torfschicht findet sich in etwa so viel Kohlenstoff wie in einem hundertjährigen Wald auf gleicher Fläche. Dies bedanken wir dem Torf, aus dem die Moore bestehen. In Mitteleuropa entwickelten sich Moore nach der letzten Eiszeit. Im wassergesättigten Milieu werden abgestorbene Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss nicht vollständig zersetzt und es kommt zur Torfbildung. Auf diese Art wachsen lebendige Moore langsam in die Höhe, etwa einen Millimeter pro Jahr. Mit dem abgelagerten organischen Material wird auch der Kohlenstoff für Jahrtausende im Moor festgelegt.
Werden Wälder angepflanzt, müssen diese erst Jahrhunderte lang heranwachsen, damit sie ihre positive Wirkung auf das Klima erfüllen.
Diese gigantische Quelle von Treibhausgasen zu „versiegeln“, ist eine der großen Herausforderung des internationalen Klimaschutzes. Auch in Europa sind noch längst nicht alle Kohlenstoffvorräte in Mooren geschützt.
Bei der Entwässerung der Moore kommt der über Jahrtausende im Torf gebundene Kohlenstoff mit Sauerstoff in Berührung und oxidiert. Damit gelangen nicht nur riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre, sondern auch das über 300-mal klimaschädlichere Lachgas (N2O). Dessen ungeachtet geht die weltweite Zerstörung der Moore durch Trockenlegung und Torfabbau weiter. Im weltweiten Vergleich verursacht die Europäische Union die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aus der Zerstörung von Moorgebieten. Damit liegt sie hinter Spitzenreiter Indonesien, aber noch vor Russland, das weltweit die ausgedehntesten Moorflächen besitzt. In Indonesien existieren die bedeutendsten Torfwälder der Welt, welche allerdings in rasantem Tempo für Ölpalmenplantagen vernichtet werden oder verheerenden Moorbränden zum Opfer fallen. Es werden somit Urlandschaften durch Monokulturplantagen ersetzt, jemand könnte sagen man ersetzt Bäume mit Bäumen. So einfach ist das nicht: Die wahren Kohlenstoffspeicher sind nämlich nur Jahrhundert oder Jahrtausend alte Urwälder oder Moore. Dies gilt auch für das Bäume pflanzen zur CO2-Kompensation. Werden Wälder angepflanzt, müssen diese erst Jahrhunderte lang heranwachsen ohne der Holzindustrie zugutezukommen, damit sie ihre positive Wirkung auf das Klima erfüllen.
 

Schutz der Südtiroler Feuchtgebiete und Moore

 
Vom Südtiroler Landtag wurden die Umweltkosten des Torfabbaus erfasst und Gesetze zum Schutz der einheimischen Feuchtgebiete erlassen. Trotzdem kann man den Schutz der Feuchtgebiete noch nicht garantieren. Es gibt kein Monitoring zur Entwicklung des Bestandes und es fehlen die zuständigen Kontrollbehörden, wenn beispielsweise auf der Seiser Alm die Moore durch angrenzende intensive Landwirtschaft beschädigt werden. Außerdem hinkt die genaue Kartierung der Feuchtgebiete den Klimazielen hinterher. Im Jahr 1991 wurde die Lage der Feuchtgebiete erfasst, aber nicht dessen Größe und Grenzen. Eine Kooperation mit der Uni Bozen soll nun die südtirolweite Lebensraumkartierung beschleunigen. Auf der HomepageLandschaftspläne online - Newplan sind die Kartierungen der Seiser Alm jedoch immer noch nicht ersichtlich und daher der notwendige Schutz ausständig.
 
 
Was den Torfabbau betrifft, wurden in Südtirol pro Hektar und Jahr rund 15.906 Tonnen CO2-Emissionen emittiert. Die derzeit aktiven Konzessionen von Torfstichen im Unterland erlauben einen Abbau von bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter, was zu einer weiteren Emission von rund 300.000 Tonnen CO2 führen würde. Die Ergebnisse dieser Studie der EURAC 2022 zeigen die Klimarelevanz der CO2-Emissionen durch den Torfabbau in Südtirol und unterstützen eindeutig das Ziel im Klimaplan 2024 der Südtiroler Landesregierung, keinen neuen Abbau von Torf in Südtirol zu genehmigen.
 
 

Was hat dies mit unseren Blumen zu tun?

 
Kommen wir zurück zu den globalen Kohlenstoffspeichern: In Deutschland kann Torf nur auf Flächen abgebaut werden, die aus landwirtschaftlichen Zwecken bereits zuvor trockengelegt wurden. Fehlen diese, werden große Mengen an Torf importiert. Zum Beispiel aus nördlichen Ländern, wie Estland, wo 22 Prozent der Landesfläche aus Mooren besteht und weniger strenge Regelungen für den Torfabbau gelten.
Torf ist wegen seiner Leichtigkeit, Wasser-Aufnahmefähigkeit und sehr zusammenhaltenden Struktur vor allem für Profi-Gartencenter attraktiv und kaum ersetzbar. In Deutschland kommen für die Produktion sogenannter Kultursubstrate für den professionellen Gartenbau jährlich etwa siebeneinhalb Millionen Kubikmeter Torf zum Einsatz. Rund zweieinhalb Millionen Kubikmeter hingegen decken den Bedarf von Hobbygärtner*innen, welche die Torfeigenschaften nicht dringend benötigen und unwissend die Billig-Erde kaufen. Naben den Umweltkosten des Torfabbaus, kommen zusätzlich die Umweltkosen des Transportaufwands hinzu. Ist es wirklich notwendig, Erde über so weite Strecken herumzuschleppen? Dabei gibt es für Hobbygärtner*innen gute Alternativen: Torffreie Erden, die mit Kompost, Rindenhumus und Holzfasern hergestellt werden. Man zahlt vielleicht ein paar Euro mehr, tut damit aber nicht nur im eigenen Garten etwas Gutes, sondern leistet aktiven Arten- und Klimaschutz. Auch wenn es sich um „Bio-Erde“ handeln sollte, wird von „torfreduzierter“ oder „torfarmer“ Blumenerde abgeraten. 
Den Sinn für Perfektionismus müssen wir der Natur überlassen.
Doch was ist mit den tausenden Blumen aus dem torfkonsumierenden Profi-Gartencenter? Mehrmals jährlich werden diese wie Einwegplastik verwendet, um zahlreiche Hotelbalkone, Gemeindeblumenkisten und Straßenkreisverkehre auszuschmücken. Ich frage mich, ob all dies angesichts der Klima- und Energiekrise zeitgemäß ist, denn es gibt noch mehr Bedenken! Damit die schönen Blumenbüsche gleich im Frühjahr ausgesetzt werden können, reicht das Tageslicht nicht aus. Profi-Gartencenters beginnen schon frühzeitig mit der Jungpflanzenanzucht, dabei ist der Energiekonsum beim Heizen der riesigen Gewächshäuser an kühlen Nächten bedenklich.
 
 
Wenn die Blumen so wichtig sind, dann müssen wir unsere Blumen mit unserer lokalen Energie in unserer lokalen Erde säen oder dies von den Gärtnereien verlangen. In Südtirol gibt es keine torffreie Gärtnerei. Der umstrittene Torfabbau im Südtiroler Unterland zeigt die Fehler auf: Gärtnereiblumen sind umweltschädlich! Trotzdem zeigen sich die südtiroler Dörfer in den prächtig, mittlerweile langweiligen, saisonalen Blumenmonokulturen.
Liegt es in der Natur des Menschen, Fakten zum weltlichen Allgemeinwohl einer globalisierten Welt angesichts des lokalen Wohlstandes zu ignorieren? Angesichts der fortschreitenden Klimakrise muss im Nachhinein „Feuerwehr“ gespielt werden, um den Weltfrieden und unsere Existenz auf der Erde zu retten. Schlussendlich würde es diesmal „nur“ um die Reduktion/Verzicht von Blumen gehen. Im Vorhinein zu denken und zu handeln, aber die Blumen sind wichtiger!
Meine Lösungsvorschläge sind weniger und mehrjährige Pflanzen. Diese müssten nicht mehrmals im Jahr ausgetauscht werden und wie es die Natur bestimmt hat, blühen alle Pflanzen einmal im Jahr, um sich zu vermehren. In unseren Köpfen muss ein Umdenken bezüglich Blütenmenge und Ordnung stattfinden, den Sinn für Perfektionismus müssen wir der Natur überlassen. Artenvielfältige winterharte und blühende Gewürze wie Ysop, Salbei, Bergbohnenkraut bis Erdbeeren usw. in den Blumenkisten. Manchmal verzaubern sie uns sogar mit Düften und Früchten. Ein einzigartiges Konzept der essbaren Vielfalt zwischen Kräuterkisten, Beerensträuchern und Streuobstwiesen auf Gemeindeebene, um die lokale Sortenvielfalt zu erhalten. Viele Ideen für ein individuelles, artenvielfältiges Südtirol, welches Torfmoore im In- und Ausland schützt.
 

Vielen ist der Zusamnenhang zwischen Torf und Klimaschutz nicht bekannt. Ich selbst wusste das auch lange nicht.
Als erste Maßnahme könnte der Verkauf von torfhaltiger Blumenerde im Detailhandel in Südtirol verboten werden. So wie in Deutschland ab 2026 beschlossen wurde.

Do., 04.05.2023 - 21:34 Permalink

Klare und unmissverständliche Argumente für den Erhalt dieses in letzter Zeit bewusst bedrohten Auwaldes und den Wert dieses Habitats. Es als kleine aber vernetzende Naturinsel neben der kontaminierten Millander Au und der Schrammbacher Lacke unbedingt zu bewahren und das Einsickern von Grundwasser vom Eisack her zu gewährleisten.

Sa., 06.05.2023 - 21:33 Permalink

Ergänzende Korrektur: Es als kleine aber vernetzende Naturinsel neben der kontaminierten (wenn auch erweiterten) Millander Au unbedingt zu bewahren und das Einsickern von Grundwasser vom Eisack her zu gewährleisten, müsste eigentlich für alle, die ernsthaft von wirksamen Klimazielen sprechen und danach handeln wollen, höchste Priorität sein.

Sa., 06.05.2023 - 21:41 Permalink

Das Grund-Problem ist ja leider immer das selbe: GELD! die 64 Vogelarten bringen kein Geld! Industrie bringt viel Geld und die Lobbies sind stark! Wer wird gewinnen?

Mi., 10.05.2023 - 09:09 Permalink