Umwelt | Wahlen/Elezioni 23

Fratelli d’Italia und der Klimawandel

Schlagabtausch bei den “Südtiroler Blinddates”: Scientists for Future bezeichnet die Aussagen der FdI-Kandidatin Anna Scarafoni als falsch oder Halbwahrheiten.
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Foto: Südtiroler Blinddates
Bei den “Südtiroler Blinddates” ging es kürzlich besonders heiß her: Beim Schlagabtausch zwischen Grünen-Kandidat Zeno Oberkofler und Fratelli d‘Italia-Kandidatin Anna Scarafoni prallten wohl nicht weniger als sehr verschiedene Weltbilder aufeinander. Beide wollen bei den kommenden Wahlen am 22. Oktober in den Landtag gewählt werden, Scarafoni sitzt bereits für die Fratelli im Bozner Gemeinderat.
Scarafoni versucht, Italiens Verantwortung bei der Bekämpfung der Klimakrise zu relativieren.
Scientists for Future South Tyrol zeigt sich alarmiert: Ihr Faktencheck zeigt, dass es die Kandidatin der rechtspopulistischen Partei nicht so genau mit den Ergebnissen der Wissenschaft nimmt – ausgerechnet beim Wahlkampfthema Klima. Zur Überprüfung der Aussagen der beiden Diskussionsteilnehmer*innen, haben der Mathematiker und Klimawissenschaftler Michael Matiu, der Chemiker Hans Georg Gallmetzer und die Philosophin Marlene Erschbamer von Scientists for Future South Tyrol einen umfassenden Faktencheck durchgeführt. Die Ergebnisse sind in einem Kurzessay und einem Aussagen-Check zusammengefasst und auf dem Blog von Scientists for Future veröffentlicht.
Obwohl die Auseinandersetzung mit Argumenten von Klimaleugner*innen auch kontraproduktiv sein könne, da sie oft vom eigentlichen Diskurs ablenkt, wurde diese Arbeit im Lichte der bevorstehenden Wahlen und der Kandidatur der beiden Diskussionsteilnehmer*innen als notwendig angesehen.
 

Der Faktencheck

 
Scientists for Future gehen etwa auf die Veränderungen der Erdachse ein, diese sollen laut Scarafoni die Ursache für den globalen Klimawandel sein. „Diese Veränderungen finden jedoch auf Zeitskalen von zehntausenden bis hunderttausenden von Jahren statt und können die schnellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte nicht erklären“, so die Wissenschaftler*innen.
Auch Italiens CO2-Emissionen waren bei den Blinddates Thema: Die Frage von Scarafoni zum Emissionsanteil Italiens impliziere einen Versuch, dessen Verantwortung bei der Bekämpfung der Klimakrise zu relativieren. „Wir möchten klarstellen, dass Italien überdurchschnittlich viele Emissionen verursacht. Die Emissionsreduktion ist eine globale Herausforderung, bei der jedes Land seinen Beitrag leisten muss, insbesondere unter Berücksichtigung der historischen Emissionen und der daraus resultierenden Verantwortung, wie im Pariser Abkommen festgelegt“, so Scientists for Future.
 
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Die zweite Folge der “Südtiroler Blinddates”: Zeno Oberkofler von den Grünen spricht mit Anna Scarafoni von den Fratelli d'Italia. (Foto: Screenshot/Youtube)
 
Scarafoni äußerte zudem Bedenken, dass die Politik die Wissenschaft aufgrund wirtschaftlicher Interessen beeinflusst. „Dabei übersehen viele, dass die Natur- und Sozialwissenschaften häufig durch öffentliche Gelder finanziert werden und somit weniger von privaten Interessenkonflikten beeinflusst sind. Zugleich wird die Leugnung oder Relativierung der menschengemachten globalen Erhitzung oft durch die fossile Brennstoffindustrie finanziert“, erklären Matiu, Gallmetzer und Erschbamer.
Scientists for Future geht auch darauf ein, was es bedeutet, einen verantwortungsvollen Diskurs zu führen: „Abschließend analysieren wir die Aussagen im Kontext der Philosophie und ziehen die ‚drei Siebe‘ von Sokrates zurate. Dabei prüfen wir, ob eine Information wahr, gut und notwendig ist. Leider erfüllen viele der von Frau Scarafoni gemachten Äußerungen diese Kriterien nicht.“
Die Auswirkungen des Klimawandels seien bereits heute spürbar und erfordern dringende Maßnahmen, um die negativen Folgen einzudämmen. „Sie kosten Menschenleben, verursachen enorme ökonomische Belastungen und beeinflussen zukünftige Generationen. Die Verantwortung der Politik ist es, einen auf Fakten basierenden Diskurs zu führen, um uns damit näher an eine Lösung der Klimakrise zu bringen und dadurch eine lebenswerte Welt zu hinterlassen“, so Scientists for Future.