Politik | Landesregierung

Die radikale Erneuerung

Um die Bildung der Landesregierung werden unzählige Hypothesen aufgestellt. Dabei wurde eine Lösung bisher ausgespart, die dem Wählerwillen entsprechen würde.
Landtag. Landesregierung
Foto: Seehauserfoto
  • Die Botschaft ist klar.
    Arno Kompatscher minus 9.435 Vorzugsstimmen, Philipp Achammer minus 16.474 Stimmen, Waltraud Deeg minus 5.774 Stimmen, Daniel Alfreider minus 1.194 Stimmen, Arnold Schuler minus 11.459 Stimmen und Maria Hochgruber Kuenzer mit einem Verlust von 4.326 Vorzugsstimmen erst gar nicht mehr in den Landtag gewählt.
    Die SVP-Wählerinnen und Wähler haben am vorvergangenen Sonntag ganz bewusst die Landesregierung abgestraft. Die Menschen zeigen mit diesem Wahlverhalten mehr als klar den Wunsch nach Veränderung in der Landesregierung.
    Diese Veränderung wird es geben. Seit zwei Wochen diskutiert man in den Medien aber auch in den Parteien, die verschiedensten Varianten für die Koalitionsbildung und die Zusammensetzung der Landesregierung. Es geht um die Anzahl der Regierungsmitglieder und wie man die begehrten Plätze in der Landesregierung am besten verteilt. 
    Zwei Bedingungen werden dabei inzwischen als gegeben angenommen. Zum einen die Tatsache, dass es unabhängig von der Größe der Landesregierung (9, 10 oder 11 Mitglieder) nur einen italienischen Landesrat geben wird und dass erstmals drei Frauen in die Landesregierung einziehen werden.
    In Wirklichkeit gibt es aber eine Variante in der letztere Bedingung nicht mehr zählt.

  • Der Status quo

    Amtierende Landesregierung: SVP-Wähler haben klar den Wunsch nach Erneuerung signalisiert. Foto: Seehauserfoto

    Am Ende werden es rund 20 Monate sein, in denen Südtirol eine Landesregierung mit acht Mitgliedern hat. Nach dem Rauswurf von Thomas Widmann hat Landeshauptmann Arno Kompatscher das Gesundheitsassessorat übernommen. Dabei fällt es kaum auf, dass ein Landesrat fehlt.
    Was aber wenn man die Landesregierung zahlmäßig so belässt, wie sie derzeit zusammengesetzt ist?

    Wenn man eine Landesregierung - so wie derzeit im Amt - mit 8 Mitglieder belässt, dann braucht es nur zwei Frauen.

    In diesem Fall braucht es nicht mehr drei, sondern nur zwei Frauen in der Landesregierung. Bei den Landtagswahlen am 22. Oktober wurden insgesamt 10 Frauen in den Landtag gewählt. Das sind 28,57 Prozent. Rechnet man diesen Prozentsatz auf eine Landesregierung mit acht Mitgliedern um, kommt 2,28 heraus. Weil die Dezimalzahlen unter 0,50 laut Wahlgesetz abgerundet werden, müssen demnach nur zwei Frauen in der Landesregierung 

  • Die Radikallösung

    Arno Kompatscher und Daniel Alfreider: Nur diese beiden würden bleiben. Foto: LPA

    Auf das SVP interne Wahlergebnis umgemünzt, würde das bedeuten, dass nur mehr zwei Mitglieder aus der amtierenden Landesregierung auch in der neuen Landesregierung sitzen: Landeshauptmann Arno Kompatscher und der ladinische Landesrat Daniel Alfreider.
    Die restliche Mann- und Frauschaft der Volkspartei: Rosmarie Pamer, Hubert Messner, Luis Walcher und Peter Brunner.
    Es wäre jenes klares Signal einer personellen Erneuerung in der Landesregierung. Einer Erneuerung allerdings mit zwei prominenten Opfern im Hause Volkspartei. Denn das würde heißen, dass sowohl SVP-Obmann Philipp Achammer als auch Landeshauptmann-Stellvertreterin Waltraud Deeg aus der Landesregierung fliegen würden. 
    Weil man Daniel Alfreider durchaus zum SVP-Bezirk Pustertal rechnen muss, wären damit in der Bezirkslogik unterm Edelweiss auch alle wichtigen und mächtigen SVP-Bezirke in der Landesregierung vertreten.
    Zudem braucht die SVP eigenes Personal, um die Ämter in der Landtagspräsidentschaft, in der Regionalregierung und in den Gesetzgebungsausschüssen zu besetzen. Hier bietet sich durchaus Platz für die drei scheidenden Landesräte Waltraud Deeg, Philipp Achammer und Arnold Schuler.

  • Die Aufwertung

    Maria Elisabeth Rieder (Team K): Die zweite Landesrätin neben Rosmarie Pamer? Foto: Team K

    Die zweite Frau würde dann der Koalitionspartner stellen. Es wäre entweder die Freiheitliche Ulli Mair oder Maria Elisabeth Rieder vom Team K. 
    Denn seit Tagen beginnt sich die Waagschale für eine mögliche Koalitionsbildung unterm Edelweiss in Richtung der zweistärksten Partei im Südtiroler Landtag zu verschieben. Man weiß, dass innerhalb der SVP-Basis ein Koalition mit den Südtiroler Grünen für einen Aufschrei sorgen wird. Die Freiheitlichen wäre zwar für die Volkspartei leichter verdaulich, doch sie haben zwei entscheidende Nachteile. 

    Seit Tagen beginnt sich die Waagschale einer mögliche Koalitionsbildung unterm Edelweiss in Richtung der zweistärksten Partei im Südtiroler Landtag zu verschieben.

    Nach dem überraschenden Führungswechsel an der Parteispitze, ist nicht mehr so klar, in welche Richtung die Südtiroler Blauen marschieren werden. Vor allem aber zählen die Freiheitlichen nur zwei Sitze im Landtag. 
    Das Team K kann zur Mehrheitsbildung aber vier Mandate beisteuern. Das heißt eine Mehrheit von SVP, Team K, FdI und Lega käme auf die nötigen 20 Sitze im Landtag. Außerdem würde eine Landesrätin Rieder auch dem SVP internen Protest des Pustertales etwas Wind aus den Segeln nehmen.
    Zwischen dem Team K, den Fratelli D’ Italia und der Lega gibt es weit weniger Berührungsängste als mit den Südtiroler Grünen. Zudem ist die Köllensperger-Truppe keineswegs als Mitte-Links-Gruppierung eingestuft und somit als Antagonist zur römischen Regierung anzusehen.
    Vor allem aber würde diese Verkleinerung der Landesregierung gleichzeitig den einzigen italienischen Landesrat aufwerten. So kann auch die Forderung nach einem zweiten italienischen Landesrat leicht abgefedert werden.

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Franz Pattis Do., 02.11.2023 - 13:47

Hauptsache der Peter Brunner wird nicht Landesrat für Urbanistik wie letzthin öfters in den Medien stand! Denn dann würde die Bodenversiegelung hierzulande rapide ansteigen und das Ziel „Netto null Neu-Versiegelung bis 2040“ laut Südtiroler Klimaplan nie und nimmer erreicht werden!
PS. Der ehemalige Brixner Bürgermeister gilt als stark „wirtschaftslastig“ und während seiner Regentschaft wurde extrem viel Boden versiegelt. Nicht umsonst wurde die Bischofsstadt vom
Umweltinstitut ISPRA für den größten Flächenverbrauch in den Jahren 2016/17 „ausgezeichnet“!

Do., 02.11.2023 - 13:47 Permalink
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Martin Daniel Do., 02.11.2023 - 14:59

In der Tat hat Paul Köllensperger persönlich eine Zusammenarbeit mit den Fratelli apriori ausgeschlossen. Wie er da herauskommen soll, ist eine knifflige Frage. Eine Möglichkeit wäre, die SVP holte statt den Fratelli die Civica in die Regierungsmehrheit. Mit Bianchi hätte die Koalition eine 19er-Mehrheit, also einen Sitz mehr als mindestens nötig. Für die Durchführungsbestimmungen kann der Draht nach Rom, eine kurze Schmollphase der Fratelli einkalkuliert, über die Lega hergestellt werden. Für die anstehende Europawahl wird man schließlich auch (wieder) auf einen römischen Regierungskoalitionär aus der EVP setzen wollen.

Do., 02.11.2023 - 14:59 Permalink
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Thomas Unterwinkler Do., 02.11.2023 - 16:01

Antwort auf von Martin Daniel

Ich fände die Lösung mit der Civica auch am besten. Immerhin ist Gennaccaro nach Vorzugsstimmen der meistgewählte Italiener. Für den Draht nach Rom und Trient ist die Lega da, Bianchi würde dann auch Landesrat. Die Fratelli draußen zu lassen, würde nicht nur in Bezug auf das Team K Probleme vermeiden, sondern auch innerhalb der Volkspartei. Denn es gibt durchaus Teile der Partei, die eine Zusammenarbeit mit den Postfaschisten sehr kritisch sehen. Dazu kommt, dass dem LH das Thema Umweltschutz/Nachhaltigkeit sehr wichtig ist. Wie soll das mit einer Klimawandelleugnerin (Scarafoni) funktionieren?

Do., 02.11.2023 - 16:01 Permalink
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△rtim post Do., 02.11.2023 - 19:05

Es scheint im Südtirol jedenfalls komplizierter zu sein als etwa z.B. im Freistaat Bayern, wo es bereits wenige Wochen nach der Wahl eine neue Regierung hat.
In Südtirol fällt der Über- und vor allem der Durchblick schwer.
Franceschinis Vorschlag hier hat eher was mit Wunsch des Gedankens, seinen Ablehnungen und Vorlieben zu tun.
Objektiv betrachtet ignoriert er dabei nicht nur die dezidierte Absage des Team K vor der Wahl gegenüber einer Koalition mit den national-rechtsextremen Brüdern Italiens, sondern auch die Vorbehalte/Befürchtungen mancher innerhalb der SVP gegenüber Team K. Gerade durch die politische Nähe und als mögliche Alternative zur SVP für die bürgerliche Mitte.
Ebenso ignoriert Franceschini auch LH Kompatschers klare Aussage, dass er an Achammer als LR, da Drittgewählter der SVP-Liste, festhält. Insofern ist LH Kompatscher, wenn es um Berücksichtigung des demokratischen Willens geht, hier kohärenter als der Autor.
Vielleicht reicht Achammer auch das Amt als Landtags(vize)präsident oder ein sonstiges in der Region.
Übrigens. Aber bei einem Neustart geht es wohl auch um den (neuen) OM.
Da hat K. Zeller recht. Kompatscher soll mit Richtlinienkompetenzen auch den OM machen. Für die (klein-kleine) Arbeit in der Partei selbst hat es ja Arbeitskreise, Ausschüsse, Funktionäre.
Das Modell eines Erfüllungsgehilfen, wie uns auch das Beispiel Achammer gezeigt hat, funktioniert jedenfalls nicht.
Die These, dass ein LH und OM in Personalunion nicht die Gesamtbevölkerung vertrete, ist absurd. BK Merkel hat das getan. Andere auch. Meloni tut es.

Do., 02.11.2023 - 19:05 Permalink
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Martin Daniel Fr., 03.11.2023 - 07:34

Dass die Regierungsbildung in dieser, für Südtirol neuen Konstellation länger dauert, als im mehrfach zitierten Bayern, erscheint selbstverständlich. Zum einen muss die regierende Volkspartei erstmals einen dt.sprachigen Partner mit ins Boot holen, zum anderen ist sie dabei, sich nach der schweren Niederlage und dem schlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschichte neu aufzustellen. Und schließlich will die ethnische Vertretung in der Regierung in Hinblick auf autonomiepolitische Aspekte gut gewählt werden. In Bayern haben 2 bürgerlich-konservative Parteien, die bereits bisher zusammen regiert haben, eine klare Mehrheit. In Südtirol dürften diesmal 4 Parteien mitregieren müssen, um eine belastbare Mehrheit zu haben. Mehr verwundert, dass die stärkste Partei nicht diese Woche mit Sondierungsgesprächen beginnen wollte, sondern erst 2 Wochen nach den Wahlen. Da gibts wohl intern viel zu klären.

Fr., 03.11.2023 - 07:34 Permalink