salto.music | Jugend Unterland

Das Feuer ist aus!

Seit Jahren kämpft das „Jugendzentrum Westcoast – Kurtatsch, Margreid, Kurtinig“ für seine Unabhängigkeit. Die drei Gemeinden entscheiden sich für den Jugenddienst Unterland, allen voran: Kurtinig. Die Auflösung des Vereins steht konkret im Raum.
Vor dem Aus: Der seit 2009 aktive Verein „Jugendzentrum Westcoast – Kurtatsch, Margreid, Kurtinig EO“.
Foto: rhd
  • Nach jahrelangem Bestreben die Eigenständigkeit zu erlangen und zu behalten, schicken die Gemeinden von Kurtatsch, Margreid und Kurtinig den Verein „Jugendzentrum Westcoast EO“ nun wieder unter die Fittiche des Jugenddienstes Unterland. Während die definitive und offizielle Entscheidung seitens Kurtatsch und Margreid noch ansteht, hat sich der Gemeindeausschuss von Kurtinig in seiner Sitzung vom Dienstag, 24. Oktober 2023, dazu entschieden, die Angestellten (eine Vollzeitstelle und eine Halbtagsstelle) und damit letztlich die Kontrolle der offenen Jugendarbeit wieder der Obhut des Jugenddienstes Unterland zu übergeben, obwohl diese seit vierzehn Jahren vom übergemeindlichen Verein „Westcoast – Kurtatsch, Margreid, Kurtinig“ erledigt wurde.

    Der Verein, gegründet 2009, hatte von Anfang an Eigenständigkeit angestrebt, und war es zu Beginn noch nachvollziehbar, diesen jungen Verein zur Starthilfe an eine bereits bestehende Struktur zu koppeln, blieben alle Bemühungen sich definitiv vom Jugenddienst Unterland zu lösen erfolglos. Letzthin waren die Angestellten über „Westcoast“ angestellt, wobei die Gemeinden ihren Teil der Finanzierung mit einer jährlich zu erneuernden Konvention zusicherten.

    Das „Jugendzentrum Westcoast“ wollte aus der permanenten Unsicherheit herauskommen und hatte dabei ein eigentlich einfaches Ziel vor Augen.

    Die Gemeinden hatten damit gleichzeitig eine zeitnahe Ausstiegsmöglichkeit, für das „Jugendzentrum Westcoast“ bedeutete diese kurzfristige Konvention permanente Unsicherheit, die durch die wechselnden politischen Vertreter und die immer wieder auftauchenden Unstimmigkeiten zwischen den Gemeindevertretern selbst noch gesteigert wurde.

    Der Vorstand des „Jugendzentrums Westcoast“ wollte aus dieser permanenten Unsicherheit herauskommen und hatte dabei ein eigentlich einfaches Ziel vor Augen, das in ganz Südtirol etabliert ist und funktioniert: Eine Konvention mit den Gemeinden zur Finanzierung der Tätigkeiten und der Angestellten, die nicht jedes Jahr neu verhandelt werden muss, sprich: Sicherheit und Eigenständigkeit.

  • Ohne die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Kurtinig und dem Jugendzentrum Westcoast wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen: Der Skatepark Unterland wurde nach langen Jahren der Vorarbeit endlich fertig gestellt. Foto: rhd / salto.music
  • Diese vielfältigen Bemühungen reichen bis in die jüngste Vergangenheit, als Amtsdirektor Konrad Pamer alle Beteiligten an einen runden Tisch geholt und Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen geführt hat. Erfolglos auch der „Strukturprozess“, der vom n.e.t.z., dem Dachverband der Offen Jugendarbeit, in den letzten Jahren eingeleitet und begleitet wurde und das Verhältnis Jugenddienst/Westcoast klären sollte. Der aktuelle Vorstand ist aufgrund des ständigen Hinhaltens, des ständigen Drucks zur Rechtfertigung des eigenen Daseins und Handelns, zermürbt und die Auflösung des Vereins steht ganz konkret im Raum. Das Vertrauen in die Gemeinden bezüglich seiner Anliegen ist auf einem Minimum, ebenso ist das Vertrauen zum Jugenddienst Unterland nicht mehr gegeben ist, weil dieser das machen wird, was die Gemeinden verlangen: Die Angestellten von „Westcoast“ übernehmen.

    „Wir haben entschieden. Für 2024 wird die Konvention mit ‚Westcoast‘ aufgekündigt und danach endet auch meine Legislatur und es kommt ein neuer Bürgermeister…“

    Der Kurtiniger Bürgermeister Manfred Mayr gibt uns seine Begründung für die Entscheidung: „Die Kosten sind für mich persönlich nicht der wesentliche Aspekt, und wir haben auch nichts gegen den ehrenamtlichen Verein ‚Westcoast‘. Der wesentliche Aspekt ist die Stabilität und die Kontinuität, deswegen sollten die Mitarbeiter wieder wie beschlossen zum Jugenddienst übergehen. Wir möchten die Jugendarbeit gebündelt haben. ‚Westcoast‘ kann weiterhin ehrenamtlich als Verein arbeiten, und wenn es Projekte gibt, die der Jugenddienst nicht macht, dann wird sich die Gemeinde diese von Fall zu Fall anschauen, bewerten und unterstützen, wie wir es auch in Vergangenheit bereits gemacht haben.“

    Dass es „Westcoast“ bereits sehr lange gibt, lässt Mayr nicht gelten und unterstreicht: „Wir haben entschieden. Für 2024 wird die Konvention mit ‚Westcoast‘ aufgekündigt und danach endet auch meine Legislatur und es kommt ein neuer Bürgermeister…“

    Die offizielle Entscheidung seitens der Gemeindeausschüsse von Margreid und Kurtatsch ist noch ausständig, aber, wie aus der Mail hervorgeht, mit der Bürgermeister Manfred Mayr vorgestern Amtsdirektor Konrad Pamer über seine Entscheidung informiert, hätten sich die drei Bürgermeister im Vorfeld bereits geeinigt.

  • Wird sehr gut angenommen: Der Skatepark Unterland hat sich bei den Skaters des Unterlandes (und darüber hinaus) bewährt. Foto: Helmut Gross
  • Ein Erklärungsversuch oder: Wer zahlt, schafft an!

    Was ist der Jugenddienst Unterland? Während die Mitglieder von „Westcoast“ Menschen sind, denen die Jugendarbeit in den drei Dörfern ein Anliegen ist, sind die Mitglieder des Jugenddienstes Unterland zwölf Pfarreien und elf Gemeinden des Unterlandes.

    Die Finanzierung läuft im Wesentlichen über das Amt für Jugendarbeit (2022: 160.000 €), über die elf Gemeinden (Mitgliedsbeiträge der Gemeinden 2022: 87.843,84 €; Kostenbeiträge für Jugendtreffs 2022: 28.500,00 €), die zwölf Pfarreien (2022: 17.988,74 €) und die Bezirksgemeinschaft (2022: 8.000 €). Für die Projekte, darunter die „Sommerbetreuung“, erhielt der Jugenddienst Unterland 2022 von der Familienagentur 809.419,71 € und von den Gemeinden insgesamt 3.877,22 €.

    Zwischen den Gemeinden und dem Jugenddienst Unterland gibt es ein Abkommen, das den jährlichen Pro-Kopf-Beitrag festlegt, den diese dem Jugenddienst Unterland überweist. Für 2023 wurde er von 3,76 Euro auf 4,13 Euro pro Einwohner. Daraus ergeben sich die jährlichen Mitgliedsbeiträge seitens Kurtatsch 9.028,18 €, Margreid 5.397,91 € und Kurtinig 2.800,14 €.

    Für die Gemeinden ist der Jugenddienst Unterland also ein Werkzeug, die Jugendarbeit im Unterland zu kontrollieren. Manfred Mayr bringt es im kurzen Gespräch mit salto.music auf den Punkt: „Wer zahlt, schafft an.“

    Und diese Kontrolle wollen Kurtatsch, Margreid und Kurtinig offensichtlich nicht aus der Hand geben. Dafür spricht auch das nicht unwesentliche Detail, dass der Mitgliedsbeitrag überwiesen wurde, obwohl „Westcoast“ die ganze (Aufbau-)Arbeit erledigt hatte.

    Und es wurde nie die Idee diskutiert, das Konzept einfach umzudrehen, nämlich die Pro-Kopf-Quote an das „Jugendzentrum Westcoast“ direkt zu überweisen und andererseits den Jugenddienst Unterland für die konkret ausgeführten Aktivitäten zu unterstützen?

    Der direkte Kontakt zu Gleichgesinnten ist ein unumgängliches und reales Gegengewicht zur Übermacht der digitalen „Kommunikation“ und es sind u.a. die offen geführten Jugendtreffs und -zentren, die einen glaubwürdigen Platz dafür bieten.

    Die so genannte Jugendkultur findet aber in erster Linie in den Jugendzentren und Jugendtreffs statt, die sich der offenen Jugendarbeit widmen, das Mittelschulalter ist dabei der Beginn. Die Jahre zwischen 13/14 und 18/19, sind prägend, nicht nur für die Persönlichkeit und die Weltsicht der jungen Menschen, sondern sie sind auch wesentlich für die Bindung zum Dorf. Warum sollte ein junger Mensch nach dem Studium in sein Dorf zurückkehren, wenn es dort nichts gab und gibt, in dem er sich wiederfindet?

    Der direkte Kontakt zu Gleichgesinnten ist ein unumgängliches und reales Gegengewicht zur Übermacht der digitalen „Kommunikation“ und es sind u.a. die offen geführten Jugendtreffs und -zentren, die einen glaubwürdigen Platz dafür bieten. Das belegen Gemeindeverwaltungen, Naturns mag als Beispiel dienen, die ihre Jugendzentren aktiv unterstützen, das heißt, nicht nur die Beiträge überweisen, sondern Interesse an der Jugend zeigen, das über die reine Finanzierung hinausgeht. Im „JuZe“ von Naturns haben sich mittlerweile mehrere Generationen von Jugendlichen die Klinke in die Hand gegeben und das Jugendzentrum ist fest in die Dorfgemeinschaft eingebunden. Ein derartiges Miteinander lässt sich nicht in zwei Jahren schaffen.

    Die Gemeinden von Kurtatsch, Margreid und Kurtinig setzen genau das aufs Spiel, wenn sie die Jugendarbeit auf ihrem Gemeindegebiet an den Jugenddienst Unterland wieder übergibt und den eigene Leuten damit ganz klar das Vertrauen entzieht.

    Das Ehrenamt wurde nicht unterstützt und gefördert, sondern, so hart es klingt, abgedreht.

    Das ist nur der Versuch einer Erklärung eines zehrenden, sich über die Jahre hin ziehenden Prozesses. Wem die Geschichte übrigens irgendwie bekannt vorkommt, täuscht sich nicht. Ähnliches ist vor etwa 10, 15 Jahren im Sarntal und vor etwa drei Jahren auf dem Hochplateau passiert. Beide Male hat der Jugenddienst Bozen Land mit der Unterstützung der ebenfalls konservativ geführten Gemeinden die offene Jugendarbeit auf diesen Gebieten übernommen, obwohl sich ehrenamtlich geführte Vereine erfolgreich über viele Jahre hinweg darum gekümmert hatten. Die Vereine – „Hondenada“ im Sarntal und „Alles Club“ in Kastelruth/Seis und Völs – haben sich aufgelöst, das Ehrenamt wurde nicht unterstützt und gefördert, sondern, so hart es klingt, abgedreht.

  • Wurde erst vor wenigen Jahren eröffnet: Der aktuell gut besuchte Jugendtreff von Margreid wird zum Jahreswechsel wohl nicht mehr vom Jugendzentrum Westcoast betreut werden. Foto: rhd / salto.music
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Salto User
David1976 Mo., 30.10.2023 - 15:43

Schade. Diese Entwicklung ist traurig und entspricht eigentlich nicht der ursprünglichen Idee der Jugenddienste. Die Jugenddienste wissen dies sehr genau.

Mo., 30.10.2023 - 15:43 Permalink
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Theo Mahlknecht Di., 31.10.2023 - 15:46

Sehr traurig, in vielen Gemeinden wird die offene Jugendarbeit nicht mehr als wichtig erachtet. Im Gegenteil....die Vereinstüren dieser Vereine werden geschlossen. Aber genau das ist ein fataler Fehler...alle die mit der Freien Jugend gearbeitet oder selbst dabei waren wissen wovon ich rede. Es wäre so wichtig die Jugend geschützt freizulassen,ja so würde ich es nennen....dazu waren die Jugendräume da. Mann konnte hingehen ....es war Treffpunkt, Freizeit mit Freunden ohne ständig bevormundet zu werden und doch gab es Menschen die ehrenamtlich da waren wenn der Schuh drückte. Das wird fehlen in der Gesellschaft....und viele werden sich fragen: Miassn dei Jungen do ummerlungern , hobm de koan Ort wouse hingian kennen? Nein haben sie bald nicht mehr....

Di., 31.10.2023 - 15:46 Permalink
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Klemens Riegler Di., 31.10.2023 - 23:14

Das Thema Offene Jugendarbeit wird uns in den nächsten Jahren wohl noch mehr beschäftigen als bisher. Auf beiden Seiten gibt es jeweils nicht nur DAS GUTE!
Was mir hier in diesem Beitrag fehlt, ist die Darstellung der Gegenseite. Was sind die Gründe ? ... wo liegen die Probleme? aus welchen Gründen soll Westcoast aufgelöst und dem JD die Führung übergeben werden? Welche Argumente führen die Gemeinden ins Feld? Was ist passiert? Was wurde verzockt?
Vielleicht könnte auch in diesem Fall eine externe Mediation hilfreich sein?!?

p.s. „Hondenada“ im Sarntal und „Alles Club“ in Kastelruth/Seis und Völs waren keine "ehrenamtlichen Vereine" sondern öffentlich ausgestattete und öffentlich finanzierte Jugendeinrichtungen.
Das ist übrigens beim JuZe Naturns auch der Fall. Ebenso wie bei allen anderen von übergeordneten Organisationen (etwa Jugenddiensten) verwalteten Jugendtreffs o.ä.

Di., 31.10.2023 - 23:14 Permalink