Umwelt | Salto Paper

Große Fragen, k(l)eine Antworten

Die Landtagswahlen stehen vor der Tür. Gelingt es der ökosozialen Opposition nicht, eine attraktive Vision der Zukunft zu vermitteln, hat nicht nur sie zu verlieren.
klimachallenge.jpg
Foto: Ingrid Heiss
Wir leben in spannenden, krisenvollen Zeiten. Was einst als das Thema der Grünen Parteien Europas galt, ist heute eine nicht mehr ausblendbare Realität: der Klimawandel. Und tatsächlich fahren die Grünen in Deutschland und Österreich Wahlerfolge ein. Sie machen Regierungsarbeit, gehen Kompromisse ein und kämpfen für eine lebenswerte Zukunft. Fehler machen sie dabei sicherlich auch.
Ja, ich bin frustriert!
In Südtirol hofften die Kandidat*innen der Grünen bei der Parlamentswahl vergangenen Herbst vergeblich auf Erfolg. Es scheint, als würde der Aufschwung Grüner Parteien nicht über den Brenner schwappen. Ans Aufgeben denken sie trotzdem nicht. Tapfer stellen die drei Grünen Landtagsabgeordneten den Medien ihre Beschlussanträge vor, die im Landtagsplenum  zwar mit großer Wahrscheinlichkeit für rege Diskussionen sorgen – um dann aber mehrheitlich abgelehnt zu werden. 
Volksnähe kann den Grünen nicht wirklich zugeschrieben werden. Ein elitärer Touch macht sie eher stolz, zur Bildungselite dieses Landes zu gehören. Zwar brüsten sie sich damit, Partizipation zu fördern und Bürger*innen zuzuhören, aber bei traditionellen Momenten der Begegnung, etwa beim Dorffest, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder in der Musikkapelle fehlen sie meist. Es verwundert deshalb nicht, dass die historisch gewachsene Klimaschutzpartei in Südtirol über solide Achtungserfolge bei den Wahlen nicht hinauskommt. 
 
 
 
Ja, ich bin frustriert. Als politisch denkende 27-jährige Bürgerin dieses Landes wünsche ich mir, dass wir trotz allem bis zum Ende dieses Jahrhunderts unter zwei Grad bleiben, was die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau betrifft. Die Möglichkeit dafür gibt es, obwohl sich das Zeitfenster zur Einhaltung der Pariser Klimaziele von Tag zu Tag schließt. 
Ich bin überzeugt, dass wir alle – unabhängig von politischer Überzeugung oder Parteizugehörigkeit – aufeinander zugehen müssen. Aber dafür müssen die Argumente im politischen Streit auf den Tisch gelegt werden. Bei der Klimakrise gäbe es dafür genügend Auswahl. Denn es gibt politische Ideen, die Wege aus der Klimakatastrophe vorzeichnen. 
Wege, die ungewohnt sind und Angst auslösen: weniger Wirtschaftswachstum, mehr regionale Kreisläufe; weniger bezahlte Arbeit, mehr Zeit für Ehrenamt und Beziehungen; und, ja, auch eine neue Vision, die sich weder in kommunistischer oder anarchistischer Träumerei verläuft noch das neoliberale Wirtschaftsmuster mittels Greenwashing als Lösung verkauft.
 
anna_luther.jpg

 
Als politisch denkende 27-jährige Bürgerin dieses Landes wünsche ich mir, dass wir trotz allem bis zum Ende dieses Jahrhunderts unter zwei Grad bleiben, was die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau betrifft.
Vielleicht kann eine von Vielen getragene Vision für die Zukunft aus der Ahnung entstehen, dass wir Menschen mehr sind als die für uns festgelegten Rollenbilder und Klischees. Denn jede*r von uns birgt das Potenzial, ein kleines oder weniger kleines Stück zu Veränderung beizutragen. Ob am eigenen Arbeitsplatz, in der Familie, im Freundeskreis oder im politischen Leben – Handlungsmöglichkeiten eröffnen sich unendlich viele. 
Im besten Fall freut es uns, Verantwortung für andere zu übernehmen: Auch wenn Kinder und Jugendliche in unseren Demokratien kein Wahlrecht besitzen, sind sie es, die mit den Folgen des Klimawandels werden leben müssen. Wir können ihnen mit unserem Handeln eine Zukunftsperspektive geben, die Lust auf Kinderkriegen macht. Oder aber wir beweihräuchern uns weiterhin selbst. 
In einem Land mit einer nicht ausgewogenen Medienlandschaft und starken ökonomischen Interessengruppen ist es alles andere als leicht, mit unbequemen Parteiprogrammen auf Stimmenfang zu gehen. Aber was hätten die Grünen und andere Kräfte, die sich „ökosozial“ nennen, dabei zu verlieren?
 
Anna Luther ist SALTO-Redakteurin.